Klimaschäden durch Tierhaltung
- Ein Artikel von Matthias Lambrecht
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Eine Greenpeace-Studie zeigt: Fleisch- und Milchprodukte belasten das Klima stärker als offiziell angegeben. Die Klimaziele sind nur erreichbar, wenn die Tierhaltung halbiert wird.
Wenn es um den Schutz von Umwelt und Klima in der Landwirtschaft geht, macht es sich die zuständige Ministerin Julia Klöckner (CDU) meist ziemlich einfach: Sie warnt davor, Bäuerinnen und Bauern damit nicht zu überfordern, wettert gegen die „protestfreudige Umweltlobby” und versucht so, von der eigenen Verantwortung für das Erreichen der Klimaziele abzulenken.
Um den Druck aus der Klimadebatte zu nehmen, betonen Klöckner und andere Unionspolitiker:innen zudem gern den geringen Beitrag der direkten Emissionen der Landwirtschaft an den Gesamtemissionen – wohl wissend, dass dies gerade mal die halbe Wahrheit ist. Denn das tatsächliche Ausmaß der Treibhausgasemissionen aus der Tierhaltung in Deutschland und Europa liegt um ein Vielfaches höher als die offiziellen Zahlen – wenn die indirekten Emissionen mit erfasst werden, die bei der Produktion tierischer Produkte entstehen.
Nach den Zahlen des Umweltbundesamt, das die Emissionen nach international einheitlichen Vorgaben kategorisiert, betrugen die direkten Emissionen der Landwirtschaft in Deutschland im Jahr 2020 insgesamt 60,4 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente (CO2eq). Den größten Anteil daran hat der Ausstoß von Methan und Lachgas aus den Verdauungsprozessen der Wiederkäufer und das Wirtschaftsdüngermanagement aus der Tierhaltung. Die direkten Emissionen aus der Tierhaltung addieren sich auf 38 Millionen Tonnen CO2eq.
Hohe indirekte Emissionen durch Futtermittelanbau
Ein dramatisch anderes Bild liefert dagegen ein heute veröffentlichter Greenpeace-Report: Zur Bestimmung der tatsächlichen Bedeutung der Fleisch- und Milchproduktion für das Klima wurden auch die vorgelagerten, indirekten Emissionen erfasst. Damit liegt der Ausstoß von Treibhausgasen in Deutschland bei insgesamt 120 Millionen Tonnen CO2eq – also mehr als dreimal so hoch wie die direkten Emissionen aus der Tierhaltung, auf die sich Klöckner regelmäßig bezieht. Zu den indirekten Emissionen zählt der Ausstoß von Treibhausgasen, zu dem es etwa beim Futtermittelanbau und durch Landnutzung wie entwässerte Moore kommt. Auch der Ausstoß von Klimagasen bei der Produktion von Mineraldüngern und Pestiziden sowie dem Dieselverbrauch von Landmaschinen werden nicht beim Agrarsektor verbucht. Hinzu kommen noch Emissionen, die außerhalb Deutschlands anfallen – zum Beispiel, wenn für den Futtermittelanbau in Südamerika Waldgebiete gerodet werden.
All diese Emissionen entlang der Lieferkette sind jedoch der Tierhaltung in Deutschland zuzurechnen, wenn die Treibhausgasemissionen des Sektors vollständig erfasst werden sollen. Und deutsche Tierhalter, Schlachtereien und Molkereien haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten die Produktionskapazitäten vor allem zur Erzeugung von Schweine- und Geflügelfleisch sowie Milchprodukten immer weiter hochgefahren. Dabei blieb die Konsumnachfrage auf dem heimischen Markt relativ konstant. Bei Schweinefleisch ging der jährliche Konsum sogar um 660.000 Tonnen zurück.
Damit ist die Ausfuhr von Fleisch- und Milchprodukten – neben dem immer noch viel zu hohen Verbrauch im Inland – zum Treiber der klimaschädlichen Emissionen der Landwirtschaft geworden. Deutschland ist zu einem der führenden Exporteure aufgestiegen. Dennoch müssen immer mehr kleine und mittlere Betriebe ihre Tierhaltung aufgeben. Denn der Ausbau der Kapazitäten hat nicht nur die Treibhausgasemissionen steigen lassen, sondern auch die Abhängigkeit der Erzeuger vom Weltmarkt. Die ruinösen Preisschwankungen infolge der Ausbreitung von Corona und der Afrikanischen Schweinepest (ASP) bekommen aktuell die Schweinehalter:innen zu spüren.
„Die neue Bundesregierung muss Landwirtinnen und Landwirten endlich verlässliche Zukunftsperspektiven aufzeigen”, fordert Lasse van Aken, Landwirtschaftsexperte von Greenpeace. „Statt bäuerliche Betriebe ungeschützt einem ruinösen Preiskampf mit Billigfleisch auszusetzen, müssten jetzt die längst vorliegenden Vorschläge zum Umbau der Tierhaltung umgesetzt werden, die etwa die Borchert-Kommission vorgelegt hat. Damit die Betriebe, die weniger Tiere artgerecht halten, hochwertige, nachhaltig erzeugte und fair bezahlte Produkte anbieten können.”
Schwinden der Biodiversität aufhalten
Um das Klimaabkommen von Paris und die Vorgaben des deutschen Klimaschutzgesetzes zur Minderung der Treibhausgasemissionen zu erfüllen, muss jetzt gehandelt werden. Die Klimaziele in der Landwirtschaft sind nur zu erreichen, wenn der Tierbestand bis 2035 mindestens halbiert wird. Neben dem Klimaschutz gibt es noch weitere gewichtige Gründe, die Überproduktion von Fleisch- und Milchprodukten zu stoppen. Eine Fortsetzung der rücksichtslosen Industrialisierung der Landwirtschaft verschärft neben der Klimakrise auch das Artensterben. Die Tierhaltung war zwischen 1960 und 2011 ursächlich für rund zwei Drittel der globalen Landnutzungsänderung. Nur mit einer konsequenten Abkehr von der industriellen Tierhaltung ist das Schwinden der globalen Biodiversität noch aufzuhalten.
„Wir dürfen nicht länger ignorieren, welches Ausmaß die direkten und indirekten Emissionen aus der Tierhaltung und die Zerstörung der Artenvielfalt erreicht haben”, sagt van Aken. Deutschland und Europa müssten sich dazu verpflichten, die Produktion ebenso wie den Konsum industriell erzeugter Fleisch- und Milchprodukte dauerhaft zu senken und damit umgehend zu beginnen: „Es ist höchste Zeit, Verbraucherinnen und Verbraucher aufzuklären und die betroffenen bäuerlichen Betrieben bei dieser fundamentalen Umstellung zu unterstützen.“