Aus für HannoverGEN
- Nachricht
Archiviert | Inhalt wird nicht mehr aktualisiert
HannoverGEN ist ein vom Land Niedersachsen in den Jahren 2008 bis 2012 gefördertes Modellprojekt, das an vier hannoverschen Stützpunktschulen stattfand. Für die Jahrgänge 10 bis 12 (bzw. 13) wurden in speziell ausgebauten Gentechnik-Laboren Experimentiermöglichkeiten für gentechnische Versuche geschaffen und Unterrichtsmaterialien entwickelt. Doch in den HannoverGEN-Materialien wird suggeriert, dass es keine anderen überzeugenden Alternativen gäbe, grundlegende Problematiken der derzeitigen Landwirtschaftpraxis werden nicht hinterfragt. Greenpeace-Ehrenamtliche der Gruppe in Hannover setzten sich lange dafür ein, dass das Pro-Gentechnik-Projekt gestoppt wird. Nun wird die neue rotgrüne Landesregierung in Niedersachsen das Schulprojekt nicht weiterführen. Die Online-Redaktion hat mit David Petersen, Gentechnik-Ansprechpartner von Greenpeace Hannover, über HannoverGEN gesprochen.
Online-Redaktion: Was sagt ihr zu dem Erfolg, dass das Schulprojekt in Niedersachsen nicht mehr weitergeführt wird und sogar im Koalitionsvertrag verankert wird?
David Petersen: Darüber haben wir uns natürlich sehr gefreut, denn es zeigt: Protest lohnt sich! Der Schritt war allerdings auch längst überfällig, denn notwendige Konsequenzen wurden nicht gezogen. Die bisherige Landesregierung hat bis zuletzt eine Stellungsnahme und die Beantwortung offener Fragen verweigert. Die Beendigung ist daher nur folgerichtig.
Insgesamt ist die klare und verantwortungsvolle Positionierung der SPD und Grünen gegenüber Gentechnik in der Landwirtschaft sehr erfreulich. Das ist ein wichtiges Signal auch für die angekündigte Agrarwende! Denn auch in Niedersachsen lehnt mit 79 Prozent eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen ab. Und das aus guten Gründen: Die Freisetzung von gentechnisch veränderten Pflanzen birgt viele Nebenwirkungen und Risiken.
Online-Redaktion: Was kritisiert ihr eigentlich an dem umstrittenen Gentechnik Schulprojekt HannoverGEN? Auf den ersten Blick hörte es sich doch ganz gut an.
David Petersen: Ja, auf den ersten Blick mag das Projekt durchaus plausibel erscheinen. An vier sogenannten Stützpunktschulen in der Region Hannover wurden vier Gentechnik-Labore eingerichtet. Dort können Schulklassen seit Ende 2008 biotechnologische Experimente zum Thema Gentechnik durchführen. Zudem wird der Anspruch formuliert, die Urteilsfähigkeit und ethische Bewertungskompetenz in Hinblick auf die Gentechnik in der Landwirtschaft zu fördern. Außerdem wurden zahlreiche Lehrerfortbildungen durchgeführt. Das Projekt hat bisher Kosten von über 1,16 Millionen Euro verursacht.
Greenpeace hat nichts gegen einen modernen Unterricht. Doch die schwarz-gelbe Landesregierung hat auf perfide Weise den Ausstattungsmangel der Schulen ausgenutzt und diese mit modernen Laboren gelockt und im Gegenzug zu einseitig ausgerichteten Gentechnik-Unterricht verpflichtet. Eine ausgewogene und umfassende Bildung ist aber eine wesentliche Voraussetzung für eine gute Bildung. Es muss also auch eine gewisse Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben. Dies ist alles nachweislich bei HannoverGEN nicht der Fall!
Online-Redaktion: Was heißt das konkret?
David Petersen: Wenn ein Schulprojekt mit einem solch speziellen Fokus initiert wird, stellt sich unmittelbar die Frage nach der eigentlichen Intention. Insbesondere die Federführung des Landwirtschaftsministeriums, aber auch die Tatsache, dass an diesem Projekt Gentechnik-Befürworter und ein bekannter Gentechnik-Lobbyist maßgeblich beteiligt waren, ist höchst bedenklich.
Diese zweifelhafte Konstellation und die gentechnikfreundliche Intention haben offensichtlich dazu geführt, dass beispielsweise die Unterrichtsmaterialien zur ethischen Bewertungskompetenz inhaltlich tendenziös sind, teils sogar sukzessiv manipulativ! Dies wurde auch in einer Hintergrundstudie bestätigt, die der Biologe und Umweltchemiker Dr. Heribert Wefers im Auftrag des Bündnis für Gentechnikfreie Landwirtschaft Niedersachsen, Bremen, Hamburg im Herbst 2012 erstellt hat. Demnach wird das Projekt seinen eigenen Ansprüchen nach Ausgewogenheit, Sachlichkeit und Nicht-Beeinflussung nicht gerecht.
Ein anderer Aspekt, der vor allem bildungspolitisch diskutiert gehört, ist die Verhältnismäßigkeit in Bezug auf andere Themen, aber auch auf den Aufwand und tatsächlichen Nutzen. Bei aller nachvollziehbaren Begeisterung für die Labore, Fakt ist: HannoverGEN ist sehr geld- und personalintensiv. Dies liegt sicherlich auch ein Stückweit in der Natur von solchen Laboreinrichtungen. Fakt ist aber auch: Die Gentechnik-Labore sind nur sehr eingeschränkt nutzbar. Sie werden nicht für den Regelunterricht der Schulen genutzt, die Labortage sind erst für Schülerinnen und Schüler ab der 10. Klasse geeignet und wegen der aufwendigen Betreuung gibt es nur jeweils einen Labortag pro Woche.
Das alles wirft Fragen auf und wird besonders brisant, wenn man bedenkt, dass sich das niedersächsische Landwirtschaftministerium als treibende Kraft massiv für eine Projektausdehnung auf 50 niedersächsische Schulen eingesetzt hat - veranschlagte Kosten über 13,3 Millionen Euro.
Online-Redaktion: Was habt ihr gemacht, um das Projekt zu stoppen?
David Petersen: Wir haben HannoverGEN von Beginn an kritisch begleitet. Als dann Ende 2011 bekannt wurde, dass sogar eine Ausdehnung geplant wurde, waren wir uns einig, dass wir nochmal alle Kräfte bündeln müssen - was bei ehrenamlichen Engagement leichter gesagt als getan ist.
Ich selber habe mich noch einmal sehr intensiv und umfassend mit sämtlichen Dokumenten von und zu HannoverGEN befasst. Wir haben zudem die Unterrichtsmaterialien Absatz für Absatz durchgearbeitet. Außerdem haben wir noch mal den Austausch mit anderen Organisationen, Parteien aber auch Bildungsakteuren gesucht, dazu gehören natürlich auch Rückmeldungen und Einschätzungen von Lehrern, Schülern und Eltern. Das alles ist in unsere Kritik und Aktivitäten miteingeflossen.
Gestartet haben wir die regionale Kampagne Anfang Oktober 2012 mit einer gemeinsamen Pressekonferenz - zusammen mit dem Bündnis Gentechnikfreie Landwirtschaft Niedersachsen, Bremen und Hamburg. Dort habe ich unsere Kritik präsentiert und die Landesregierung wie auch die Parteien zu einer Stellungsnahme aufgefordert. Immerhin stand der Wahlkampf in Niedersachsen an und als Wähler will ich wissen, was ich wähle. Die Antworten der Parteien veröffentlichten wir später in unserem Wahlkompass Umweltpolitik. Darin sprach sich einzig die CDU weiterhin uneingeschränkt für das zweifelhafte Projekt aus.
Die schwarz-gelbe Landesregierung stellte sich allerdings erstmal stur. Es folgte daher Anfang November eine schriftliche Anfrage an das Kultus- und Agrarministerium und an den Ministerpräsidenten McAllister (CDU). Den Druck erhöhten wir, indem wir Protestaktionen durchführten und so die Verantwortlichen mit der Problematik konfrontierten - z.B. auf dem Landesparteitag der CDU in Celle oder vor der niedersächsischen Staatskanzlei in Hannover.
Nach der Landtagswahl am 22. Januar veröffentlichten wir eine repräsentative forsa-Umfrage u.a. mit dem eindeutigem Ergebnis, dass 65 Prozent der Niedersachsen befürchten, dass eine landesweite Einrichtung von Gentechnik-Laboren in Schulen zu einseitigem Unterricht führen würde.
{image}Online-Redaktion: Was hat die Bevölkerung zu dem Projekt gesagt, habt ihr auch mit Lehrern, Schülern und Eltern über das umstrittene Projekt geredet?
David Petersen: Die meisten kannten HannoverGEN gar nicht, da das Modellprojekt eine relativ geringe Reichweite besitzt. Selbst Schülerinnen und Schülern von den teilnehmenden Schulen war das Projekt teilweise nicht bekannt. Ähnlich sah die Situation bei den Schüler- und Elternvertretungen aus, da diese scheinbar weder informiert noch in die Entscheidungsprozesse eingebunden wurden.
Ich habe daher viele Gespräche und kritische Diskussionen geführt, vor kurzem habe ich z.B. mit einigen Mitgliedern des Stadtelternrats Hannover ein solches Gentechnik-Labor besucht.
Der Landesschülerrat Niedersachsen sprach sich sogar klar gegen eine Ausdehnung aus. Aber auch Gespräche mit Lehrern haben gezeigt, dass das Projekt durchaus sehr kritisch bewertetet wurde. Wir wissen beispielsweise auch von einer Schule, die dass Projekt so problematisch befand, dass sie eine Teilnahme daran ausdrücklich ausschloss. Eine moderne Ausrüstung der Schulen, sowie entsprechende Lehrerfortbildungen wurden hingegen natürlich grundsätzlich sehr begrüßt.
Unsere Kritik zielt ausdrücklich auf die einseitige Ausrichtung des Projekts. Das Kultusministerium hat hier auf fahrlässige Weise dem Landwirtschaftsministerium eine Plattform für seinen gentechnikfreundlichen Kurs überlassen. Einseitige Akzeptanzbeschaffung, zudem noch finanziert durch erhebliche Steuermittel, hat an der Schule nichts zu suchen.
Online-Redaktion: Vielen Dank für das Gespräch.