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Tatsache ist, dass indische Biobaumwolle in geringem Umfang mit Gentechnikbaumwolle verunreinigt war und schludrige Zertifizierer diese Ware nicht so sauber kontrolliert hatten, wie es nötig ist. Deren Kontrollen sind das erste Nadelöhr, das die Biobaumwolle - und damit die späteren Textilien - passieren muss. Diese Inspekteure müssen sorgfältig arbeiten, um die Glaubwürdigkeit der Mode und letztendlich der ganzen Branche zu sichern.
Gut ist: Der holländische Zertifizierer Control Union wurde bei Schludrigkeiten erwischt und mit einer Geldstrafe belegt. Das belegt, dass schwarze Schafe auffliegen und die Biobranche genau hinguckt. Schlecht ist aber, dass die Öffentlichkeit über diese Schludrigkeiten und das Fehlverhalten nicht ausreichend informiert wurde. Verbraucher haben ein Recht zu erfahren, ob die Ware die sie kaufen, auch hält, was sie verspricht.
In einer Zeit, in der der Markt für Kleidung aus Biobaumwolle rasant wächst, musste man leider befürchten, dass es zu Mauscheleien kommt. Das hat es in den Anfängen der Biolebensmittelerzeugung vor 30 Jahren auch hierzulande gegeben und wurde erfolgreich durch bessere Kontrollen und klare Vorgaben bekämpft. Der jetzige Vorfall ist ein Zeichen für den derzeitigen Ökotextil-Boom, bedeutet aber nicht automatisch Betrug im großen Stil.
Ein solcher Einzelfall darf nicht die ganze Branche diskreditieren, denn natürlich sind solche Schummeleien nicht die tägliche Praxis - weder in Indien noch in der Türkei, wo das Gros des cleanen Rohstoffes herstammt, noch sonstwo. Obendrein gilt: Textilien aus Biobaumwolle - ob nun zu 98 Prozent oder zu 100 Prozent bio, sind in jedem Fall die bessere Alternative als ihr konventionell gepäppeltes Pendant. Denn Biobaumwolle wurzelt auf giftfreien Äckern.
Die Biobranche ist mit der Biobaumwolle in erster Linie angetreten, dem massiven Einsatz von Spritzmitteln auf Baumwolläckern ein Ende zu bereiten. Auf knapp vier Prozent der weltweiten Ackerfläche werden rund ein Viertel der weltweit eingesetzten Insektizide gespritzt - das ist der eigentliche Skandal. Diese massive Gifteinsatz ruiniert die Gesundheit derer, die sie spritzen und derjenigen, die in der Nähe der Felder leben. Biobaumwolle schont dagegen Mensch und Umwelt.
Natürlich gibt es auch Unterschiede in der Branche, je nachdem ob nur Geschäftssinn oder auch Gesinnung die Firmen treibt. Diejenigen Ökomode-Anbieter, die lange im Geschäft sind, kennen jeden ihrer Bauern, von dem sie Biobaumwolle beziehen. Seit Jahren. Und sie kontrollieren bereits auf dem Acker akribisch, ob die Ware wirklich sauber ist. Neben Giftfreiheit testen sie auch mit sogenannten DNA-Sticks, ob die Ware gentechnikfrei ist und nicht etwa genverändertes Saatgut ausgesät wurde.
Das machen die neu eingestiegenen großen Ketten anscheinend nicht vergleichbar sorgfältig. Damit ruinieren sie den Ruf der gesamten Branche, denn für die Kunden ist schwer zu unterscheiden, wem sie wahrlich trauen können.
Sicher ist: Einmal mehr muss die Bio-Branche sicherstellen, dass die Zertifizierer penibel arbeiten und nicht für zahlungskräftige große Textilketten ein Auge zudrücken. Gerade in Indien ist das nötig, denn hier liegen die Bioäcker genau neben denen, die mit Gentechnik angebaut werden. So erklärt sich auch, wieso es gerade in Produkten aus Indien zu den Kontaminationen kommen konnte. Bereits beim Anbau können Pollen von Genäckern auf Bioäcker fliegen oder durch Insekten übertragen werden. Auch gibt es keine so strengen Abstandsregelungen wie bei uns zwischen Genäckern und Bioäckern. Verunreinigungen können zudem bei der Ernte auf den Feldern, auf den Sammelplätzen der Rohbaumwolle, beim Transport der Ware und bei der Verarbeitung in den Spinnereien und Färbereien passieren.
In Baumwoll-Rohprodukten und wenig verarbeiteten Produkten kann über DNA-Analysen geprüft werden, ob es zu Gen-Kontaminationen gekommen ist. In stark verarbeiteten Endprodukten wie Jeans oder Baumwollhemden ist die DNA weitgehend zerstört, ein Nachweis daher nicht mehr möglich.
Dass es gerade bei indischer Ware zu Gentech-Kontaminationen kommen kann ist lange bekannt und wird als Problem von der Biobranche diskutiert. Schade wäre, wenn ein Journalist und ein aufgebauschter Fall der ganzen Branche schaden und die Kunden jetzt wieder auf konventionelle Billigware umsteigen würden, weil sie Ökofrust schieben. Denn jeder Bioacker mehr auf der Welt ist wahrlich gut. Und jedes Bioshirt eine richtige Entscheidung.
Um den Verbrauchern Sicherheit zu bieten, ist jetzt vor allem die Politik gefragt. Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner mag wortreich die Täuschung der Verbraucher beklagen, sie hat aber den Wildwuchs bei den Siegeln für ökologisch und ethisch einwandfreie Mode bislang billigend in Kauf genommen. Gebot der Stunde sind deshalb einheitliche Standards und ein gesetzlich geschütztes Siegel für Ökomode. Hier Klarheit zu schaffen hat die Verbraucherministerin bisher versäumt.
Bei der Kaufentscheidung hilft Ihnen übrigens die Textil-Fibel 3, erhältlich beim Greenpeace-Magazin.
(Autoren: Martin Hofstetter, Kirsten Brodde)