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Das Ministerium lehnte den Antrag im Juli 2006 unter Hinweis auf das Informationsfreiheitsgesetz ab. Demnach dürften die Namen der betreffenden Personen oder Unternehmen ohne deren Einwilligung nicht mitgeteilt werden. Außerdem sei das Ministerium für die Subventionsvergabe gar nicht zuständig, sondern sammele nur diese Daten aus den einzelnen Bundesländern und leite sie dann an die EU weiter. Das Ministerium sei also nur Überbringer, ihm fehle es juristisch an einer Verfügungsberechtigung über die Daten, so dass der Antrag an jedes einzelne Bundesland gerichtet werde müsse.
Gegen diese Entscheidung des Ministeriums hat Greenpeace erfolgreich geklagt: Das Verwaltungsgericht hat entschieden, dass das weiterreichende Umweltinformationsgesetz anzuwenden sei, auf das der Antrag gleichfalls gestützt wurde. Nach Überzeugung des Gerichts könne sich die Vergabe von Agrarsubventionen sehr wohl auf die Umwelt auswirken. Hier sei der weiten Auslegung des Begriffs Umweltinformationen zu folgen, die durch Urteile des Europäischen Gerichtshofes, des Bundesverwaltungsgerichts sowie die zugrunde liegenden europarechtlichen Regelungen vorgegeben werde. Damit wurde die ablehnende Entscheidung der Behörde aufgehoben.
Die anonymisierten Daten müssen auf jeden Fall zur Verfügung gestellt werden. Bei den 20 Spitzenempfängern aus jedem Bundesland muss die Behörde jetzt alle Betroffenen anhören, um entscheiden zu können, ob sie ein berechtigtes Interesse haben, ihren Namen geheim zu halten oder ob in diesem Fall das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiegt.
Dies ist ein großer Erfolg für Greenpeace, kommentiert Dr. Manfred Redelfs das Urteil, Recherche- und Kommunikationsexperte bei Greenpeace. Wir setzen uns seit Jahren dafür ein, dass endlich bekannt wird, wer eigentlich von den sechs Milliarden Agarsubventionen allein in Deutschland profitiert. Das Gericht hat dem Landwirtschaftsministerium, das sich energisch weigert, uns die Zahlungsempfänger bekannt zu geben, einen klaren Denkzettel verpasst. Es stellt eindeutig fest, dass die Öffentlichkeit bereits heute ein Recht darauf hat, mehr über die Empfänger von Agrarsubventionen zu erfahren.
Die deutsche Weigerung, mehr Transparenz im Subventionsdschungel herzustellen, findet aufgrund von Vorgaben der Europäischen Union ohnehin bald ein Ende: Zum 30. April 2009 wird Deutschland verpflichtet, alle Empfänger von Agrarsubventionen mit Namen und Zahlungshöhe im Internet zu veröffentlichen. Diese Vorgabe aus Brüssel, gegen die sich Deutschland lange gewehrt hatte, ist auch das Ergebnis zunehmenden öffentlichen Drucks auf die Agrarkommission. Wie Greenpeace hatten auch andere NGOs die Offenlegung gefordert.
{image_r}Nachdem viele europäische Nachbarländer die Zahlungen publiziert hatten, musste Deutschland seine Blockadehaltung aufgeben. Allerdings kommt die Veröffentlichung im Frühjahr 2009 zu spät für die jetzt laufende Reformdebatte zur europäischen Agrarpolitik, den sogenannten Health Check: Da momentan an einer Neuausrichtung der Förderung gearbeitet wird, wäre es eigentlich überfällig, schon zum jetzigen Zeitpunkt die Nutznießer der alten Politik zu kennen. Dieser Hintergrund erklärt die grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits, den Greenpeace gegen das Ministerium geführt hat.
Das Urteil ist aber auch wichtig für die Fortentwicklung des Umweltrechts, wie Manfred Redelfs betont: Mit dieser Entscheidung wird klargestellt, dass auch Auskunftsbegehren über Agrarsubventionen unter das Umweltinformaitonsgesetz fallen - und nicht nur unter das restriktivere Informationsfreiheitsgesetz. Für zukünftige Rechtsstreitigkeiten spielt es eine entscheidende Rolle, dass der weite Begriff der Umweltinformation zunehmend Eingang in die Rechtsprechung findet. So werden die Informationsrechte von Bürgern und NGOs entscheidend gestärkt.
Bisher haben erst einige Bundesländer in Deutschland auf Antrag von Journalisten und NGOs Daten zu den Subventionsempfängern veröffentlicht. In Nordrhein-Westfalen stellte sich z.B. heraus, dass auch der Stromkonzern RWE zu den Spitzenempfängern zählt. Er bezieht Agrargelder für die Rekultivierung von Braunkohletagebauen.
Greenpeace hat aufgedeckt, dass es vor allem bei den Agrarexportsubventionen aufgrund der Geheimhaltung der Zahlungen zu skurrilen Mitnahmeeffekten kommt: So kassiert die Lufthansa Agrarexportsubventionen für das Catering an Bord der Flieger, soweit die Flüge aus dem Gebiet der EU herausführen. Der Zigarettenhersteller Philip Morris hat jahrelang Agrargelder für die Beimischung von Zucker in der Zigarettenproduktion erhalten.
Diese Zahlungen sind vielleicht formal legal, aber sie sind nicht legitim, kommentiert Manfred Redelfs. Nur wenn offen gelegt wird, wer sich alles aus diesen Milliardentöpfen bedient, kann man überprüfen, ob die Mittel wirklich sinnvoll ausgegeben werden und die richtigen Empfänger erreichen, die die Umwelt schonen und Arbeitsplätze schaffen. Die jetzige Geheimhaltungspraxis ist eine Einladung zum Missbrauch.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln ist noch nicht rechtskräftig. Möglicherweise wird das Bundeslandwirtschaftsministerium Berufung einlegen. Das Aktenzeichen lautet: Az: 13 K 5055/06.