Greenpeace und Bauern fordern vorm Bundeskanzleramt faire Preise
- mitwirkende Expert:innen Matthias Lambrecht
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Schweine-Schnitzel für 3,29 Euro, Schinken-Gulasch für 2,29 Euro oder frische Bratwurst für 1,99 Euro: Ein Blick auf die aktuellen Angebote in den Wochenend-Prospekten der Supermarktketten zeigt, dass Fleisch zur Ramschware geworden ist. Für die Handelskonzerne ist das Billigfleisch im Wettbewerb um Marktanteile zum wohlfeilen Lockmittel geworden. Heute protestieren Aktivistinnen und Aktivisten von Greenpeace deshalb gemeinsam mit Bäuerinnen und Bauern der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) vor dem Kanzleramt in Berlin. Sie fordern eine faire Bezahlung nachhaltig erzeugter Lebensmittel durch den Einzelhandel und verlässliche politische Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft zum Schutz von Tieren, Umwelt und Klima. Der Anlass: Die Bundeskanzlerin hat Vertreterinnen und Vertreter der großen Supermarktketten sowie Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) ins Kanzleramt geladen. Thema sind u.a. die Dumpingpreise des Handels.
„Billigfleisch kostet uns die Zukunft“ steht auf einem 2,5 mal 6 Meter großen Banner, das die Aktivistinnen und Aktivisten mit einem Traktor vor den Regierungssitz gezogen haben. Denn das Ködern der Kundschaft mit Kotelett und Kassler zu Dumpingpreisen hinterlässt schwere Schäden für Tiere und Umwelt, für die keine der großen Handelsketten aufkommt. Diese Geiz-ist-Geil-Strategie baut auf eine vielfach tierquälerische Intensivhaltung, die Umwelt und Klima mit Gülleflut und Treibhausgasemissionen belastet. Zugleich halten immer weniger landwirtschaftliche Betriebe dem anhaltenden Preisdruck stand. Jahr für Jahr müssen rund 4000 Höfe aufgeben, meist kleine und mittlere Betriebe, darunter viele Tierhalter.
Billigfleisch aus dem Sortiment nehmen
In den vergangenen Wochen hat Merkel erklärt, dass die regionale Versorgung mit Lebensmitteln nur möglich sei, wenn die Landwirte dabei auch angemessene Preise erzielen können. Die Greenpeace-Aktiven und die Landwirte wollen die Kanzlerin beim Wort nehmen. „Die Bundesregierung muss den Handel dazu bringen, auf Billigpreis-Werbung für Lebensmittel zu verzichten. Wir brauchen einen Qualitäts-Wettbewerb mit fairen Preisen, um ein möglichst breites Angebot an hochwertigen Produkten liefern zu können“, sagt Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der AbL. „Die Produktion von Billigfleisch und Milch zu Weltmarktpreisen drängt die Bauern wirtschaftlich und gesellschaftlich ins Aus.“
„Die Supermarktketten dürfen ihre Marktmacht nicht länger missbrauchen, um rücksichtsloses Preisdumping auf Kosten von Landwirten, Tieren, Umwelt und Klima durchzusetzen“, sagt Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Dirk Zimmermann „Edeka, Aldi und Co. müssen endlich aufhören, Fleisch zu verramschen.“ Greenpeace fordert den Handel auf, das Fleisch der niedrigsten zwei Haltungsformen aus den Regalen zu nehmen. Zugleich brauchen die Erzeuger aus der Landwirtschaft langfristige Abnahmegarantien des Handels, um ihre Haltung so umzustellen, dass sie das Angebot an Fleisch aus den besseren Haltungsformen 3 und 4 aufstocken können (Überblick Fleisch-Kennzeichnung).
88 Prozent des Fleischs aus schlechter Tierhaltung
Zwar loben sich die Supermarktketten gern dafür, dass sie seit gut einem Jahr eine freiwillige Haltungskennzeichnung eingeführt haben. Ganz so freiwillig war dieser Schritt allerdings nicht: Lidl, Aldi, Rewe und schließlich auch Edeka konnten sich zu diesem Schritt erst entschließen, nachdem Greenpeace-Aktivistinnen und Aktivisten mit wiederholten Protesten vor Filialen der großen Ketten mehr Transparenz für Verbraucherinnen und Verbraucher eingefordert hatten. Und bislang machen Fleischprodukte der Kategorien 3 und 4, die eine tiergerechte Haltung kennzeichnen, nur ein verschwindend kleiner Teil des Angebots in den Truhen der Märkte aus. Einer aktuellen Abfrage von Greenpeace beim Handel zufolge stammen im Schnitt 88 Prozent der Frischfleisch-Eigenmarken in Supermärkten aus qualvoller, häufig gesetzeswidriger Haltung.
Bessere Tierhaltung gezielt fördern
Doch öffentlichkeitswirksame Gespräche im Kanzleramt oder Appelle, die folgenlos verhallen, reichen nicht. Die Bundesregierung ist in der Pflicht, die Dumpingpreisstrategie beim Fleisch auf Kosten Dritter wirksam zu unterbinden. Dazu gehört die Verpflichtung, Verbraucherinnen und Verbraucher umfassend über die Bedingungen der Tierhaltung zu informieren. Nur dann haben sie beim Einkauf im Supermarkt ebenso wie im Restaurant eine echte Wahl. Von der Bundeslandwirtschaftsministerin erwartet Greenpeace, eine verpflichtende Kennzeichnung der Tierhaltung auf allen Fleischprodukten durchzusetzen, statt sich mit einem nur freiwilligen Label auf Frischfleisch weiter vor ihrer politischen Verantwortung zu drücken.
Und es ist höchste Zeit für eine Haltungsverordnung, die geltendem Tierschutzrecht entspricht. Viele landwirtschaftliche Betriebe wird diese überfällige Kurskorrektur einer seit Jahrzehnten fehlgeleiteten Politik vor große Herausforderungen stellen. Die Bundesregierung darf sie dabei nicht allein lassen. Um den Umbau der Tierhaltung in Deutschland gezielt zu fördern, hat Greenpeace die Einführung einer zweckgebundenen Tierwohl-Abgabe auf tierische Produkte vorgeschlagen. Mit den Einnahmen könnten Landwirtinnen und Landwirte unterstützt werden, die investieren, um die Haltungsbedingungen in ihren Ställen zu verbessern. Dafür gibt es großen gesellschaftlichen Rückhalt: Eine überwältigende Mehrheit von 85 Prozent der Bundesbürger wäre laut einer repräsentativen Umfrage bereit, eine Abgabe auf Fleisch zu zahlen, wenn die Einnahmen zielgerichtet zur Verbesserung des Tierwohls eingesetzt werden. „Aufgabe der Politik ist es, die Voraussetzungen für eine gesellschaftlich akzeptierte bäuerliche Landwirtschaft zu schaffen, die wertvolle Lebensmittel erzeugt und gleichzeitig Tier-, Umwelt- und Klimaschutz ernst nimmt“, sagt AbL-Geschäftsführer Janßen.
Autor: Matthias Lambrecht, Pressesprecher Greenpeace Deutschland
Supermarkt-Check - Regale voller Billigfleisch.
Anzahl Seiten: 6
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