Bundesregierung hintertreibt besseren Schutz vor Stickoxiden aus Braunkohlekraftwerken
- Nachricht
Archiviert | Inhalt wird nicht mehr aktualisiert
Das deutsche Statement traf Ende September ein, per E-Mail, Absender: Bundesumweltministerium. Und es zeigt wieder einmal: Diese Bundesregierung legt sich nicht mit der Industrie an, Gesundheitsvorsorge hin, Umweltschutz her. Lieber treibt sie mit ihrer Politik unnötig hohe Stickoxid-Emissionen für ganz Europa voran.
Chance für besseren Umwelt- und Gesundheitsschutz
Hintergrund: In Brüssel will am 20. Oktober eine Expertenkommission ihre Empfehlung für neue Emissionsgrenzwerte an das EU-Parlament geben. Es geht um den Schutz von Umwelt und Menschen vor Schadstoffen aus der Industrie (IED – Industrial Emissions Directive), derzeit zusammengefasst in der Richtlinie 2010/75/EU. Anpassungen finden nur in großen Abständen statt. Sind die Beschlüsse gefasst, gelten sie für Jahrzehnte.
Unter anderem betrifft das den Stickoxid-Ausstoß von Kohlekraftwerken. Die Expertenkommission empfiehlt einen neuen Grenzwert von 175 mg/m³ (Milligramm pro Kubikmeter) Luft für Kohlekraftwerke. Ein schwacher Kompromiss, denn nach heutigem Standard der „Besten vorhandenen Technik“ (BVT), wären 80 mg/m³ möglich – was eine teure Nachrüstung mit Katalysatoren voraussetzt. Auch für die 175 mg/m³ ist eine Nachrüstung erforderlich, jedoch reichen kostengünstigere neue Filtertechniken aus.
Deutschland: Schutzgebiet für alte Braunkohlekraftwerke
Die Bundesregierung legt sich in ihrer E-Mail nun auf 190 mg/m³ fest. Das ist reine Kosmetik, de facto beharrt sie damit auf dem alten Stand der Technik. Zurzeit dürfen Braunkohlekraftwerke in Deutschland maximal 200 mg/m³ Luft ausstoßen.
Eine Analyse von Klimaallianz, Greenpeace und dem Europäischen Umweltbüro (EEB) zeigt, dass mindestens 20 deutsche Braunkohle-Kraftwerksblöcke den geplanten neuen Grenzwert von 175 mg Stickoxid pro Kubikmeter Luft überschreiten würden. Sie müssten zum Teil erheblich nachgerüstet werden, um weiter laufen zu dürfen. Bei 190 mg können sie ohne Nachrüstung in Betrieb bleiben.
"Dieser Wunsch-Grenzwert der Bundesregierung wäre nur in einem einzigen Fall diskutabel", sagt Karsten Smid, Greenpeace-Experte für Energie und Klimaschutz, "nämlich wenn es die ehrliche Absicht gäbe, die alten Braunkohlekraftwerke in allernächster Zeit stillzulegen. Dann würde die Nachrüstung betriebswirtschaftlich keinen Sinn machen. Da dies aber offensichtlich nicht geplant ist und noch lange Laufzeiten zu befürchten sind, heißt das: Der Bundesregierung sind Gesundheit, Umwelt und Klima egal. Sie bedient ausschließlich die Interessen der Braunkohleindustrie."
Asthma, Husten, Herzinfarkt
Auf der Webseite des Umweltbundesamtes heißt es zur derzeit gültigen Richtlinie 2010/75/EU: „Mit der neuen Richtlinie wird das Leitbild der nachhaltigen Produktion weiterentwickelt. Ziel ist es, ein hohes Schutzniveau für die Umwelt insgesamt zu erreichen.“
Dieser Schutz ist nötig: Stickoxide schädigen Menschen, Tiere und Pflanzen. Sie reizen die Atemwege, können zu Husten, Atem- und Augenbeschwerden führen. Das Risiko für Asthma, Herz- und Kreislauferkrankungen steigt. Die Gase tragen außerdem zur Entstehung von bodennahem Ozon und Feinstaub bei, beides gleichermaßen gesundheitsschädlich. In Deutschland gehen rund 4070 vorzeitige Todesfälle und 81.410 schwere Erkrankungen jährlich auf das Konto giftiger Emissionen von Stickoxid, Schwefeldioxid, Feinstaub und Quecksilber. 3020 vorzeitige Todesfälle könnten vermieden werden, würden die Kraftwerke nach Stand der Technik betrieben.
„Kein Land der Welt verheizt so viel dreckige Braunkohle wie Deutschland“, sagt Smid. „Für die Gesundheit der Menschen, aber auch für das Klima muss damit Schluss sein. Bis spätestens 2030 muss das letzte Braunkohlekraftwerk vom Netz gehen, damit Deutschland seine Zusagen im Klimaschutz erreichen kann.“
Video: Was tut die Bundesregierung für den Klimaschutz?