Fall Lufthansa: Wie die Geldpolitik der EZB dem Klimaschutz schadet
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Trotz zweifelhafter Bonität platziert die Lufthansa ein rekordverdächtiges Volumen an Anleihen. Möglich macht das eine klimaschädliche Geldpolitik der Europäischen Zentralbank.
Eine neue Greenpeace-Analyse zeigt am Beispiel Lufthansa, wie die Europäische Zentralbank mit ihrer Geldpolitik kohlenstoffintensive Unternehmen fördert und damit die europäischen Klimaziele unterläuft. Zum Hintergrund: Am 6. Februar 2021 platzierte die Deutsche Lufthansa mit 1,6 Mrd. Euro ein rekordverdächtiges Volumen an neuen Anleihen. Möglich macht dies trotz steigender Ausfallrisiken und Unterschreitung des Mindesratings eine Reihe von Ausnahmeregelungen.
Der Kohlenstoff-Bias der EZB in Aktion - Wie die Lufthansa die Klimaschädlichkeit der EZB-Politik offenlegt
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HerunterladenDie Lufthansa wird zum "Fallen Angel" - die EZB fängt sie auf
Wie kann das sein? Von der Geldpolitik der EZB profitieren standardmäßig eigentlich solche Unternehmen, die die Kriterien für die EZB-Programme erfüllen, zum Beispiel die so wichtige Mindestratinganforderung. Werden sie schlecht geratet, spricht man von sogenannten „Fallen Angels“. Die Verbindlichkeiten dieser Unternehmen könnten von Banken dann nicht mehr als Sicherheiten bei der EZB eingereicht werden. Die Anleihen wären für die EZB nicht mehr erwerbbar bzw. müssten aufgrund der Marktneutralitäts-Prinzipien aus den geldpolitischen Portfolien ausgeschlossen werden. Als Konsequenz dieser Kaskade würde sich der Marktzugang für die “Fallen Angels” erheblich erschweren - zumindest theoretisch.Wie das Lufthansa-Beispiel zeigt, sieht die Realität etwas anders aus...
Doch zunächst der Blick auf die wackelige Situation der Lufthansa: Welche langfristige Perspektive sie angesichts der zunehmenden Klimakrise haben wird, steht in Frage. Die international vereinbarten Reduktionspfade für Treibhausgasemissionen sehen umfangreiche Einsparungen im Transportsektor vor, die auch die Luftfahrt betreffen. Hinzu kommt, dass Ratingagenturen der Lufthansa im letzten Jahr den so wichtigen Investmentgrade-Status entzogen haben. Seither handelt es sich um eine spekulative Anlage bzw. ein sogenanntes Schrottpapier.
Und die EZB? Um Marktverwerfungen für die „Fallen Angels“ und all der anderen Unternehmen, die perspektivisch vom Verlust ihres Investmentgrade-Ratings betroffen sein könnten, zu reduzieren, beschloss die Europäische Zentralbank in der Vergangenheit eine Reihe von Ausnahmen. So darf die EZB die Anleihen der „Fallen Angels“ trotz gestiegener Ausfallrisiken und Unterschreitung der Mindestrating-Anforderung in ihren geldpolitischen Portfolien behalten. Zusätzlich werden die Anleihen seit April des letzten Jahres im Rahmen des sogenannten "Grandfatherings" weiterhin als Sicherheiten akzeptiert – also eine zusätzliche weitreichende Ausnahme zuunsten der „Fallen Angels“. Da die Regelungen für den Sicherheitenrahmen als Leitlinie für das Anleihekaufprogramm dienen, scheint zudem naheliegend, dass die Hürden für einen Erwerb von Anleihen der „Fallen Angels“ durch die EZB sehr niedrig sind.
Feigenblatt Marktneutralität
Man kann für diese Ausnahmen und Sonderregeln für einzelne (!) Unternehmen aufgrund der Marktturbulenzen Verständnis aufbringen. Nichtsdestotrotz: Sie stehen im krassen Widerspruch zum propagierten Prinzip der Marktneutralität der Europäischen Zentralbank. Beispiele wie die aktuellen Anleihenkäufe der Lufthansa zeigen, dass diese vermeintliche Markneutralität ein Mythos ist, wenn auch ein vielzitierter.
Dr. Mauricio Vargas, Ökonom und Finanzexperte von Greenpeace, kritisiert das Vorgehen der EZB scharf:
Der Fall Lufthansa zeigt, dass die EZB zahlreiche Ausnahmen zulässt, von denen einzelne Unternehmen stark profitieren. Das EZB-Neutralitätsgebot gilt im Falle dieser Unternehmen nicht. Leider erfolgen diese Ausnahmen zu Lasten des Klimas, weil Klimasünder besonders von den Ausnahmeregeln profitieren. Denn je stärker die kohlenstoffintensiven Geschäftsmodelle unter Druck geraten, desto mehr sind sie auf Unterstützung der Notenbank angewiesen. Die EZB darf sich beim Klimaschutz nicht mehr hinter dem Feigenblatt der Neutralität verstecken. Stattdessen muss sie ernsthaft prüfen, inwiefern ihre aktuelle geldpolitische Ausrichtung den gesellschaftlichen Konsens zum Klimaschutz konterkariert.