Protest gegen Ölbohrungen in der Barentssee
- Ein Artikel von Michael Weiland
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UPDATE vom 22. August 2017:
Die festgenommenen Aktivisten und Crewmitglieder wurden gestern Abend in Tromsö freigelassen, das Aktionsschiff Arctic Sunrise darf den Hafen wieder verlassen. Weil sie am Donnerstagmorgen in die Sicherheitszone um die Ölplattform Songa Enabler eindrangen, wurden sechs Aktivisten mit Bußgeldern belegt. Greenpeace hält die Festnahme nach wie vor für rechtswidrig: Es gab für die norwegische Küstenwache keine rechtliche Grundlage für das Entern der Arctic Sunrise, internationale Schifffahrtsgesetze erlauben den Protest in diesem Teil des Meeres.
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UPDATE vom 18. August 2017:
Der friedliche Protest von Greenpeace-Aktivisten in der Barentssee wurde gestern von der norwegischen Küstenwache aufgelöst. Die Behörden beschlagnahmten die Arctic Sunrise und verhafteten alle 35 Aktivisten und Besatzungsmitglieder an Bord. Die Küstenwache schleppt das Schiff Richtung Festland. Ein unrechtmäßiges, überzogenes Eingreifen, sagt Truls Gulowsen von Greenpeace Norwegen: „Protest zur See ist international anerkanntes, geltendes Recht, das auf der Freiheit der Schifffahrt fußt. Wir protestieren gegen arktische Ölbohrungen in einem Gebiet, in dem unser Demonstrationsrecht durch internationale Gesetze geschützt ist.“
Zuvor protestierten Greenpeace-Aktivisten mit Schlauchbooten und Kajaks an der Bohrinsel Songa Enabler des norwegischen Ölkonzerns Statoil und befestigten eine riesige Erdkugel an der Plattform. Menschen aus aller Welt haben ihre Botschaft an die norwegische Regierung auf den Globus geschrieben. Sie alle fordern: Schluss mit riskanten Ölbohrungen in der Arktis.
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Artikel vom 15. August 2017:
„Ich fahre in die Arktis um mit eigenen Augen zu sehen, ob es wahr ist“, sagt Joanna Sustento, eine Aktivistin von den Philippinen. „Ob die norwegische Regierung wirklich neue Gebiete in der Arktis für Ölbohrungen freigibt, obwohl sie weiß, dass sie damit Menschen in anderen Teilen der Welt großer Gefahr aussetzt.“ Dass hier nach fossilen Energieträgern gesucht wird, ist in der Tat unglaublich, ein unverantwortliches Wagnis. Zum einen wäre ein Unfall in derart unzugänglichem Gebiet kaum unter Kontrolle zu bringen – mit schwerwiegenden Folgen für ein einzigartiges Ökosystem über und unter Wasser, das bislang von menschlichen Zugriffen weitgehend verschont blieb. Zum anderen würde das hier geförderte Öl als Energieträger verbrannt, tonnenweise CO2 gelangte so in die Atmosphäre – mit Folgen für die ganze Welt.
Joanna und viele weitere Aktivisten aus aller Welt sind darum an Bord des Greenpeace-Aktionsschiffs Arctic Sunrise nach Korpfjell aufgebrochen, um gegen die Pläne zu protestieren – am nördlichsten Punkt, den die norwegische Regierung jemals für Ölbohrungen freigegeben hat. Hier trifft die Arctic Sunrise auf die Songa Enabler, eine Ölplattform des Konzerns Statoil. Bereits im Februar protestierten Greenpeace-Aktivisten mit Kanus und Schlauchbooten an der Plattform, als sie sich auf den Weg in die Barentssee machte.
Die Zukunft der Arktis vor Gericht
Der friedliche Protest ist nur der sichtbarste Teil in dem Streit um eine unberührte Arktis. Ob Statoil in der Barentssee nach Öl bohren darf, entscheidet sich wohl nicht in Korpfjell, sondern wahrscheinlich in einem Gerichtssaal in Oslo. Ein breites Bündnis von Umweltschützern, darunter Greenpeace Nordic und die Jugendorganisation Nature and Youth, klagt gegen die norwegische Regierung. Denn auch, wenn sie sich im Recht wähnt: Sie verstößt mit den Bohrgenehmigungen gegen die eigene Verfassung.
Die Kläger berufen sich auf den Artikel 112. Der besagt: „Jeder hat das Recht auf eine gesunde Umwelt und eine Natur, deren Produktionsfähigkeit und Vielfalt unverändert erhalten bleibt.“ Der Passus schließt ausdrücklich kommende Generationen ein. Doch wer in der Arktis nach Öl bohren lässt, bricht dieses Versprechen. Damit die Erderhitzung unter der kritischen Marke von 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter bleibt, darf der Großteil der fossilen Brennstoffreserven nicht verbrannt werden und muss im Boden bleiben, auch in Korpfjell.
Dank des Ausbaus Erneuerbarer Energien wird das Öl der Arktis für die weltweite Versorgung ohnehin nicht benötigt – hier Öl zu fördern ist verantwortungslos, überflüssig und nicht zuletzt rechtswidrig. An der beanstandeten Lizenzierungsrunde ist mit Dea Norge auch ein Tochterunternehmen der Deutschen Erdöl AG mit Sitz in Hamburg beteiligt. Deren Bohrpläne im schleswig-holsteinischen Wattenmeer wurden nach Widerstand in der Bevölkerung auf Eis gelegt, Greenpeace informierte, protestierte und sammelte Unterschriften.
Lokaler Schaden, globale Folgen
Joanna hat einen traurigen, persönlichen Grund gegen Umweltverbrechen in der Arktis zu demonstrieren. Ihre Eltern kamen ums Leben, als der Taifun Haiyan 2013 die Philippinen traf. Auch wenn die Arktis und Südostasien weit auseinander liegen: Dass sich Extremwetter wie tropische Wirbelstürme häufen, ist eine Auswirkung des menschengemachten Klimawandels, den Ölkonzerne wie Statoil nun auch in der Arktis anheizen. Darum protestieren die Aktivisten, deswegen klagen sie. Wenn Wissenschaft und Mitgefühl bei Politik und Wirtschaft nicht für Einsicht sorgen, schafft es vielleicht die Justiz, die Arktis zu retten.
Im Video erzählt Joanna ihre Geschichte: