Greenpeace-Recherche: Aquakultur-Farmen in China verfüttern Millionen Tonnen Babyfische.
- Ein Artikel von Bernadette Weikl
- mitwirkende Expert:innen Thilo Maack
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In China werden jährlich vier Millionen Tonnen junger Wildfische zu Brei zermahlen und an Fische in Aquakulturen verfüttert. Ein Desaster für das Ökosystem Meer.
Noch vor wenigen Stunden schwamm das fingerlange, marmorierte Fischlein im Meer vor der chinesischen Küste. Nun quillt es zermalmt zu rötlichem Nahrungsbrei durch ein Sieb in das Becken einer Fischfarm. In dem sperren sich hungrige Mäuler auf. Der kleine Marmorfelsenfisch ist für Fischer nur Abfall. Sie nennen diese Art Beifang „Trash-Fish“, Müllfisch – gewaltige Aquakulturanlagen im Ostchinesischen Meer verwenden ihn als Billigfutter. Müllfische sind entweder für Menschen nicht zum Verzehr geeignete Arten oder Jungfische, die viel zu klein für die Vermarktung sind. Sie landen tonnenweise in den Netzen der Schleppnetztrawler.
60 Prozent der weltweiten Aquakulturproduktion in China
Der weltweite Verzehr von Fisch und Meerestieren hat sich in den vergangenen 50 Jahren auf 152,5 Millionen Tonnen verdoppelt. Als Antwort auf den enormen Appetit auf Fisch wurden immer mehr industrielle Aquakulturanlagen gebaut, die mittlerweile um die 75 Millionen Tonnen jährlich produzieren. Heute kommt jeder zweite Fisch auf unserem Teller aus einer industriellen Fischfarm. Der Großteil dieser Meerestiere, 88 Prozent, stammt aus Asien, insbesondere China. Dort ballt sich die weltgrößte Ansammlung von Meeres- und Küstenaquakulturen; sie produzieren mehr als 60 Prozent der globalen Fischereierzeugnisse. In der Küstenstadt Shidao, Kanton Shandong, boomt die Aquakultur: Allein um die sieben Millionen Tonnen für den Bedarf im eigenen Land zu decken – mit drastischen Folgen für die dort heimischen Wildfische.
Vier Millionen Tonnen Müllfisch pro Jahr
In den vergangenen 30 Jahren ist das Ökosystem vor der Küste Chinas wegen der massiven Überfischung aus dem Gleichgewicht geraten. In der Folge gibt es immer weniger ausgewachsene, fortpflanzungsfähige Fische. Ein Großteil der Fische, die heute in den Netzen der chinesischen Trawler landen, sind Jung- oder Babyfische: Die Stichproben von Greenpeace Ostasien ergaben einen Anteil von 75 Prozent. Jährlich sind es etwa vier Millionen Tonnen, die als Futterbrei enden. Das bedeutet, dass ein Drittel des gesamten Fischfangs Chinas aus Müllfischen besteht. Tendenz steigend, denn die florierende Aquakulturindustrie befeuert den Handel mit dem Beifang immer weiter. 44 Fischarten fand Greenpeace bei 80 Stichproben in Trawlernetzen; zehn dieser Arten gelten als gefährdet.
4000 Fische für ein Kilo Speisefisch
Zudem bergen konventionelle Aquakulturen, besonders die von Raubfischarten wie Lachs, Forelle und Dorade oder solche zur Mästung von Thunfischen, ein besonderes Problem: das Verhältnis der eingesetzten Futtermengen zum Gewicht der Fische, wenn sie geschlachtet werden. Die begehrten Thunfische werden zum Beispiel als Jungtiere gefangen und in den Aquakulturen gemästet. Für ein Kilogramm Thunfisch sind dabei bis zu 25 Kilo Fisch als Futter notwendig. Um ein Kilo der in China sehr häufigen Aquakulturart Großer Gelbfisch zu erzeugen, brauchen die Farmer rund 7,15 Kilo Müllfisch als Eiweißbrei. Der kann aus bis zu 4000 wildlebenden Fischen 39 verschiedener Arten bestehen.
Aquakultur-Farmen: keine Lösung für die globale Überfischung
„Lange bevor die Jungfische ein fortpflanzungsfähiges Alter erreichen, werden sie in Massen weggefangen“, erklärt Thilo Maack, Greenpeace-Experte für Meere. „Das ist eine geradezu perverse Ressourcenverschwendung und Artenvernichtung. 90 Prozent der globalen Fischbestände sind bis zur Grenze strapaziert oder bereits überfischt.“ Doch die Antwort der Fischereiindustrie auf die immer kleiner werdenden Fischbestände lautet: riesige Netze mit immer kleineren Maschenweiten, zudem größere Schiffe, stärkere Motoren und eine hochentwickelte Ortungstechnik.
In China versucht man dem Rückgang der heimischen Fischbestände mit nationalen Marineprojekten entgegenzuwirken: Die Regierung richtet Schutzprogramme ein, so dass gefährdete Arten sich erholen können. Doch das genügt nicht angesichts der exzessiven Fangmethoden. Die derzeitigen Fischereipraktiken sind nicht nachhaltig, deshalb fordert Greenpeace Ostasien mit Blick auf das ökologische Gleichgewicht eine umfassende Regulierung des Fischfangs in China.
Ozeane – Ökosysteme aus dem Gleichgewicht
Denn die Ozeane bilden das größte Ökosystem unseres Planeten und spielen eine Schlüsselrolle für alles Leben. „Das Vorgehen in China zeigt, wie die Fischereiindustrie ein Ökosystem zerstört, das Jahrtausende funktioniert hat“, so Maack. In Meereszonen, die für die Fischerei jahrhunderterlang außer Reichweite waren und deshalb unangetastet blieben, konnten sich die Fischbestände erholen. Doch die heutige Technologie macht es möglich, Bereiche in bis zu 2000 Metern Tiefe zu befischen – so gerät das empfindliche Ökosystem aus dem Gleichgewicht. „Eine Lösung sind nur konsequente Schutzgebiete ohne menschliche Ausbeutung, in denen die Artenvielfalt erhalten bleibt“, weiß Maack.
Meeresschutz im Alltag verwirklichen
Deshalb sollte Fisch sparsam verzehrt werden – auf den Teller sollten nur Arten, deren Bestand nicht gefährdet ist, und die mit nachhaltigen Methoden gefangen werden. Viele Fischfarmen setzen auf Raubfische, die auf tierisches Eiweiß als Nahrung angewiesen sind. Im Gegensatz dazu gibt es Arten wie zum Beispiel den Karpfen, der sich von Pflanzen ernährt. Welche Fische man guten Gewissens essen kann, erklärt der kostenlose Greenpeace-Fischeinkauf-Ratgeber.