Europäisches Patentamt entschied über Patente auf konventionelle Züchtungen
- Nachricht
Archiviert | Inhalt wird nicht mehr aktualisiert
Für den Präzedenzfall hielten Tomaten und Brokkoli her. Anhand des Gemüses entschied die Große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes (EPA): Pflanzen und auch Tiere, die konventionell gezüchtet wurden, dürfen patentiert werden. Die Patentierung von Verfahren zur konventionellen Züchtung und die Patentierung von Pflanzensorten hingegen ist laut dem Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ, Artikel 53 b) verboten.
Dieser in sich äußerst widersprüchliche Beschluss ist eine seit langem erwartete Grundsatzentscheidung. Das internationale Bündnis "Keine Patente auf Saatgut!", das von Greenpeace mitgegründet wurde, kritisiert die Entscheidung scharf. Die Mitglieder-Organisationen befürchten jetzt eine zunehmende Monopolisierung der Tier- und Pflanzenzüchtung.
Christoph Then, Koordinator des Bündnisses "Keine Patente auf Saatgut!“ und Patentberater von Greenpeace, erklärt, was es mit der Grundsatzentscheidung auf sich hat – und warum das EPA trotzdem nicht unbedingt das letzte Wort in dieser Sache haben muss.
Greenpeace: Warum dürfen Patente erteilt werden auf konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere, nicht jedoch auf die Züchtungsverfahren für sie?
Christoph Then: Laut europäischem Patentrecht ist eigentlich beides verboten: Die Patentierung von Pflanzensorten und auch die von im Wesentlichen biologischen Verfahren zur Züchtung. Gegen beide Verbote wird hier verstoßen: Der Brokkoli ist das Ergebnis von konventioneller Züchtung. Das bedeutet, er entstand durch Kreuzung und Selektion. Außerdem besitzt er die Merkmale einer Sorte. Patentiert wurden die Pflanzen, deren Saatgut und daraus gewonnene Lebensmittel.
Nach der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes sind diese Ansprüche jetzt bestätigt. Das ist ein glatter Bruch des Patentrechtes.
Warum kann das Europäische Patentamt überhaupt etwas patentieren, das eigentlich gesetzlich verboten ist?
Das EPA versteht sich als Dienstleister der Industrie. Es wird für die Erteilung von Patenten bezahlt. Deshalb half es der Industrie in den vergangenen Jahren immer wieder dabei, bestehende Verbote zu umgehen. Leider gibt es kein unabhängiges Gericht, das man hier anrufen könnte – das Patentamt, das die Gesetze kontrollieren sollte, ist selbst Teil der Profit orientierten Industrie. Der einfache Trick, der hier immer wieder angewandt wurde, liegt in der Auslegung der Gesetze.
Dabei haben Greenpeace und andere Organisationen immer wieder Einspruch gegen Patente auf Pflanzen und Tiere eingelegt, zum Teil mit Erfolg. Es kann aber nicht die Aufgabe von Umweltschutz- und Bauernorganisationen sein, jedes einzelne Patent zu bekämpfen. Die Entscheidung des EPA macht erneut klar, dass das Problem nur von der Politik gelöst werden kann.
Was bedeutet die nun festgelegte Patentierbarkeit von Pflanzen und Tieren für Landwirte und Verbraucher?
Hier werden nicht irgendwelche Technologien, sondern Saatgut und Lebensmittel patentiert. Das bedeutet: Der Patentinhaber oder Lizenznehmer – in diesem Falle Monsanto – hat das exklusive Recht, zu züchten und zu verkaufen. Da immer mehr derartige Patente angemeldet und erteilt werden, geraten Landwirte, Lebensmittelhersteller und Verbraucher in die Abhängigkeit der Konzerne. Mittelfristig wird es kein Saatgut und kein Gemüse mehr geben, das nicht patentiert ist.
Parallel zu den Patenten werden immer mehr Saatgutfirmen von Unternehmen wie Monsanto aufgekauft. Drei Konzerne – Monsanto, Dupont und Syngenta – kontrollieren schon jetzt etwa 50 Prozent des weltweit gehandelten Saatguts. Es gibt also irgendwann keine wirkliche Auswahlmöglichkeit mehr. Dann entscheiden Monsanto und Co., was gezüchtet, angebaut und gegessen wird – und was es kostet.
Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag festgelegt, sich für ein Verbot von Patenten auf Pflanzen und Tiere einzusetzen. Das scheint nun dringend nötig zu sein. Was kann die Regierung tun?
Der zuständige Bundesjustizminister Heiko Maas muss jetzt handeln. Es gibt nur ein kurzfristig wirksames Kontrollgremium für das EPA: Den Verwaltungsrat des Amtes, in dem die Repräsentanten der 38 Mitgliedsländer sitzen. Dort muss der Bundesjustizminister über seine Repräsentanten tätig werden, um diese interessengeleitete Auslegung des Patentrechtes zu korrigieren. Der Verwaltungsrat kann zwar nicht die Gesetze ändern, aber er kann ihre Auslegung kontrollieren. Genau das ist jetzt gefragt.
Zudem muss man über die EU gehen und die Lücken in den gesetzlichen Bestimmungen schließen. Denn die tragen dazu bei, dass die bestehenden Verbote so leicht umgangen werden können. Die EU hat 1998 eine Patentrichtlinie (98/44 EC) verabschiedet, die vom EPA angewandt wird. Es ist die Aufgabe der EU Kommission und der Mitgliedsländer, eine Initiative zu starten, um die offensichtlichen Mängel dieser Richtlinie zu beseitigen. Kurz gesagt: Die Bundesregierung kann da viel machen – bis jetzt war sie aber untätig.