Shell verklagt Aktivist:innen nach friedlichem Protest
Greenpeace-Aktivist:innen protestierten friedlich auf einer Shell-Ölplattfrom gegen Umweltzerstörung, nun klagt Shell.
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Nach knapp zwei Wochen und einer Seereise von 4.000 Kilometer beendeten Aktivist:innen im Februar ihren Protest auf der Shell-Ölplattfrom in Haugesund, Norwegen. Nun, mehr als ein halbes Jahr später will Shell Greenpeace mit einer 8-Millionen-Euro-Klage einschüchtern.
Am 9. November hat der Öl- und Gaskonzern Shell eine Einschüchterungsklage gegen Greenpeace Großbritannien und Greenpeace International eingereicht. Shell fordert damit Schadensersatz in Höhe von rund 8 Millionen Euro (8,6 Millionen US-Dollar), sollte Greenpeace sich nicht dazu verpflichten, in Zukunft jegliche Proteste gegen die Shell-Infrastruktur zu unterlassen.
Kaum ein Konzern befeuert die Klimakrise stärker als Shell. Es ist unsere Pflicht, auf die Verbrechen hinzuweisen, die Shell an unserem Planeten begeht. Anstatt seinen Einfluss für die Energiewende zu nutzen, versucht Shell uns mundtot zu machen. Wir lassen uns nicht einschüchtern.
Shell behauptet beträchtliche Summen für Anwälte und Sicherheitsmaßnahmen ausgegeben zu haben, um den Protest zu beenden, und fordert nun die Erstattung dieser Kosten. Eine außergerichtliche Einigung zwischen Greenpeace und Shell scheiterte jedoch, nachdem Shell als Bedingung einen freiwilligen Protestverzicht gegen Shell forderte. Greenpeace Großbritannien und Greenpeace International erklärten sich zu einem solchen Verzicht nur bereit, sofern Shell im Gegenzug seine Klimaverbrechen beendet und seine Emissionen bis 2030 um 45 Prozent senkt. Bis Ende November hat Shell Zeit, seine finale Forderung bei Gericht einzureichen. Greenpeace Großbritannien bereitet sich nun auf den anstehenden Gerichtsprozess vor. Die Klage ist eine der größten rechtlichen Bedrohungen für Greenpeace in der mehr als 50-jährigen Geschichte der Organisation.
Shell mit Rekordgewinn durch Umweltzerstörung und gestiegene Ölpreise
Der Energiekonzern hat im vergangenen Jahr durch die im Zuge des russischen Angriffskriegs in der Ukraine gestiegenen Ölpreise einen Rekordgewinn erzielt. Der bereinigte Gewinn stieg auf 39,87 Milliarden US-Dollar (36,22 Mrd Euro), wie der Konzern am 2. Februar bei der Präsentation seiner Quartalszahlen mitteilte. Damit hat sich der Gewinn innerhalb eines Jahres rund verdoppelt. Das vierte Quartal fiel demnach sogar noch besser aus als ohnehin erwartet. Greenpeace-Aktivist:innen aus Großbritannien protestierten, zusätzlich zu dem Protest auf See, daher am 2. Februar auch vor dem internationalen Hauptquartier in London.
“Die Folgen von Shells klimaschädlicher Öl-Ausbeutung sind Tod, Zerstörung und Vertreibung auf der ganzen Welt, vor allem bei Menschen im globalen Süden, die am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben”, sagt Greenpeace Deutschland-Sprecher Till Seidensticker. “Es ist unerträglich, dass Konzerne wie Shell ungerührt und unbehelligt Milliarden mit der Zerstörung unserer aller Zukunft verdienen. Das muss aufhören - und Shell muss für die Schäden durch sein Geschäft zahlen.”
Die Weltklimakonferenz COP27 hatte im November 2022 beschlossen, dass Industriestaaten mit historisch hohem CO2-Ausstoß einen weltweiten Fonds aufsetzen, um daraus Entschädigungen für klimabedingte Schäden und Verluste zu finanzieren (mehr zur Cop27 und dem Loss and Damages Funds in unserem Interview). Greenpeace fordert, dass die fossile Industrie um Konzerne wie Shell, die über Jahrzehnte mit der Ausbeutung klimaschädlicher Rohstoffe viel Geld verdient hat, angemessen in diesen Fonds einzahlen.
Verpflegung
50 Euro sichern die notwendige Verpflegung eine:r Aktivist:in für einen Tag. Darunter fallen Lebensmittel, medizinische Ausrüstung, eine Schwimmweste und Regenbekleidung.
Kommunikationssystem
150 Euro tragen dazu bei, ein Satelliten-Kommunikationssystem an Bord zu finanzieren, damit Aktivist:innen auf Hoher See kommunizieren und Bilder teilen können.
Windrad an Bord
480 Euro kostet die Anschaffung des Windrads, damit sich die Aktivist:innen auf der Ölplattform mit Strom versorgen und zum Beispiel Akkus laden können.
Kurz erklärt
Was ist der Loss and Damage Funds?
So enttäuschend die 27. Weltklimakonferenz im November 2022 auch in vielen Bereichen war, einen historischen Erfolg hat das Treffen in Ägypten doch erreicht: Zum ersten Mal haben die Industriestaaten anerkannt, dass die immer deutlicher werdenden Schäden und Verluste durch den Klimawandel, dem vor allem die Länder des Südens ausgesetzt werden, finanziell ausgeglichen werden müssen. Entwicklungsländer weisen seit Jahrzehnten darauf hin, dass sie am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben, aber die fatalen Folgen wie etwa die massiven Überflutungen in Pakistan im vergangenen Jahr am deutlichsten zu spüren bekommen. Stets weigerten sich die Industriestaaten anzuerkennen, dass für diese Schäden und Verluste vor allem von ihnen aufgekommen werden muss. In Ägypten wurde nun beschlossen, einen Fonds aufzusetzen, mit dem klimabedingen Schäden und Verluste ausgeglichen werden sollen. Im weiteren Prozess der Klimaverhandlungen muss nun geklärt werden, wie genau dieser Fonds bestückt werden soll.
Greenpeace fordert, dass vor allem Unternehmen der Öl-, Gas- und Kohleindustrie verpflichtet werden, sich an der Finanzierung zu beteiligen. Diese Konzerne haben oft über Jahrzehnte astronomische Summen mit klimaschädlichen fossilen Energien verdient.
Shell will neues Ölfeld ausbeuten
Die sechs Aktivist:innen stammen aus Argentinien, Türkei, UK, den USA, Frankreich und Deutschland. Der frühere Chefverhandler der philippinischen UN-Klima-Delegation und heutige Geschäftsführer von Greenpeace Südostasien, Yeb Saño, sowie eine Klimaaktivist:in aus Indonesien wollten ebenfalls mit an Bord. Doch sie schafften es leider nicht, die Plattform zu erklimmen, und kehrten zurück auf das Greenpeace-Schiff Arctic Sunrise, die den friedlichen Protest begleitete. Die Demonstrierenden hatten Verpflegung, Schlafsäcke, Solarpannels, ein Windrad und Satellitentelefone dabei, um über ihre Aktion zu berichten.
Mit dieser Produktionsplattform plant Shell, acht weitere Bohrlöcher im Nordsee-Ölfeld Penguin auszubeuten. Dadurch könnte Shell bis zum Jahr 2044 täglich 45.000 Barrel Öl fördern, bei deren Verbrennung bis zu 45 Millionen Tonnen CO2 entstehen würden - mehr als ganz Norwegen in einem Jahr ausstößt. Die schwimmende Produktions-, Lager- und Verladeeinheit [FPSO] soll auch den letzten Tropfen Öl aus dem Feld Penguin herausholen. Es ist die erste neue bemannte Ölförderplattform für Shell in der nördlichen Nordsee seit 30 Jahren. Dazu Till Seidensticker: “Die Klimakrise zeigt deutlich: Es ist Zeit sich von fossilen Energieträgern zu trennen. Es gibt Alternativen wie erneuerbare Energien, dieses Projekt ist aus der Zeit gefallen.”