Neue Forschungen stellen Risikobewertung von Gen-Pflanzen infrage
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Gen-Pflanzen reagieren auf Umweltstress sensibler als bisher angenommen. Die Umweltrisiken, die dabei von ihnen ausgehen, sind unkalkulierbar – das zeigen aktuelle Forschungen.
Bevor Gen-Pflanzen auf den Acker dürfen und als Lebens- oder Futtermittel zugelassen werden, müssen sie sich einer Risikobewertung stellen. Das ist schon seit Jahren so, und ebenso lange hält die Kritik am Bewertungsverfahren an. Nun erhalten die Kritiker neue Nahrung. Denn eine aktuelle wissenschaftliche Untersuchung zeigt, dass Gen-Mais sehr empfindlich auf schwankende Umweltbedingungen reagiert.
Um das nachzuweisen, analysierten Forscher verschiedene Sorten des Gen-Maises Mon810. Der Mais ist derart verändert, dass er ein Insektengift (ein sogenanntes Bt-Toxin) produziert. Dieses soll die Pflanzen unempfindlich gegen bestimmte Schädlinge machen. Das Konzept ist von Grund auf fragwürdig: Der Gen-Mais produziert sein Gift nämlich immer und in allen Pflanzenteilen – unabhängig davon ob überhaupt ein Schädlingsbefall vorliegt. Alle Organismen, die mit dem Mais in Berührung kommen, geraten daher auch in Kontakt mit seinem Gift. Das gilt für nützliche Insekten und auch für alle anderen Tiere im Agrarökosystem, die das Gift über die Nahrungskette aufnehmen.
Gefahr für Umwelt und Menschen ist nicht zu beurteilen
Nun fanden die Forscher heraus, dass die Menge gebildeten Giftes in der Pflanze abhängig von Umweltbedingungen und der Maissorte schwankt: Eine Mon810-Sorte produzierte in Versuchen bei Kälte und Feuchtigkeit deutlich mehr Gift, eine andere reagierte nur wenig auf den Stress.
„Keine Risikobewertung der Welt ist in der Lage, vorherzusagen wie Bt- Pflanzen in der Praxis auf Stress und Veränderungen reagieren“, sagt Dirk Zimmermann, Agrarbiologe und Greenpeace-Experte für Landwirtschaft. „Es ist daher unmöglich, die Gefährdung von Umwelt und Menschen exakt zu beurteilen. Der Anbau des Gen-Maises Mon810 birgt ein unverantwortliches Risiko, und die anstehenden Zulassungen weiterer Bt-Pflanzen dürfen angesichts der neuen Erkenntnisse erst recht nicht erfolgen.“
Denn die von den Pflanzen produzierten Gifte befinden sich auch im Erntegut. Und da der Mais als Lebens- und Futtermittel zugelassen ist, kann das Gift auch auf unseren Tellern landen; Langzeitstudien zu gesundheitlichen Risiken beim Verzehr von Gen-Pflanzen gibt es nicht.
Dennoch ist der Anbau des Gen-Maises Mon810 in der EU grundsätzlich erlaubt; vor allem in Spanien wird er großflächig kultiviert. In Deutschland ist er allerdings wegen Umweltrisiken – etwa der Vergiftungsgefahr von „Nicht-Zielorganismen“ – derzeit verboten. Doch das umstrittene Gewächs befindet sich im Wiederzulassungsverfahren.
Auch der Gen-Mais 1507, dessen baldige Zulassung erwartet wird, bildet Bt-Toxine und ist mindestens ebenso giftig wie Mon810. Schon 2016 könnte der Anbau beider Gen-Pflanzen in Deutschland erlaubt sein.
Risiken von Gen-Mais werden neu bewertet
Derzeit verzögern sich die Zulassungsverfahren aufgrund einer weiteren Studie. Diese hatte Ende 2014 die mit der Bewertung von Gen-Pflanzen betraute Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) dazu veranlasst, der Europäischen Kommission eine Neubewertung der von Gen-Mais ausgehenden Risiken vorzuschlagen. Denn die Studienergebnisse zur Verbreitung von Maispollen in der Umwelt zeigen, dass die Pollen zum Teil viele hundert Meter weit fliegen – sie ließen sich noch in viereinhalb Kilometern Entfernung zum Feld nachweisen. Die EFSA war bisher davon ausgegangen, dass 30 Meter Abstand von Gen-Mais-Äckern konventionelle Maisfelder ausreichend schützt.
Bis zum 31. Mai dieses Jahres wird das Ergebnis der Neubewertung erwartet. Unklar ist, wie die Kommission mit dem Fall umgeht. „Unter diesen Voraussetzungen muss die Anbauzulassung für 1507 erst recht in der Schublade bleiben“, so Greenpeace-Experte Dirk Zimmermann. „Die neuen Befunde stellen nicht nur die Koexistenzfähigkeit von Gen-Mais grundlegend infrage. Gen-Mais ist offensichtlich noch gefährlicher als angenommen – nicht nur für die gentechnikfreie Landwirtschaft, sondern auch für Organismen, die mit dem Pollen von Gen-Mais in Kontakt kommen.