Hurrikan Irma und Flutkatastrophen: Interview mit Greenpeace-Experte Karsten Smid
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Der Hurrikan Harvey wütete tagelang über Texas, 60 Menschen starben, über 50.000 verloren ihr Zuhause. Derzeit tobt über dem Atlantik ein neuer mörderischer Wirbelsturm, verwüstet gerade Inseln in der Karibik und nimmt Kurs auf Florida: Hurrikan Irma. Gleichzeitig, wenn auch in den Medien weniger beachtet, versinken Bangladesch und Pakistan in heftigstem Monsunregen und daraus folgenden Überflutungen. Mit riesigen Opferzahlen: Die Zeitungen melden 1500 Tote und Millionen von Vertriebenen, genaue Zahlen gibt es derzeit noch nicht. Was hat das mit dem Klimawandel zu tun? Und was kommt noch auf uns zu? Ein Interview mit Karsten Smid, Greenpeace-Experte für Klimawandel.
Greenpeace: Hurrikans hat es auch schon gegeben, bevor der Klimawandel die Erde aufheizte. Kann man trotzdem sagen, dass der Klimawandel an der Heftigkeit der letzten beiden Hurrikans Harvey und Irma Schuld ist?
Karsten Smid: Ja. Hurrikans im August und September im Golf von Mexiko und an der US-Ostküste sind ein ganz normales Wetterphänomen. Die Stürme werden nicht durch den Klimawandel verursacht. Aber ihre Heftigkeit, die liegt auch an der Klimaveränderungen. Hurrikan Irma hat eine unglaubliche Kraft, Harvey hatte immense Regenmengen im Gepäck – die Überschwemmungen waren das eigentliche Unglück der Region. Beides muss in Zusammenhang mit der Erderwärmung gesehen werden.
Wie ist der Zusammenhang genau?
Der Golf von Mexiko ist derzeit ungewöhnlich warm – ein bis zwei Grad wärmer als allgemein üblich. Vereinfacht kann man sagen, dass Harvey und Irma deswegen einerseits besonders viel Energie und Kraft und andererseits aber auch besonders viel Wasser aufgesaugt haben.
Hurrikan Harvey hat sintflutartige Regenfälle mit sich gebracht. Über Houston, der viertgrößten Metropole der USA – dort leben über sechs Millionen Menschen – fielen innerhalb weniger Tage 1300 Liter pro Quadratmeter. Das ist fast doppelt so viel Niederschlag, wie in Deutschland im ganzen Jahr fällt. Wissenschaftler vom amerikanischen Klima-Institut schätzen den Beitrag der Klimaerhitzung an dieser Regenmenge auf bis zu 30 Prozent.
Und gerade wütet schon der nächste Hurrikan in der Karibik: Irma. Er wurde mit der höchsten Stufe 5 kategorisiert. Irma ist einer der stärksten jemals registrierten Tropenstürme in der Region. Und er nimmt Kurs auf Küste von Florida. Wir und unsere amerikanischen Greenpeace-Kollegen beobachten gebannt den Verlauf des Monstersturms und bangen mit den betroffenen Menschen vor Ort.
Eine vielleicht sogar noch schlimmere Katastrophe ereignet sich ja gerade in Pakistan und Bangladesch – kann man sagen, dass auch die zerstörerischen Fluten dort etwas mit dem Klimawandel zu tun haben?
Ja. Die Monsunregen sind in dieser Region dieses Jahr außergewöhnlich heftig gewesen. Auch hier gilt: Die Klimaerhitzung hat den Monsunregen verstärkt. Eine wärmere Atmosphäre heizt den Kreislauf zwischen Verdunstung und Abregnen an; das ist ein physikalisches Gesetz.
In Indien, Nepal und Bangladesch haben die Regenmassen des Monsuns mehr als 1500 Menschen getötet und Millionen Menschen obdachlos gemacht. Südasien versinkt in den Fluten, mehr als 270.000 Quadratkilometer sind betroffen. Das ist eine Region, die ist fast so groß wie ganz Deutschland.
Was kommt noch auf uns zu?
Was wir jetzt sehen, ist erst der Anfang. Das Klima wandelt sich, und die Zahl der extremen Wetterlagen wird weiter zunehmen. Greenpeace hat kürzlich erst eine Studie dazu veröffentlicht: Schon heute werden jährlich 21 Millionen Menschen durch klimabedingte Wetterkatastrophen zu Flüchtlingen. Auch diese Zahl wird steigen.
Vielleicht, weil wir es nicht in der Hand haben: Leider neigen wir Menschen dazu, die Gefahr von Naturgewalten zu verdrängen. Stürme und insbesondere Hurrikans haben schon immer gewütet und viel zu oft gigantische Zerstörungen verursacht. Mit der Klimaerhitzung nimmt aber die Energie in der Atmosphäre zu und damit auch die potenzielle Zerstörungskraft. In Zukunft werden aus bereits gefährlichen Naturereignissen von uns selbst mitverschuldete Monster. Deswegen müssen die Industrienationen wirklich alles in ihrer Macht stehende tun, um die Treibhausgase zu begrenzen und die Erderwärmung auf unter 1,5 Grad zu halten. Denn es geht um Menschenleben.