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Greenpeace-Online: Stefan, du hast für Greenpeace eine ePetition beim Deutschen Bundestag eingereicht:
Aufnahme des Klimaschutzes ins Grundgesetz. Was ist der Hintergrund?
Stefan Krug: Der Klimaschutz taucht in unserer Verfassung bisher nicht auf. Dabei stellt der Klimawandel eine der größten Bedrohungen unserer Zeit dar. Wenn der Klimaschutz als Staatsziel in der Verfassung steht, dann wird er zu einer echten und langfristigen Verpflichtung für den Staat, den Gesetzgeber, die Gerichte, die Verwaltung und die Bürger.
Greenpeace-Online: Kann die Verfassung denn so einfach geändert werden?
Stefan Krug: Einfach geht das zum Glück nicht; dazu braucht man eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat. Als das Grundgesetz 1949 verabschiedet wurde, gab es noch kein Bewusstsein für den Klimawandel. Heute wissen wir, dass die steigenden CO2-Emissionen unsere Lebenssituation weltweit dramatisch verändern werden.
Die Verfassung ist ein guter Platz, weil sie Grundaufgaben des Staates festlegt und langfristige Orientierung gibt. Sie formuliert Grundrechte wie etwa das Recht auf Leben und auf körperliche Unversehrtheit. Wenn wir das Klima zerstören, rauben wir zukünftigen Generationen genau dieses Lebensrecht auf natürliche Ressourcen wie Luft, Wasser oder Böden.
Jede Stimmt zählt!
Greenpeace-Online: Greenpeace sammelt ja bereits seit längerem Stimmen für die Petition. Was passiert mit den ganzen Unterschriften?
Stefan Krug: 363.867 Unterschriften haben unsere ehrenamtlichen Gruppen bundesweit seit 2007 bereits gesammelt und dem Petitionsausschuss des Bundestages übergeben. Damit erfüllen wir die Bedingungen für eine öffentliche Anhörung - 50.000 Stimmen sind das Minimum. Über die ePetition im Internet haben bisher mehr als 3000 Menschen mitgezeichnet und jede Stimme zählt! Im Februar 2011 stellen wir unser Anliegen dann öffentlich im Petitionsausschuss vor und hoffen, dass er unseren Vorschlag zur Grundgesetzergänzung an den Bundestag empfiehlt.
{image}Greenpeace-Online: Warum ist es gerade jetzt so wichtig, den Klimaschutz in der Verfassung zu etablieren?
Stefan Krug: Die Klimakonferenz in Cancún hat ja gezeigt, dass es die Politik bisher nicht schafft, sich auf weltweite Klimaziele zu einigen. Der globale CO2-Ausstoß muss allerspätestens ab 2020 absinken, sonst wird es nahezu unmöglich, den Temperaturanstieg in diesem Jahrhundert auf die nötigen zwei Grad Celsius zu begrenzen. Deshalb wäre es auch international ein wichtiges Signal, wenn Deutschland dem Klimaschutz Verfassungsrang gibt. Parallel dazu müsste die Bundesregierung ihr missratenes Energiekonzept überarbeiten und den Klimaschutz im eigenen Land endlich ernst nehmen: das Umpflügen ganzer Landstriche in Ostdeutschland für den Braunkohleabbau, die Genehmigung neuer Kohlekraftwerke oder das Ausbremsen der Erneuerbaren Energien mit noch mehr Atomenergie sind das Gegenteil von Klimaschutz.
Greenpeace-Online: Wie würde sich die Entscheidung Klimaschutz ins Grundgesetz global auswirken?
Stefan Krug: Deutschland wäre das erste Land, das den Schutz der Lebensgrundlagen und des Klimas verfassungsrechtlich als höchstes Gut anerkennt. Bisher hat lediglich Ecuador die Rechte der Natur als Grundrecht formuliert. Umso wichtiger ist es, dass ein reiches Industrieland wie unseres ein starkes internationales Signal setzt.