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Die Esperanza in der Antarktis
Greenpeace / Jiri Rezac

Grönland und Antarktis: Das Eis wird dünn

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Die Wissenschaftler: innen haben für ihre Studie Daten des ESA-Satelliten CryoSat-2 aus den Jahren 2011 bis 2014 ausgewertet. Die Satellitenaufnahmen umfassen eine Fläche von 16 Millionen Quadratkilometern und somit 500.000 Quadratkilometer mehr als bei bisherigen Messungen. Erstmals konnten so flächendeckende Karten der Eisschilde auf Grönland und in der Antarktis erstellt werden. Radar- und Laserimpulse ermöglichen, die Höhenveränderungen des Eises und die Veränderungen der Gletscher zu dokumentieren.

"Insgesamt verlieren die Eisschilde pro Jahr rund 500 Kubikkilometer Eis. Diese Menge entspricht einer Eisschicht, die rund 600 Meter dick ist und sich über das gesamte Stadtgebiet Hamburgs erstreckt", so das Fazit.

Prof. Dr. Angelika Humbert hat an der Studie gearbeitet und uns einige Fragen beantwortet.

Der Eisverlust hat sich seit dem Jahr 2009 in der Westantarktis verdreifacht und auf Grönland verdoppelt. So stark war der Rückgang der Eisschilde seit Beginn der Messungen vor 20 Jahren nicht. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Es gibt nicht die eine Erklärung für alle Gletscher und Eisströme, aber eine Kurzfassung: Wir können in der Antarktis und Grönland eine Beschleunigung vieler großer Gletscher beobachten - Pine Island Gletscher, Jakobshavn Isbrae und viele mehr. Die Gletscher fließen also schneller ins Meer - so wird mehr Eis vom Eisschild abtransportiert und das Volumen der Eisschilde verringert sich.

Zudem ändert sich aufgrund der Erderwärmung die sogenannte Oberflächenmassenbilanz in Grönland: Das heißt, dass es in einigen Regionen weniger schneit als früher. In anderen Regionen schmilzt im Sommer mehr Schnee, als im Winter dazugekommen ist.

Die Frage nach der Erklärung muss aber tiefer gehen, nämlich fragen, was ursächlich die Beschleunigung der Gletscher bedingt und wieso es in Grönland mehr Schmelzen gibt. Einiges spricht dafür, dass die Beschleunigung der Gletscher mit der Dynamik an der Übergangslinie zwischen Inlandeis und Schelfeis, der schwimmenden Eismasse, zusammenhängt. Das Meer ist durch den Klimawandel wärmer geworden, so dass die Gletscher an der Stelle, wo sie vom Festland ins Meer gleiten, vermehrt Schmelzen an ihrer Unterseite erfahren  - das beschleunigt das Fließen der Gletscher.

In der Antarktis kommt hinzu, dass die Schelfeise aufgrund der Erwärmung des Meeres dünner werden und so an Rückhaltekraft verlieren: Wenn ein Gletscher vom Festland ins Meer wandert, stößt er auf Schelfeis - dadurch wird er gebremst. Wenn dieses Schelfeis nun aber dünner wird, bricht es leichter und der Gletscher kann schneller ins Meer fließen.

Sie sagen, dass die Höhenveränderungen besonders stark am westgrönländischen Jakobshavn Isbrae-Gletscher feststellbar seien. Dass er mit einer Spitzengeschwindigkeit von bis zu 46 Metern am Tag ins Meer fließt. Wieso sind die Entwicklungen so unterschiedlich?

Jedes einzelne Gletschereinzugsgebiet hat seine eigene Dynamik. Die Fließgeschwindigkeit ist zum Beispiel davon abhängig, ob der Gletscher in eine Vertiefung wandert. Auch der geothermale Wärmefluss, der vom Boden her heizt und in unterschiedlichen Regionen unterschiedlich ist, beeinflusst das Gleiten der Eismassen - ebenso die Rauigkeit des Bodens.

Die Tidewater Glaciers, Gletscher deren Front im Ozean liegt, reagieren mit ihrem Abbruch auf die Erwärmung des Ozeans. Die Gletscher, die komplett auf dem Land liegen, haben diesen zusätzlichen Faktor nicht. In der Antarktis kommt dann noch die Rolle der Schelfeise als Rückhaltekraft hinzu - Sie sehen, es gibt viele Faktoren, weshalb die einzelnen Gletscher unterschiedlich reagieren können.

Lässt sich erklären, warum das Eis der Ostantarktis mehr wird? Ist das nicht ein Grund, ein wenig aufzuatmen - so nach dem Motto: Eis bricht eben an einer Stelle ab, weil da eh schon immer ein Riss war. Dafür wächst es an anderer Stelle - so warm kann es also nicht sein. Und wird der Verlust auf der anderen Seite dadurch aufgehoben?

Die Zunahme in Dronning Maud Land ist eine Niederschlagsanomalie, es hat mehr geschneit als üblich. Ein Eisschild wächst, wenn Schnee fällt und zu Eis wird. Wie der Begriff Anomalie aber schon sagt, eine Ausnahme. Aufatmen kann man nur insofern, als dass diese Anomalie die Auswirkungen der Westantarktis ein wenig in der Summe dämpft. Wenn die Anomalie vorbei ist, wird sich der Eisverlust jedoch umso deutlicher zeigen.

Sie vermeiden den Begriff Eisschmelze. Warum?

Ich nutze ihn nur dort, wo er angebracht ist. Lassen Sie uns ein Gedankenexperiment machen: Wir schütten einen Eimer Eiswürfel auf einen Tisch. Jetzt schubsen wir jede Minute einen Eiswürfel über die Tischkante. Keiner würde in dem Fall sagen, dass die Eiswürfel auf dem Boden geschmolzen sind - sie sind vom Tisch gefallen. Jetzt machen wir dieses Experiment im Hochsommer, in der prallen Sonne, bei 36°C. Zusätzlich zu den Eiswürfeln, die wir vom Tisch schubsen, werden einige noch schmelzen und das Wasser läuft vom Tisch.

Es ist einfach wichtig, das richtige Bild in den Köpfen zu erzeugen. In der Antarktis schmilzt der Eisschild nicht weg - dort ist es viel zu kalt und nur in einigen Bereichen schmilzt es signifikant an der Oberfläche. Der Massenverlust kommt aber von der Beschleunigung der Gletscher, die immer mehr Eis in den Ozean transportieren. In unserem Bild von den Eiswürfeln auf dem Tisch bedeutet das, dass wir nun nicht einen, sondern zwei Eiswürfel pro Minute über die Tischkante schieben. In Grönland hingegen trägt Schmelzen und eine Veränderung des Niederschlags ebenso viel zum Massenverlust bei wie die Beschleunigung der Gletscher. Dort verliert der Eisschild tatsächlich durch Schmelzen deutlich an Masse.

Wie wirkt sich der Rückgang des Eisschildes auf den Anstieg des Meeresspiegels aus?

Der Meeresspiegel steigt in dem Maß, wie die Eisschilde Masse verlieren. 360 Gigatonnen Eis entsprechen 1 mm Meeresspiegel. Alles, was die Masse der Eisschilde verändert, verändert direkt den Meeresspiegel, sei es mehr Eintrag von Eis in den Ozean durch schneller fließende Gletscher, eine Anomalie im Schneezutrag oder Schmelzen an der Oberfläche des Eisschildes.

 

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