Phosphatdünger: Agrarchemie mit tödlichen Nebenwirkungen
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Die industrialisierte Landwirtschaft ist nicht nur auf Pestizide angewiesen. Agrochemikalien werden auch in Form synthetischen Düngers auf unseren Äckern eingesetzt. Neben Stickstoff ist Phosphor ein essentieller pflanzlicher Nährstoff und wird daher in großen Mengen ausgebracht.
Umweltgefährdung durch Überdüngung kann die Folge dieses massenhaften Einsatzes sein. Bei großen Phosphat-Einträgen in Gewässer kann es zu sogenannter "Algenblüte", einer Massenentwicklung von Algen mit tödlichen Folgen für Seen und Meere, kommen. Immer mehr "Todeszonen" bedrohen das Leben in den Weltmeeren.
Schon die Produktion von Phosphatdünger birgt Risiken und Gefahren. Greenpeace hat diese unlängst in China dokumentiert. Das Land hat seine Landwirtschaft mit großem Aufwand industrialisiert und mittlerweile einen Anteil von 34 Prozent am weltweiten Bedarf für Phosphor-Düngemittel. Die meisten werden im Land selber produziert. Dabei fällt als unbrauchbares Nebenprodukt der sogenannte Phosphorgips an. Dieser enthält zahlreiche giftige Verunreinigungen wie Fluorid und Schwermetalle, die aus den meist offen unter freiem Himmel aufgeschütteten Gipshalden entweichen können und damit Umwelt und Gewässer massiv belasten können. Je näher das Problem dem Menschen kommt, desto gefährlicher wird es auch für die menschliche Gesundheit – und in China könnte der Phosphorgips der Bevölkerung kaum näher sein: in der Provinz Sichuan im Südwesten des Landes leben die Menschen in unmittelbarer Nähe zu gigantischen Phosphorgips-Lagerstätten. 20 Meter hohe Halden türmen sich direkt neben Siedlungen auf. Aus ihnen sickern giftige Flüssigkeiten, die nach Greenpeace-Untersuchungen die Grenzwerte für Fluorid um das 7-Fache überschreiten. In insgesamt neun untersuchten Proben Phosphorgips aus den Produktionsstätten unterschiedlicher Düngemittelhersteller fand Greenpeace außerdem Arsen, Cadmium, Chrom, Quecksilber und andere Schwermetalle. Alle Ergebnisse der Greenpeace-Untersuchungen finden sich im Report Living with Danger.
Nicht nur die Konzerne verweigern die Verantwortung – auch die lokalen Regierungen bleiben untätig und versagen beim Schutz der Bevölkerung. In seiner Verzweiflung hat ein Teil der Anwohner begonnen, selber Hand anzulegen und die Abfälle selbst zu beseitigen. Der Versuch dürfte kaum tauglich sein, des Problems Herr zu werden. Er setzt die Menschen einem nochmals erhöhten Risiko aus – und sendet dennoch eine unmissverständliche Botschaft.
Die Realität in China macht eine Problematik deutlich, die auch die europäische Landwirtschaft betrifft: Unsere Kulturpflanzen hängen am Tropf der agrarchemischen Industrie. Ohne mineralische Düngung und umfangreiche Pflanzenschutzmaßnahmen wäre unsere Agrarproduktion kaum denkbar. Kollateralschäden wie die bei der Produktion von Phosphordünger sind nur die Spitze des Eisbergs: Böden degradieren, Umwelt, Artenvielfalt und Klima leiden. Und das System ist auch ökonomisch nicht nachhaltig, es verbraucht in immer größerem Maße endliche Ressourcen. Zu diesen gehört auch Phosphor, neben dem "Peak Oil" (dem globalen Ölfördermaximum) spricht man in landwirtschaftlichen Zusammenhängen deshalb auch von "Peak Soil" und "Peak Phosphor". Die exakte Menge der noch auszubeutenden Phosphorreserven ist zwar nicht bekannt, Schätzungen zufolge könnten sie jedoch in 100 Jahren erschöpft sein. Das ganze Dilemma der Phosphor-Abhängigkeit der Landwirtschaft beleuchtet der Greenpeace-Report Phosphorus in agriculture. Er zeigt aber auch Lösungen auf: im Ökolandbau werden Ressourcen geschont und Rohstoffe in Kreisläufen genutzt. Dies ist auch im Falle von Phosphor möglich. Ökologische Landwirtschaft funktioniert damit im wahrsten Sinne des Wortes nachhaltig und stellt konsequent umgesetzt eine "Win-Win-Situation" für Landwirt und Umwelt dar – gefährdet werden nur die Umsätze der Agrochemie-Industrie.