Ehrenamtlich für den Wald unterwegs
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„Es war bitterkalt“, erinnert Oppermann die Aktion im Spessart. Für den Waldschutz arbeitet er ehrenamtlich. Was bedeutet ihm der Beschluss Bayerns, 58.000 Hektar zu schützen?
In Bayern soll wieder mehr Wildnis entstehen: 58.000 Hektar neue Naturwaldflächen hat die bayerische Staatregierung ausgewiesen. Damit Bäume wachsen und Arten wie seltene Urwaldkäfer sich entwickeln können. „Ein großer Wurf“, sagt Volker Oppermann von Greenpeace in München. Und schickt sofort ein „Aber“ hinterher. Doch dazu später mehr. Seit 1994 ist der Produktmanager für Greenpeace aktiv: leitet das Naturwälder-Projekt Bayern, spricht mit der Forstwirtschaft und übernachtet, wenn es sein muss, auch bei Minusgraden im Wald. Ehrenamtlich.
Volker Oppermann kennt die bayerischen Wälder, im Interview bewertet er die Entscheidung der bayerischen Staatsregierung. Und gibt Einblicke in seine ehrenamtliche Arbeit für Greenpeace und die Wälder.
Greenpeace: Bestimmt gibt es auch Kritik, aber erst einmal lässt sich doch sagen, dass das ein großartiger Erfolg ist – oder?
Volker Oppermann: Ja, das ist es. Als ich von den 58.000 Hektar hörte, dachte ich „Wow, das ist ja eine richtig große Zahl“. Damit hatte ich tatsächlich nicht gerechnet.
Wir haben lange für neue Nationalparks gekämpft, haben versucht im Spessart einen Nationalpark zu etablieren, kämpfen seit vielen Jahren, ja Jahrzehnten für einen im Steigerwald. Im Jahr 2016 hat Greenpeace zusammen mit dem Bund Naturschutz eine Studie herausgebracht mit der Forderung nach neuen Naturwäldern in Bayern. Wir wollten große und kleine Naturwälder im Verbund haben. Und jetzt bewegt sich endlich was in der bayerischen Staatsregierung. Sie versucht nun endlich, das im Jahr 2007 beschlossene Ziel der Bundesregierung umzusetzen, zehn Prozent der öffentlichen Wälder vor Holzeinschlag zu schützen. Deshalb freut mich die Entscheidung sehr.
Und wo ist der Haken?
Nachdem ich ein bisschen genauer geschaut hatte, was dort beschlossen wurde, hat sich das eine oder andere ein wenig relativiert. So sind in diesen 58.000 Hektar zum Teil auch Flächen enthalten, die vorher schon unter Schutz standen wie alte Naturwaldreservate. Ich gehe davon aus, dass in Bayern nun etwa sieben Prozent der öffentlichen Wälder geschützt sind.
Es sind auch viele Tausend Hektar mit Latschenwäldern reingerechnet worden – das ist jetzt keine große Errungenschaft für den Waldschutz. Denn Latschen sind meist hoch am Berg, die eh nicht eingeschlagen werden. Enttäuscht hat mich insbesondere, dass es sehr kleine Flächen sind. Es sind meist nicht mehr als 10, 20 oder 100 Hektar. Nur wenige Flächen sind größer als 100 Hektar.
Warum enttäuschen dich die überwiegend kleinen Flächen? Kleinvieh macht doch auch Mist.
Wir müssen auch große zusammenhängende Lebensräume schützen. Für repräsentative Lebensräume braucht man verschiedene Gebiete: zum Beispiel welche, die besonnt sind, welche, die am Hang oder im Tal liegen, so dass sich Tiere und Arten ausbreiten können. Damit richtige Wildnis entstehen kann, ist für Moor- und Auengebiete alles ab 500 Hektar eine gute Größe. Für die anderen Wildnisgebiete wären es 1000 Hektar.
Auch die Bevölkerung hat mehr davon. Größere Flächen bieten sich für Bildungsangebote oder Führungen an. Wenn man in kleinere Flächen mehrere Busladungen Leute bringt, dann ist die Fläche schnell zertreten. Nationalparks, das sind Schutzgebiete ab 10.000 Hektar, sind deshalb auch so interessant. Dort arbeiten Menschen, die für Besucher und Besucherinnen ansprechbar sind, die Forschung betreiben.
Du warst schon so viele Jahre an so vielen Orten für den Waldschutz aktiv. Was motiviert dich?
Es ist toll, wenn man Leute überzeugen kann, für einen Wald einzustehen. Wir waren zum Beispiel 2017 längere Zeit im Spessart, als politisch zur Diskussion stand, dort einen Nationalpark zu errichten. Dabei haben wir festgestellt, dass die Leute vor Ort zuerst ganz weit weg waren von solch einer Idee. Sie waren weder einbezogen noch informiert und gegen einen Nationalpark aufgewiegelt. Daraufhin haben wir eine Informationskampagne gestartet. Innerhalb von vier Wochen haben wir in vielen kleinen Orten 50 Infostände aufgebaut, um mit den Leuten ins Gespräch zu kommen, um die Bedenken zu hören.
Viele haben gedacht, dass sie den Nationalpark nicht betreten dürfen, dass da ein Zaun drumherum ist. Menschen aber dürfen den Wald betreten, spazieren gehen und Beeren pflücken. Andere hatten auch Bedenken, weil kein Holz entnommen werden darf. Wir haben auch erfahren, was sich die Menschen von einem Nationalpark wünschen. Kurz bevor die Regierung die Entscheidung gegen einen Nationalpark traf, waren laut einer repräsentativen Umfrage 66 Prozent der Befragten für einen Nationalpark. Trotzdem hat die Regierung die Idee bislang nicht umgesetzt. Wir hatten sogar ein Konzept erarbeitet, welche Flächen man im Spessart aus der Nutzung nehmen kann. Kleine Teile davon sind in den nun ausgewiesenen Naturwäldern enthalten.
Ihr habt aber nicht nur mit der Bevölkerung gesprochen, sondern auch Bäume vermessen. Warum?
Nach dem Beschluss der Bundesregierung, zehn Prozent der öffentlichen Wälder unter Schutz zu stellen, wollten wir wissen, welche Flächen in Bayern geeignet sind. Wo also ökologisch wertvolle Bestände mit alten Buchen sind. Deshalb hatten wir 2011 eine Anfrage an die Behörde gestellt. Es kamen aber keine Antworten, die Daten hat man uns verheimlicht. Wir wussten aber, dass im Spessart auf jeden Fall alte Wälder sind. Nachdem trotz mehrmaligen Nachfragens nichts kam, sind wir im Februar 2012 in die Wälder rein und haben Bäume vermessen und kartiert.
Es war Winter und richtig kalt. Wir haben im Wald gecampt, in Zelten übernachtet. Es gab aber ein Vereinsheim, in dem wir essen und uns treffen konnten – nachdem wir den ganzen Tag im Wald unterwegs waren. Es waren auch Leute von uns in den umliegenden Dörfern unterwegs, um darüber zu informieren, was wir dort machen. Anwohner haben uns sogar Kuchen vorbeigebracht. Einige hatten aber auch Angst, dass wir da was finden.
Haben wir auch: Wir sind auf erschreckend viele Missstände gestoßen. Zufällig, weil wir ja eigentlich nur dicke, alte Buchen kartieren wollten. Wir haben Kahlschläge gefunden, wir haben Pflanzungen mit Baumarten gefunden, die dort nicht hingehören und heimische Baumarten verdrängt haben.
Was habt ihr mit der Entdeckung gemacht?
Wir haben die Missstände veröffentlicht und das Gespräch gesucht – die Leute aus dem Forst eingeladen, um die Hintergründe zu erfahren. Letztendlich liegt es nicht am einzelnen Förster, sondern an der Forstpolitik.
Nochmal zurück zu den neuen Schutzgebieten. Du selbst hast so viele Hektar nicht erwartet. Wieso ist es jetzt dazu gekommen?
Es ist ein Zusammenspiel. Zum einen hat Ministerpräsident Markus Söder nach dem erfolgreichen Volksbegehren „Artenvielfalt – Rettet die Bienen“ im vergangenen Jahr versprochen, die Biodiversitätsstrategie der Bundesregierung umzusetzen und zehn Prozent der staatlichen Wälder nicht mehr forstwirtschaftlich zu nutzen. Zum anderen reift die Erkenntnis immer mehr, dass wir Wälder unter Schutz stellen müssen. Man hat erkannt, dass wir wegen des Klimas den CO2-Speicher Wald brauchen.
In Franken, also Nordbayern, gab es lange Dürren die vergangenen Jahre. Die in Monokulturen angebauten Fichten- und Kieferbestände in Bayern sind arg geschwächt durch die Klimakrise. Dadurch hatte der Borkenkäfer leichtes Spiel. Wälder sind stabil, wenn sie sich selbst entwickeln und wachsen können, wenn keine großen Lücken reingerissen werden, wenn sie so die Kühle und die Luftfeuchtigkeit des Waldklimas erhalten können. Deshalb hat man auch in anderen Bundesländern angefangen, alte Buchenbestände nicht mehr einzuschlagen. Leider sind insgesamt noch viel zu wenige Wälder in Deutschland geschützt.
Und wie wirst du nun weiter für den Waldschutz arbeiten?
Grundsätzlich hat die bayerische Staatsregierung eine ganze Menge geliefert. Was fehlt sind große Flächen. Wir brauchen einen Buchen-Nationalpark in Franken, zum Beispiel im Steigerwald mit 10.000 Hektar. Das tut der Region auch gut. Wir sehen – gerade in Zeiten der Pandemie – wie stark der Nationalpark Bayerischer Wald von der Bevölkerung genutzt wird.
>>> Mitmachen bei Greenpeace: Sie müssen nicht bei Schnee im Wald campen, um bei Greenpeace mitmachen zu können. Es gibt viele Möglichkeiten – auch online. Mehr erfahren Sie hier: https://www.greenpeace.de/engagieren