Sternmarsch gegen Tagebau
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Als sich vor zwei Jahren Demonstranten aus Berlin und Dresden den Menschen aus Atterwasch, Kerkwitz und Gubin anschlossen, war das ungewohnt. Als im vergangenen Jahr vegane Kartoffelsuppe ausgegeben wurde, war das ein Novum. Doch die eigentlich Neuerung taucht erst in diesem Jahr auf: Ein Hauch von Hoffnung hält Einzug beim jährlichen Sternmarsch gegen Braunkohletagebaue in der Lausitz. Ein Gefühl, dass ein Wechsel in der Luft liegt. Wird er ergriffen, werden dadurch Dörfer und Wälder, Felder und ganze Landstriche gerettet. Die Region würde eine Zukunft bekommen - statt dem Braunkohleabbau für schmutzige und gefährliche Energie geopfert zu werden.
Zum achten Mal demonstrierten am vergangenen Sonntag Hunderte von Menschen dort an der deutsch-polnischen Grenze dagegen, dass der schwedische Energiekonzern Vattenfall mit immer größeren Braunkohlegruben nicht nur das Klima, sondern auch die Lebensgrundlage von fast tausend Menschen zerstört. Rund 850 Braunkohlegegner haben sich in den Dörfern Grabko, Atterwasch und Kerkwitz versammlet und laufen sternförmig zu einer gemeinsamen Abschlusskundgebung. Die drei Orte vereint, dass sie das Opfer von Vattenfalls gigantischen Schaufelrädern werden sollen. Kommt der geplante Tagebau Jänschwalde-Nord, werden Grabko, Atterwasch und Kerkwitz weggebaggert. Die rund 900 Bewohner würden ihre Häuser verlieren und damit ihre Heimat; die umliegende Kulturlandschaft würde unwiederbringlich zerstört.
Wird die Regierung den Kohleausstieg einleiten?
Dabei könnte alles anders kommen. Ende vergangenen Jahres hat die Bundesregierung ein ehrgeiziges Programm zu mehr Klimaschutz vorgelegt. Bis jetzt ist es nicht mehr als eine Absicht, aber in den kommenden Monaten soll daraus ein Gesetz werden – eines, das den Kohleausstieg einleiten muss, wenn es der Regierung ernst ist mit diesem Programm. Das wissen alle Demonstranten hier, und es lässt sie hoffen. Deshalb sind auch Kohlegegner aus Orten wie Proschim und Welzow dabei, aus Schleife und Rohne, aus all den anderen von Tagebauen bedrohten Orten in Brandenburg und Sachsen. Sie alle hoffen auf ein Ende der Absurdität, dass Monat für Monat mehr Energie aus Solar- und Windanlagen gewonnen wird, aber in der Lausitz trotzdem noch Tausende von Menschen für schmutzige Kohle ihre Heimat verlieren sollen.
Das macht die Menschen hier hoffnungsvoll, aber auch wütend. Denn während die Bundesregierung offenbar verstanden hat, dass Klimaschutz mittelfristig einen Kohleausstieg braucht, während Vattenfall sein Braunkohlegeschäft lieber heute als morgen verkaufen würde, gehen die Planungen für die drei geplanten Kohlegruben Jänschwalde Nord, Welzow Süd II und Nochten II unbeirrt weiter. Das verunsichert die Menschen in der Region – sowohl jene, die ihre Häuser aufgeben und in neue Retortendörfer ziehen sollen, als auch die Bergleute, denen Vattenfall zuvor lange weis machen wollte, der Braunkohletagebau sei ein sicherer Arbeitgeber. „Solange die Zukunft der Braunkohle in der Lausitz so unklar ist, müssen alle Planungen auf Eis gelegt werden“, fordert Susanne Neubronner, Greenpeace-Expertin für Energie. „Im Moment wird hier auf dem Rücken der Menschen in der Region Konzern- und Landespolitik betrieben.“
Gegen 14 Uhr treffen die Demonstranten am Alten Schafstall ein, einer Wiese in der Nähe von Grabko. Es gibt vegane Suppe und energische Reden – und die Hoffnung, dass es spätestens bis zum Sternmarsch 2016 einen plausiblen Zukunftsplan für die Lausitz gibt. Einen Plan ohne weitere Tagebaue.