Angriff auf das "grüne Herz" Afrikas
- Hintergrund
Die internationale Holzindustrie zerstört im großen Maßstab die Regenwälder im Kongobecken. Die artenreichen Regenwälder Zentralafrikas sind die Lebensgrundlage für viele Millionen Menschen und unentbehrlich für den Klimaschutz. Greenpeace engagiert sich gezielt dort, wo die Lage am fatalsten ist: in der Demokratischen Republik Kongo (DRK). Das Land ist nach langen Bürgerkriegen unterentwickelt und verarmt, in Politik und Verwaltung herrscht Chaos. Eine Waldreform, die nachhaltige Forstwirtschaft fördern und Armut bekämpfen sollte, scheiterte bisher.
Immer tiefer dringen die Holzfäller in die Urwälder des Kongobeckens vor. Einst reichte ein breiter Regenwaldgürtel vom Senegal an der Westküste Afrikas bis nach Uganda. Heute gleicht das Gebiet einem Puzzle, viele Teile fehlen. Noch intakte Wälder erstrecken sich im Einflussbereich des Kongo-Flusses von Kamerun über Äquatorialguinea, Gabun, die Zentralafrikanische Republik und die Republik Kongo bis an die Ostgrenze der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo). Mit 1,7 Millionen Quadratkilometern ist das Kongobecken – nach Amazonien in Südamerika – immer noch das zweitgrößte Regenwaldgebiet der Erde.
Der Wert der afrikanischen Regenwälder
In keiner anderen Region Afrikas leben so viele Arten an Tieren, Pflanzen und Pilzen. Zu den seltenen großen Tierarten gehören Bonobos, Schimpansen und Gorillas, Okapis, Waldbüffel, Waldelefanten und Bongo-Antilopen.
Allein in der DR Kongo sind etwa 40 Millionen Menschen auf die Wälder angewiesen, die ihre Grundbedürfnisse mit Nahrung, Heilpflanzen, Energie und Baumaterial decken. Für Naturvölker wie die nomadischen Pygmäen bedeuten die Urwälder zusätzlich kulturelle und spirituelle Identität.
Als gigantischer Kohlenstoffspeicher sind die Urwälder bedeutsam für den globalen Klimaschutz. Jeder Hektar Waldschwund heizt den Klimawandel weiter an. Weite Teile Afrikas sind schon jetzt betroffen. Wetterextreme wie Dürren und Überschwemmungen infolge sintflutartiger Regenfälle, auch verheerende Stürme werden zunehmen. Weniger Regenwald bedeutet auch weniger Regen, denn rund Dreiviertel davon produziert der Wald in einem steten Kreislauf selbst: Die Pflanzen speichern und verdunsten Wasser, es bilden sich Wolken, es regnet. Damit kühlt und befeuchtet der Regenwaldgürtel ganz Zentralafrika.
Kongo in der Krise
In der DR Kongo (1971–1997: Zaire) toben seit über 15 Jahren blutige Konflikte zwischen diversen Rebellengruppen und der Regierungsarmee. 1997 wurde der Diktator Joseph-Désiré Mobutu gestürzt. Fortan regierte Rebellenchef Laurent-Désiré Kabila und benannte Zaire in Demokratische Republik Kongo um. Es folgten Bürgerkriege, in die mehrere afrikanische Staaten, darunter Ruanda und Uganda, verwickelt waren. 2001 starb Kabila nach einem Attentat, sein Sohn Joseph übernahm die Präsidentschaft. 2003 wurde ein Friedensabkommen geschlossen, doch im Osten des Landes gingen die Kämpfe weiter – bis heute. 2006 fanden erstmals nach 1965 wieder freie Wahlen statt, die Joseph Kabila gewann, 2011 wurde er wiedergewählt.
Das Land bleibt instabil. Ein Konfliktherd sind seine reichen Bodenschätze wie Gold, Diamanten, Kupfer, Uran und Koltan. Trotz dieser reichen Vorkommen an Bodenschätzen zählt die DR Kongo zu den ärmsten Ländern der Welt. Jahrzehnte der Misswirtschaft, Krieg und, weit verbreitet, Korruption haben Spuren hinterlassen. Vom Abbau der Bodenschätze profitieren eher kriminelle Gruppen, internationale Firmen oder einzelne lokale Machthaber als das Land beziehungsweise die Bevölkerung.
Gescheiterte Waldreform
2002 initiierte die Weltbank, die sich finanziell stark in der DR Kongo engagiert, eine Waldreform. Sie sollte einerseits den Urwald schützen, andererseits eine nachhaltige Waldnutzung fördern, um die Wirtschaft des Landes anzukurbeln und die Armut zu bekämpfen. Funktioniert hat das bisher nicht. So vergab die kongolesische Regierung trotz eines gesetzlich verankerten Moratoriums Konzessionen für weitere industrielle Holzeinschläge: zwischen 2002 und 2008 auf einer Fläche von rund 15 Millionen Hektar. Auch im Forstsektor herrschen Chaos, Korruption und Intransparenz – keine Basis für nachhaltiges Waldmanagement. Den Behörden, die für Naturschutz zuständig sind, fehlen Mitarbeiter und finanzielle Mittel. Auch in ihren Reihen gibt es Bestechlichkeit.
Für schnellen Profit werden die Wälder regelrecht geplündert. Selbst der sogenannte selektive Holzeinschlag, bei dem nur ein bis zwei Urwaldriesen pro Hektar abgesägt werden, schadet der ganzen Umgebung, etwa durch den Abtransport mit Bulldozern oder durch den Bau von Zufahrtstraßen, die den vormals schwer zu erreichenden Urwald öffnen für weitere Zerstörung.
Der Holzeinschlag führt zu sozialen Konflikten mit den Bewohnern vor Ort, die kaum und nur kurzfristig profitieren, während die Forstfirmen für jeden gefällten Baum auf den internationalen Märkten hohe Gewinne einstreichen. Sie bieten den Gemeinden für die Ausbeutung ihrer Wälder zum Beispiel Fahrräder, Kleidung, ein paar Kilo Seife oder ein paar Säcke Zucker und Salz als Ausgleich an. Mal wird ihnen auch der Bau einer Schule oder einer Krankenstation versprochen – die Einlösung bleibt oft aus oder ist anders als vereinbart. Die Holzfirmen müssten auch Steuern zahlen, doch mit Steuertricks und durch Ausnahmebestimmungen wird die zu zahlende Steuer reduziert oder versickert im Dickicht der oft korrupten zuständigen Behörden. Laut der Waldreform von 2002 sollen 40 Prozent der Unternehmenssteuern den lokalen Gemeinden zugute kommen, doch bei ihnen kommt kaum ein Cent an.
Die Fälle Sodefor und Danzer
Der Nordsüdtimber-Konzern mit Hauptsitz in Liechtenstein besitzt im Kongo Einschlagerlaubnisse über insgesamt sieben Millionen Hektar Wald (die doppelte Fläche Belgiens). Im Januar 2010 protestierten Menschen in der Gemeinde Bokongo in der DR Kongo gegen die Machenschaften der Edelholzfirma Sodefor aus Kinshasa, eine Tochter Nordsüdtimbers. Daraufhin rief Sodefor Polizisten herbei, diese nahmen die Protestler fest und sperrten sie ins Gefängnis. Erst nach Tagen wurden sie wieder freigelassen. Ein 72-Jähriger starb kurz darauf, offenbar in Folge der schlechten Behandlung. Dieser Fall ist nur ein Beispiel für den Raubbau an Mensch und Natur im Kongo.
Sodefor hatte in der DR Kongo Flächen nach den Standards des Forest Stewardship Council (FSC) zertifizieren lassen. Dagegen reichte Greenpeace, Mitglied des FSC, 2011 Beschwerde ein. Nach Meinung von Greenpeace erfüllte der Holzkonzern die Bedingungen für eine Zertifizierung nicht. Zwar kündigte der FSC die Mitgliedschaft von Soderfor im FSC nicht, entzog der Firma aber die Zertifikate in der DR Kongo.
Auch gegen FSC-Zertifizierungen der Firma Siforco, eine Tochtergesellschaft der Danzer-Gruppe, reichte Greenpeace Beschwerde ein. Siforco, die Einschlaggenehmigungen über etwa 2,1 Millionen Hektar Wald besitzt, war wiederholt durch Raubbau und Menschenrechtsverletzungen aufgefallen – so im Frühjahr 2011 in Bosanga bei Bumba. Als die Yalisika-Waldgemeinschaft gegen Abholzungen protestierte, wurden unter Beteiligung von Polizei und Militär Männer geschlagen, Frauen vergewaltigt, 16 Menschen festgenommen. Und wieder gab es einen Toten unter den Opfern. Siforco war in diese Gewalt gegen die Dorfbewohner verwickelt.
Die Yalisika-Gemeinschaft klagt nun vor Gericht gegen Siforcos vor Ort agierenden Manager, die Polizei und das Militär. Greenpeace forderte Danzer auf, verantwortlich zu agieren, einen fairen und transparenten Rechtsprozess zu unterstützen. Im Februar 2012 wurde Siforco von Danzer an die amerikanische Groupe Blattner Elwyn (GBE) verkauft.
"Handwerkliche" Abholzung
Eine gemeinsame Studie der kongolesischen Umweltschutzgruppe Réseau Ressources Naturelles (RRN) und Greenpeace ergab, dass großflächig angelegte Abholzungen durch die Holzkonzerne zunehmend als "handwerkliche Holzernte" ("artisanal logging") lokaler Kleinbetriebe verschleiert werden. Solche Praktiken zielen darauf ab, das bestehende Moratorium auf die Vergabe neuer industrieller Abholzungslizenzen zu umgehen. Leider mit Erfolg: Das Umweltministerium in Kinshasa vergab in den vergangenen Jahren zahlreiche Konzessionen zur "handwerklichen Nutzung".
Zwei weitere Bedrohungen
Palmölplantagen: Auch die Palmölindustrie bedroht die Kongo-Regenwälder. Nach Südostasien entwickelt sich das Kongobecken zu einem begehrten Territorium für verschiedene Palmölkonzerne. Konzessionen für riesige neue Plantagen betreffen intakte Regenwaldgebiete in der DR Kongo, auch in Kamerun, Gabun und weiteren Ländern Zentralafrikas.
Jagd auf Wildtiere: Das Fleisch von Wildtieren wie Affen und Antilopen ist ein Teil der Nahrungsgrundlage für die ländliche Bevölkerung und Naturvölker im Kongobecken. Das Problem ist der unkontrollierte kommerzielle Handel von "Bushmeat", auch von geschützten Tierarten. Die Erschließung der dichten Regenwälder durch Forststraßen erleichtert Wildtierjägern das Handwerk und den Transport. So landet Bushmeat auch auf den Märkten der Städte. Nach Schätzungen werden bis zu fünf Millionen Tonnen Wildtierfleisch pro Jahr in Zentralafrika gehandelt und verspeist.
Greenpeace im Kongo aktiv
2008 eröffnete Greenpeace ein Büro in Kinshasa, in der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo, um die industrielle Abholzung und Ausbeutung intakter Urwaldgebiete zu stoppen. Mit aufgebaut wurde es vom kongolesischen Urwaldschützer und Träger des Alternativen Nobelpreises 2009, René Ngongo.
Greenpeace setzt sich dafür ein, dass unter Einbezug der lokalen Bevölkerung ökologisch nachhaltige und sozial gerechte Landnutzungspläne erstellt werden. Informationen über geplante Waldnutzungen müssen für jedermann öffentlich zugänglich und verständlich sein. Dazu gehören Kartenmaterial, Namenslisten der beteiligten Firmen, Angaben zum geplanten Einschlagvolumen, zu Steuern und Ausgleichszahlungen sowie zum Marktwert des Holzes.
Gegenwärtig sind knapp zehn Prozent der Regenwälder im Kongobecken offiziell geschützt – zumindest dem Papier nach. Dieser Schutz kann nicht durchgesetzt werden, wenn gut ausgerüstete Wilderer oder Holzdiebe auf schlecht ausgerüstete offizielle Ranger stoßen, oder wenn offizielle Regierungsstellen gegen das geltende Gesetz einfach neue Zerstörungen genehmigen.
Greenpeace fordert die Regierung der Demokratischen Republik Kongo auf, das Moratorium auf neue Holzeinschlagskonzessionen so lange zu verlängern, bis ein Landnutzungsplan entwickelt ist und bis im gesamten Land funktionsfähige Regierungs- und Kontrollstrukturen etabliert worden sind.
(Autorin: Nicoline Haas)