Philippinen: Kommission untersucht erstmals Menschenrechtsverletzungen durch Klimawandel
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Klimawandel vertreibt Menschen aus ihrer Heimat und zerstört Lebensgrundlagen. Ob das menschenrechtswidrig ist, untersucht jetzt erstmalig eine Kommission auf den Philippinen.
Klimazerstörung ist ein Verbrechen an den Menschen, die unter ihr leiden: Der Klimawandel bedroht Leib und Leben vieler Tausender, zerstört die Lebensgrundlage von Fischern und Bauern, nimmt Familien ihre Traditionen und der Bevölkerung bestimmter Regionen ihre Heimat. Doch ist das – ähnlich wie Naturkatastrophen – ein Risiko, mit dem die Menschen leben müssen, Pech, wenn es einen trifft? Oder kann dafür jemand zur Verantwortung gezogen werden?
Auf den Philippinen erfolgt derzeit eine öffentliche Anhörung vor der Menschenrechtskommission des Landes, in der es genau um diese Frage geht. Zusammen mit von der Klimakrise betroffenen Fischern und Bauern sowie mit Opfern des Supertaifuns Haiyan, der 2013 im Land wütete, haben Greenpeace Südostasien und andere Umweltschutzverbände dort eine Petition eingereicht. Die Kommission wird nun untersuchen, ob 47 internationale Konzerne, die die Hauptmasse der weltweiten Klimagase erzeugen, für die durch den Klimawandel verursachten Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht werden können. Zu diesen Konzernen zählen Unternehmen wie Shell, BP und RWE.
RWE, Shell und BP tragen Verantwortung
Bereits jetzt steht fest: Auf die Schuldfrage gibt es eine moralische Antwort und eine juristische. Die moralische lautet: Der Klimawandel fällt nicht vom Himmel, er wird von Menschen verursacht, und die 47 Konzerne tragen nachweislich einen Löwenanteil an der Klimazerstörung. Deswegen sind Mineralölunternehmen wie Shell, BP und ExxonMobile oder Energieriesen wie RWE oder Chevron ganz maßgeblich dafür verantwortlich zu machen, dass das Klima aus den Fugen gerät und Menschen ihre Lebensgrundlage verlieren.
Doch ihnen ganz allein die Verantwortung zuzuschreiben, wäre zu einfach. Denn was ist mit der Schuld der Verbraucher, die Autos fahren, Heizöl verbrennen, Strom benutzen, Zement verbauen – also mit uns allen? Doch auch diese Fragen wollen die Juristen klären, die die Untersuchung der philippinischen Menschenrechtskommission begleiten.
Aufwändige Beweisführung
„Wir möchten mit dieser ersten Anhörung vor einer nationalen Menschenrechtskommission die Verantwortung einzelner Unternehmen an der Klimazerstörung herausarbeiten“, erklärt die international anerkannte Klima-Juristin Lisa Hamilton von CIEL (Center for International Environmental Law; Center für Internationales Umweltrecht). „Denn wir wollen auch juristisch wiederlegen, dass keiner haftbar gemacht werden kann für viel vermeidbares Unrecht – nur deshalb, weil wir alle eine Teilschuld am Klimawandel tragen.“
Deshalb werden im ersten Teil der Anhörungen in den nächsten Tagen Wissenschaftler und vom Klimawandel Betroffene zu Wort kommen. Ihnen und den Unterzeichnern der Petition geht es dabei nicht um Schadenersatzforderungen. Sie wollen, dass der Zusammenhang zwischen Konzernen, Klimagasausstoß und durch die Klimakrise verursachten menschlichen Leiden und Rechtsverletzungen zweifelsfrei festgestellt wird. Die Verhandlungen werden sich noch das ganze Jahr hinziehen. Die Petitionsunterzeichner hoffen, dass der Abschlussbericht der Menschenrechtskommission und damit verbundene Empfehlungen an die Konzerne 2019 veröffentlicht werden.
Präzedenzfall schaffen
Auch wenn dies kein formales Gerichtsverfahren ist: Die philippinische Menschenrechtskommission achtet internationale Rechtsstandards. Somit könnte es ein weiterer Präzedenzfall werden, der die Beteiligung von Ölkonzernen und Energieriesen an der Klimakrise belegt – und in der Folge auf die Rechtsprechung ausstrahlt. Denn auch vor Gerichten kämpfen immer mehr Umweltschützer weltweit gegen den Klimawandel. Erst vergangenes Jahr hatte Greenpeace Nordic gegen die norwegische Regierung geklagt, weil die Ausweitung der Ölbohrungen ihrer Meinung nach gegen nationales Recht und das Pariser Klimaabkommen verstoße. Leider war das Gericht in Oslo in erster Instanz dieser Argumentation nicht gefolgt, Greenpeace und die anderen Mitkläger hatten daraufhin Berufung eingelegt.
Anders das Oberlandesgericht in Hamm: Das gab im Dezember 2017 der Klage eines peruanischen Bauern statt, dessen Dorf die Zerstörung durch den Klimawandel droht. Das Gericht folgte der Argumentation des Klägers, dass RWE zu 0,47 Prozent mitschuldig sein könne und sich deshalb mit diesem Prozentsatz an den Kosten für den Schutz durch die Zerstörung beteiligen müsse. Jetzt folgt in zweiter Instanz die Beweisaufnahme.
Diese Gerichtsverfahren und Anhörungen markieren hoffentlich eine Zeitenwende: Damit aus der moralischen Verantwortung für die heutige und zukünftige Generation überall auf Welt bald eine Verpflichtung wird, die juristisch auch einklagbar ist.