Belgien schaltet AKW ab
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Die belgische Atomaufsicht hat einen von insgesamt vier Reaktorblöcken im Atomkraftwerk Doel bei Antwerpen stillgelegt. Nach Aussagen der Aufsichtsbehörde AFCN (Agence federale de controle nucleaire / Federal Agency for Nuclear Control) besteht der Verdacht, dass es feine Risse im Reaktorbehälter des Reaktorblocks 3 gebe. Ein weiterer belgische Reaktor, Tihange 2, mit baugleichem Druckbehälter soll ebenfalls abgeschaltet werden.
Risse am Reaktordruckbehälter sind deshalb besonders kritisch, weil es kein Backup-System gibt. Das bedeutet, dass ein komplettes Versagen des Behälters auch von Sicherheitssystemen nicht abgefangen werden kann. So kann es zur Freisetzung großer Mengen von Radioaktivität kommen. Wegen dieses ernsten Problems bat die belgische Aufsichtsbehörde AFCN weltweit um Überprüfung der Reaktorbehälter dieses Typs.
Die problematischen Druckbehälter wurden von der holländischen Werft, Rotterdammsche Droogdok Maatschappij N.V. (RDM, hergestellt. Die Sprecherin der AFCN, Karina De Beule, sagte in Brüssel: Da die Herstellerfirma nicht mehr existiert, wissen wir nicht, welche Kunden sie hatte. Deswegen haben wir alle anderen Atomaufsichtsbehörden über unseren Fall informiert und sie gebeten zu prüfen, ob in ihrem Land ebenfalls ein solcher Reaktorbehälter existiert. Vermutlich gibt es weltweit noch 21 weitere Druckbehälter, die RDM gebaut hat.
Die möglichen Risse im Reaktor Doel 3 mit einer Leistung von rund 1000 Megawatt wurden nach Angaben der AFCN bei einer seit Anfang Juni laufenden Routineinspektion mit neuen Ultraschall-Messgeräten entdeckt. Bisher sei noch nicht klar, wie groß die Schäden am Reaktorbehälter tatsächlich seien. Zahlreiche Hinweise auf Fehler im Stahl des Reaktorbehälters seien festgestellt worden. Deshalb fordert Greenpeace, dass alle Reaktoren mit Druckbehältern der Werft RDM unverzüglich abgeschaltet und überprüft werden müssen.
Auch in Deutschland gibt es Druckbehälter von RDM
In Deutschland sind die AKW Brunsbüttel und Philippsburg 1 betroffen, deren Druckbehälter ebenfalls von der Werft RDM gebaut worden sind. Glück für uns ist, die AKW sind bereits abgeschaltet. Die Rissbefunde machen deutlich, wie lückenhaft und unvollständig die Sicherheitsüberprüfungen in Atomkraftwerken generell sind. Der Bevölkerung wird eingeredet, alles werde wiederholt und mehrfach geprüft. Doch es bleiben entscheidende Fehler möglicherweise Jahrzehnte unentdeckt.
Europäischer Stresstest versagt bei Sicherheitsnachweis
Die fast abgeschlossenen EU-Stresstests bei Atomkraftwerken haben für die belgischen Reaktoren keine Beanstandung bezüglich der Reaktordruckbehälter ergeben. Trotz bestandener Stresstests müssen Reaktoren nun heruntergefahren werden. Dies zeigt, dass der Test zwar hilfreich für die Imagepflege der Atomindustrie ist, aber als Sicherheitsnachweis versagt hat, sagt Heinz Smital, Atomphysiker und Atomexperte von Greenpeace.
Schnellerer Atomausstieg in Belgien
Belgien hat bisher stark auf Atomenergie gesetzt. 54 Prozent der Stromerzeugung kommt aus der gefährlichen Atomkraft. Bis 2025 soll dieser Anteil allerdings auf Null reduziert werden. Eine Stilllegung von den Reaktoren Doel 3 und Tihange 2 wird sich auf den belgischen Atomausstieg auswirken. Denn 2000 Megawatt(MW) müssen vorzeitig ersetzt oder eingespart werden. Möglich ist das mit Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz, dem sogenannten Lastenmanagement und Ausbau von Erneuerbaren Energien.
In Deutschland geht der Ausbau der Erneuerbaren Energie schneller voran, als viele für möglich gehalten haben. Alleine im ersten Halbjahr 2012 wurden 4.370 MW neue Photovoltaik-Anlagen dazugebaut. Durch die hohe Solareinspeisung, zu Spitzenzeiten bis 22.000 MW ist auch der Börsenstrompreis in Deutschland billiger als in Frankreich. Die Leistung entspricht etwa 22 AKW-Reaktorenblöcken wie Doel 3 oder Tihange 2.
Bereits im letzten Jahr lieferten die Erneuerbaren Energien in Deutschland mehr Strom als Atom- oder Steinkohlekraftwerke zusammen. Nächstes Jahr wird es die Stromquelle Nummer Eins sein. Den Erneuerbaren Energien gehört die Zukunft, ein schnellerer Atomausstieg ist möglich und wünschenswert - auch für Belgien.