"Beginn vom Ende der fossilen Industrie"
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Die Weltklimakonferenz hat sich nach 30 Jahren erstmalig auf den Beginn des Ausstiegs aus den fossilen Energieträgern bis Mitte des Jahrhunderts geeinigt. Eine Einschätzung.
Die Stimmung am Abend des 12. Dezembers im Kongresszentrum in Dubai: Völlig erschöpfte Gestalten, Menschen, die bereits Computerarbeitsplätze abbauten, geschlossene Food-Stationen. So manch einer versuchte, auf einem der unzähligen weißen Sofas vor den Plenarsälen ein paar Stunden Schlaf zu ergattern. Die Stimmung war gedrückt: Seit dem frühen Morgen warteten alle Delegierten, Journalist:innen, Vertreter:innen der Zivilgesellschaft und Interessenvertreter:innen auf den finalen Entwurf.
Auch die Greenpeace-Delegation war aufgewühlt. Schließlich geht es um Beschlüsse, die nicht nur unsere eigene Zukunft auf dem Planeten sichern sollen, sondern auch die der nachfolgenden Generationen. Also die unserer Kinder und Enkelkinder.
Martin Kaiser, geschäftsführender Vorstand von Greenpeace Deutschland, nimmt seit 2008 regelmäßig als Mitglied der internationalen Greenpeace-Delegation teil. Er leitete die internationale Greenpeace-Delegation in Paris, als das 1,5-Grad-Limit erkämpft wurde – ein historischer Erfolg für die gesamte Klimabewegung. Martin erinnert sich gerne an Paris zurück und stellt fest: „Die klimapolitischen Einigungen und errungenen Erfolge wären ohne die Teilnahme der Zivilgesellschaft nicht möglich gewesen.“
Die erlösende Nachricht: Diesjährige Klimakonferenz ein Erfolg
Schließlich hatte das Warten ein Ende. Martin Kaiser ist die Erleichterung anzumerken. Denn auch wenn die Ergebnisse besser hätten sein können, so wurde doch einiges erreicht. Und das in Teilen auf den letzten Metern: Nur wenige Stunden vor der Abstimmung des vorgelegten Abschlussdokuments der COP28-Präsidentschaft glaubte niemand der Expert:innen vor Ort daran, dass die Konferenz mit einem befriedigendem Ergebnis beendet werden könnte. Und so waren vor allem die letzten Stunden der Konferenz von höchster Anspannung und Nervosität geprägt.
Als in den frühen Morgenstunden des 13. Dezember endlich ein Entwurf für das Abschlussdokument veröffentlicht wurde, änderte sich das nicht – denn dieses Entwurfspapier muss anschließend mit einer Mehrheit im Plenum angenommen werden. Durch den beständigen Druck der Klimabewegung vor den Toren der Verhandlungssäle, wie durch die klare Haltung einiger Länder wie Deutschland, den kleinen Inselstaaten und der EU könnte die Blockade der Ölstaaten aufgebrochen werden, hoffen Klimaschützer:innen.
Und siehe da: Das Ergebnis der diesjährigen Klimakonferenz übertrifft die geringen Erwartungen bei weitem.
Was bei der Klimakonferenz COP28 erreicht wurde und was nicht
- Ein Durchbruch: In Dubai wurde endlich der Einstieg in den Ausstieg aus den Fossilen bis Mitte des Jahrhunderts beschlossen. Allerdings hätte der Auftrag zum Ausstieg aus den Fossilen verbindlicher und ohne Schlupflöcher sein können und müssen.
- Durch die klare Bindung an das 1,5-Grad-Limit ist das Dokument aber gut genug, um die Klimabewegungen weltweit zu stärken, Investorengelder umzulenken und die Klimapolitik in den einzelnen Ländern deutlich konsequenter auszurichten.
- Durch diesen Beschluss werden auch Gerichte zukünftig eine klare Richtschnur haben, um global operierende Unternehmen der Öl- und Gasindustrie auf den mit drastischem Umbau einhergehenden 1,5-Grad-Pfad und die Bezahlung der Klimaschäden zu zwingen.
- Die Konferenz hat sich auf die Verdreifachung der erneuerbaren Energien und eine Verdoppelung der Energieeffizienz bis zum Jahr 2030 geeinigt.
- Zudem markiert die Konferenz den Beginn der finanziellen Unterstützung von Menschen, die ohne Versicherung einen Elementarschaden durch klimabedingte Extremwetter erleben.
Bundesregierung muss nun handeln
Die Beschlüsse der Weltklimakonferenz sind auch ein klarer Auftrag für die Bundesregierung, durch Sofortmaßnahmen Unternehmen und durch soziale Flankierung die Bürgerinnen und Bürger beim beschleunigten Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas mitzunehmen. “Die starke Verhandlungsposition von Außenministerin Baerbock in Dubai steht im Widerspruch zu einer Klimapolitik in Deutschland, wo die Regierung vor allem den Verkehrsbereich sowie ein starkes Klimaschutzgesetz einfach schleifen lässt. Das muss sich nach den Beschlüssen von Dubai dringend ändern”, so Martin Kaiser.
Fragen und Antworten zur Klimakonferenz
Seit wann gibt es die Klimakonferenz?
Die allererste Klimakonferenz fand bereits 1979 in Genf statt. Aber in der jetzigen Form treffen sich seit 1994 Delegierte aus der ganzen Welt einmal jährlich an einem von der UN festgelegten Ort, um klimapolitisch zu verhandeln und sich auf Beschlüsse zu einigen.
Wer verhandelt auf der Klimakonferenz?
Delegierte von 191 Staaten verhandeln zwei Wochen lang Klimaschutzziele. Ebenfalls vor Ort sind Interessenvertreter:innen sowie Vertreter:innen der Zivilgesellschaft.
Wo ist die Klimakonferenz?
Die Klimakonferenz findet jedes Jahr in einem anderen Land statt. 2023 war es Dubai, 2022 Ägypten, 2021 Großbritannien. 2024 wird es ein osteuropäisches Land, 2025 Brasilien. Ziel dieses Wechsels ist, die gesamte Welt mit einzubinden.
Was macht Greenpeace bei der Klimakonferenz?
Greenpeace Deutschland ist Teil der internationalen Greenpeace Delegation, die an den Klimakonferenzen auf der ganzen Welt teilnimmt. Ziel ist, sowohl als Teil der Zivilgesellschaft Druck auf die Verhandler:innen auszuüben, als auch als offizielle Beobachter:innen der Politik genau auf die Finger zu schauen.
Zum Gaza-Krieg
Statement vom 11.12.2023
Auf der UN-Klimakonferenz in Dubai hat das Netzwerk von Klimaschutzorganisationen CAN (Climate Action Network) sich drastisch zum Gaza-Krieg geäußert und an Israel den Negativpreis «Fossil des Tages» vergeben. Greenpeace war an dieser Entscheidung nicht beteiligt. Martin Kaiser, geschäftsführender Vorstand von Greenpeace Deutschland, erklärt, warum Greenpeace diese Aussagen ablehnt:
“Greenpeace Deutschland distanziert sich mit aller Deutlichkeit von dieser Aussage. Greenpeace International ist zwar Mitglied der CAN, hat aber nicht für die Verknüpfung eines Negativpreises mit dem Konflikt im Nahen Osten gestimmt und würde dies auch nicht tun. Greenpeace war auch nicht an der Formulierung der Erklärung beteiligt. Greenpeace Deutschland hält es für falsch, die Klimakrise mit dem Nahostkonflikt zu verknüpfen.
Greenpeace Deutschland hat den mörderischen Angriff der Hamas in aller Deutlichkeit verurteilt, sich an die Seite der bedrohten jüdischen Menschen in Deutschland gestellt und gleichzeitig seine große Sorge über die vielen Toten auf beiden Seiten und die humanitäre Krise in Gaza zum Ausdruck gebracht. Greenpeace wendet sich gegen jede Form von Antisemitismus und Rassismus sowie gegen jede Feindseligkeit gegenüber Menschen jüdischen oder muslimischen Glaubens. Unser Ziel als gewaltfreie Organisation ist es, in dieser Situation einen friedensstiftenden Beitrag zu leisten. Dazu trägt dieser Preis nicht bei."