Geheime Klageschrift ist online!
- Nachricht
Archiviert | Inhalt wird nicht mehr aktualisiert
Das Verfahren findet hinter verschlossenen Türen statt. Weder das zuständige Wirtschaftsministerium noch Vattenfall wollten sich bisher zu dem Streitfall äußern. Nun ist die Klageschrift doch durchgesickert und liegt bei Greenpeace auf dem Tisch. Es geht um sage und schreibe 1,4 Milliarden Euro - Geld, für das bei einer Urteilssprechung zugunsten Vattenfalls der deutsche Steuerzahler aufkommen dürfte.
Nicht lange ist es her, da sah man sie noch einvernehmlich lächeln: Bundeskanzlerin Merkel und ihren Klimaberater Lars Göran Josefsson. Damals sah es auch noch so aus würde Deutschland ganz im Sinne des Vattenfall-Chefs handeln. Heute hat sich da ein bisschen was geändert. Zwar darf das von Josefsson forcierte Kohlekraftwerk in Hamburg Moorburg gebaut werden, ganz so einfach wie er sich das vor einigen Jahren vorgestellt hat, wird es jedoch nicht.
Der Grund sind wasserschutzrechtliche Auflagen, die der Konzern beim Bau des monströsen Steinkohlekraftwerks in Hamburg Moorburg berücksichtigen muss. Dessen Bau ist angesichts der Aktualität des Klimawandels ohnehin absolut unsinnig. Bei 1600 MW Leistung würde das Kraftwerk die Atmosphäre mit jährlich 8,6 Millionen Tonnen belasten.
Es ist absurd. Gerade Josefsson sollte um die Gefahren des Klimawandels wissen. Seit Ende 2006 ist er Klimaberater von Bundeskanzlerin Merkel, seit Juni 2009 Mitglied der UN-Expertengruppe für Energie- und Umweltfragen. Aus diesem Grund müsste er mit den jüngsten Warnungen der Klimawissenschaftler vertraut sein. Etwa jener von Lord Nicholas Stern (London), Hans Joachim Schellnhuber (Potsdam/ Oxford) und anderen, dass sich viele Klima-Indikatoren über die Grenzen [bewegen], in denen sich die gegenwärtige Gesellschafts- und Wirtschaftsform erfolgreich entwickelt hat. Oder hat er da vielleicht nicht zugehört? Nachlesen könnte er es jedenfalls, die Aussagen sind in dem im März erschienenen Synthese-Report zu finden.
Ganz klar, Josefsson geht es um Geld - und zwar um viel Geld
Basierten unsere Einschätzungen bisher nur auf Spekulationen, so zeigt die durchgesickertete Vattenfall-Klageschrift, dass wir an allen Punkten bis auf einen Recht hatten, erläutert Greenpeace Streitfallexperte Jürgen Knirsch. Was die Schadensersatzforderungen betrifft ist Vattenfall allerdings deutlich unverfrorener als erwartet. Der Konzern verlangt jetzt mehr als 1,4 Milliarden Euro ohne diese Summe im Einzelnen zu begründen. Auch wäre mit den 1,4 Milliarden Euro noch lange nicht alles bezahlt. Deutschland müsste überdies Zinsen und Prozesskosten tragen.
Doch ist der Bau von Moorburg nicht nur ein Problem für Umwelt und Klima. Eine Rechtsexpertise, die Greenpeace gemeinsam mit der Organisation WEED (World Economy, Ecology & Development) in Auftrag gegeben hat, kommt zu dem Ergebnis, dass diese Klage die künftige Umwelt- und Klimaschutzpolitik der Bundesrepublik bedroht. Es besteht die Gefahr, dass die Souveränität des deutschen Rechtssystems unterlaufen wird. Außerdem liefert Vattenfall mit dem Prozess einen Präzedenz-Fall: Sollte Rechtsstreit vor der Weltbank gewonnen werden, wäre dies ein Signal an andere Investoren international gegen Klima- und Umweltschutzauflagen vorzugehen.