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Performance auf Deutschlands schmutzigster Straße, dem Neckartor in Stuttgart: In weißen Ganzkörperanzügen stellen Aktivisten symbolisch auf zwei der sechs Fahrspuren eine Gruppe Atemwegserkrankter dar, die vor schmutziger Stadtluft flieht.
Ruben Neugebauer / Greenpeace

Aktivisten demonstrieren mit einer Performance für Recht auf saubere Luft

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Kommen Fahrverbote für dreckige Diesel? Das Schauspiel der Aktivisten auf einer der dreckigsten Straßen Deutschlands drängt zum Ja. Den Weg dafür könnte bald ein Gericht ebnen.

Mooswände, Tempo 40, besser aufeinander abgestimmte Ampeln, mehr Elektrobusse: Städte lassen sich was einfallen, um für bessere Luft zu sorgen. Wie wenig ausreichend das ist, bescheinigen jedoch ungerührt die innerstädtischen Schadstoff-Messstationen – jede zweite zeigt mehr als der Grenzwert erlaubt. Deshalb beschäftigt sich am 22. Februar das Bundesverwaltungsgericht mit der Frage, ob Städte zum Schutz ihrer Bewohner Fahrverbote für dreckige Autos einführen können.

„Saubere Luft ist unser Recht“, erklären Greenpeace-Aktivisten heute auf Deutschlands dreckigster Straße, dem Neckartor in Stuttgart. Sie stecken in weißen Anzügen, husten, greifen sich nach Luft ringend an den Hals. Sie wollen fliehen, raus aus der Stadt, stürzen jedoch. Am Boden liegend erhalten sie rettende Sauerstoffmasken. Die Performance soll zeigen: Hohe Stickoxidwerte sind kein Kavaliersdelikt, sondern eine Gefahr für unsere Gesundheit!

Nichts tun macht krank

Am Neckartor wurde der EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im vergangenen Jahr um mehr als 30 Mikrogramm überschritten. Bei Kindern reichen dauerhaft zehn Mikrogramm mehr, um die Asthmaquote um 15 Prozent und die Bronchitisfälle um 20 Prozent zu erhöhen. „Zehntausende Menschen erkranken schwer an den Folgen der Dieselabgase“, sagt Niklas Schinerl, Greenpeace-Experte für Mobilität. „Fahrverbote sind das einzig wirksame Mittel, um in besonders belasteten Gebieten zügig gesundheitsgefährdende Stickoxidwerte zu senken.“

Zu diesem Ergebnis kommt auch ein Gutachten des Verkehrsministeriums Baden-Württemberg für die Stadt Stuttgart. Viele  Städte scheuen bislang diesen Schritt, der Druck auf sie nimmt jedoch zu. Anwohner belasteter Straßen und die Deutsche Umwelthilfe klagen, auch die EU hat wegen der gleichbleibend schlechten Luftqualität rechtliche Schritte eingeleitet.

Rechtsweg zur sauberen Luft

Am Donnerstag entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über die Klage der Deutschen Umwelthilfe. Die Umweltorganisation will klären, ob Städte Fahrverbote in Eigenregie organisieren dürfen. Denn eigentlich ist der Bund für derartige Maßnahmen zuständig. Das Bundesverkehrsministerium lehnt jedoch eine Blaue Plakette, mit der Fahrverbote bundeseinheitlich geregelt werden könnten, ab. Die Städte bleiben also allein auf dem Problem sitzen.

Die Bundesregierung zaubert zwar regelmäßig neue Angebote wie kostenlosen Nahverkehr in einigen Pilotstädten oder Investitionen in den Ausbau von Radwegen und öffentlichem Nahverkehr aus dem Hut. „Sie wirken aber nicht sofort“, erklärt Schinerl. „Stadtbewohnern geht  jetzt die Luft aus. Städte kommen um Fahrverbote als Soforthilfe nicht herum.“

Absatz von Diesel geht zurück

Autofahrern scheint das zunehmend klar zu sein: Das Kraftfahrtbundesamt meldete im Januar 2018 einen Rückgang von Neuzulassungen bei Dieselfahrzeugen um 17,6 Prozent auf 33,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat.

Die Zukunft jedoch gehört wohl weder Diesel noch Benzinern: „Je mehr Menschen das eigene Auto gegen öffentliche Verkehrsmittel tauschen, desto sauberer, sicherer und letztlich lebenswerter werden unsere Innenstädte“, so der Experte für Mobilität. „Doch dazu braucht es mehr als hier und da einen Elektrobus mit Gratistickets. Langfristig muss Deutschland aus dem Verbrennungsmotor aussteigen“.

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