Gen-Reis-Skandal: Gentechnikkonzern erschwert Aufklärung
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Der Skandal um den US-Gen-Langkornreis zeigt allmählich sein ganzes Ausmaß. Jede fünfte Reisprobe in der EU enthält nach Untersuchungsergebnissen, die der Europäischen Kommission mitgeteilt wurden, Verunreinigungen mit genmanipuliertem Reis. Die Kommission veröffentlichte diese Zahlen am Montagabend. Zuvor hatte Greenpeace einen konkreten Fall aufgedeckt: Im Reis der Marke Bon-Ri von Aldi Nord war Gen-Reis nachgewiesen worden. Hauptverdächtiger ist der LL601-Reis der Bayer AG. Wir sprachen mit dem Greenpeace-Gentechnikexperten Henning Strodthoff über die Tragweite des Gen-Reis-Skandals.
Greenpeace Online: Der Gen-Reis LL601 stammt ursprünglich von der Firma Aventis und wurde nur bis 2001 zu Versuchszwecken angebaut. Die Bayer AG erklärt, dass sie ihn weder herstellt noch verkauft. Ist sie damit aus dem Schneider?
Henning Strodthoff: Bayer hat das Aventis-Geschäft 2002 aufgekauft, um es selbst weiterzuführen. Damit haben sie auch die Verantwortung für die Aventis-Produkte übernommen. Aventis ins Spiel zu bringen, ist der müde Versuch, Schaden vom Bayer-Image abzuwehren.
Greenpeace Online: Mit Aventis verbindet sich auch ein anderer Gen-Pflanzen-Skandal ...
Henning Strodthoff: Richtig, der Gen-Mais StarLink, der im Jahre 2000 auf ungeklärte Weise in die Nahrungkette gelangte und damit einen großen Wirbel mit Rückrufaktionen verursachte. Schon damals haben wir gelernt, dass vereinzelte Funde von Verunreinigungen nur die Spitze des Eisberges sind. Und dass es enormen Aufwand und hohe Kosten verursacht, wenn man versucht, illegale Gen-Pflanzen wieder aus der Nahrungskette zu entfernen. Es ist sehr viel geschickter, dafür zu sorgen, dass so etwas erst gar nicht passieren kann. Das heißt in dem gegenwärtigen Fall, sich von dem Geschäft mit Gen-Reis zu verabschieden.
Greenpeace Online: Hat Bayer diese Lektion gelernt?
Henning Strodthoff: Keineswegs! Bei der EU läuft gerade ein Antrag auf Zulassung des Gen-Reises LL62 von Bayer. Wir fordern von der Bayer AG, aus dieser Technologie auszusteigen und auf deren Vermarktung zu verzichten. Bayer hingegen will, dass Verunreinigungen in Zukunft zulässig sind.
Greenpeace Online: Die Reaktionen auf diesen Gen-Reis-Skandal sind deutlich größer als bei anderen Gen-Pflanzen. Warum?
Henning Strodthoff: Reis gehört weltweit zu den sieben Hauptnahrungsmitteln der Menschen. Es ist das erste Mal, dass ein pflanzliches Produkt betroffen ist, das sich täglich auf vielen Tellern als Beilage oder Hauptmahlzeit wiederfindet.
Greenpeace Online: Welche Möglichkeit gibt es, sich vor Verunreinigungen durch Gen-Pflanzen zu schützen?
Henning Strodthoff: Wir fordern eine Datenbank für alle Gen-Pflanzen. Dort sollen alle Informationen zu der jeweiligen Pflanze abrufbar sein. Zusätzlich müsste dort Probenmaterial hinterlegt und verfügbar sein. Die Firmen müssten dort standardisierte Testverfahren veröffentlichen. Dann könnte man zum Beispiel viel einfacher feststellen, welcher Gen-Reis gerade für die Verunreinigungen verantwortlich ist und das ganze Ausmaß von Kontaminationen mit Gen-Pflanzen in unserer Nahrung feststellen. Bayer hat jedoch Laboren Referenzmaterial für den LL601-Gen-Reis verweigert. Damit wird die Überwachung der Nahrungskette unnötig erschwert!
Greenpeace Online: Wie kann sich der einzelne Konsument schützen?
Henning Strodthoff: Solange die Gefahr besteht, dass man Gen-Reis bekommt, sollte der Verbraucher auf Langkornreis aus den USA verzichten. Am besten im Supermarkt nachfragen, woher der Reis kommt. Und die Handelsketten sollten allen Langkornreis aus den USA vorsorglich aus den Regalen entfernen. Eine Alternative wäre Reis aus anderen Regionen der Welt als den USA oder China, denn auch chinesische Reisnudeln sind zum Teil mit gentechnisch-verändertem Reis verunreinigt. Und dann lieber Bio-Reis.
Greenpeace Online: Vielen Dank für das Gespräch.