Bei Wetterextremen haben Wälder eine wichtige Schutzfunktion
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Anlässlich der Flut im Ahrtal mahnt Greenpeace, Schutzwälder in Mittelgebirgen auszuweisen.
Naturnahe Wälder in Mittelgebirgen sind wichtig, um die Folgen von Starkregen zu mildern. Das zeigt die Auswertung von Satellitenbildern durch die Naturwald Akademie im Auftrag von Greenpeace. Dabei analysiert der Wissenschaftler Dr. Torsten Welle die Kahlflächen im Wald um das Ahrtal und den Nebenflüssen der Ahr. Greenpeace spricht mit ihm und dem hausinternen Wald-Experten Christoph Thies.
Greenpeace: Herr Welle, zu welchen Erkenntnissen sind Sie bei der Analyse des Ahrtals gekommen?
Torsten Welle: Wir konnten feststellen, dass 0,6 Prozent des Waldes größere geräumte oder kahle Waldflächen in mittlerer bis steiler Hanglage sind. In den Nadelwäldern, die ohnehin weniger Wasser speichern und zurückhalten können, sogar 1,4 Prozent. Solche Kahlflächen können langfristig fatale Folgen bei Starkregen haben. Bewaldete Hänge weisen eine deutlich höhere Stabilität auf und können uns vor den Folgen von Wetterextremen schützen. Die Flutkatastrophe vom Ahrtal ist auch eine Erinnerung, dass Wälder neben der der reinen Holzproduktion noch wesentlich wichtigere Ökosystemleistungen, wie zum Beispiel die Schutzfunktion, bereitstellen.
Greenpeace: Christoph, was leitest du daraus ab?
Christoph Thies: Die von Torsten genannten Flächen im Wald – 0,6 Prozent und 1,4 Prozent – hören sich klein an, aber ihre Wirkungen sind groß. Grundsätzlich kann Starkniederschlag überall auftreten. Mittel- und Hochgebirgsregionen sind jedoch stärker betroffen. Bei Monokulturen und stark bewirtschafteten Wäldern ist der Boden sehr verdichtet und kann deshalb weniger Wasser aufnehmen.
Greenpeace: Herr Welle, Sie sprechen von sogenannten Schutzwäldern. Was kann man sich darunter genau vorstellen?
Torsten Welle: Im Alpenraum ist das Konzept des Schutzwaldes weit verbreitet. Dort schützen natürliche Wälder in Hanglage die Dörfer im Tal vor Lawinen und Steinschlag, aber auch vor Hochwasser und Überschwemmungen. Durch die Klimakrise vermehrte Starkregen sind längst Realität in Deutschland. Gesunde Wälder in steilen Hanglagen bilden eine natürliche Barriere. Durch sie kann Wasser auch nach starken Regenfällen versickern und abfließen, ohne den Hang mit sich zu reißen. Das verzweigte Wurzelwerk nimmt viel Wasser durch den Boden auf.
Wenn es um Klimaanpassung und Katastrophenschutz geht, nehmen Wälder eine wichtige und vielseitige Rolle ein.
Greenpeace: Was heißt das für den konkreten Fall von Starkregen?
Christoph Thies: Natürlich ist das nur ein Baustein im Katastrophenschutz. Die Wälder in den deutschen Mittelgebirgen, wie eben im Ahrtal, aber auch zum Beispiel im Harz, können aber eine wichtige Schutzfunktion einnehmen, um die Auswirkungen der Extremwetter abzuschwächen. Damit Wälder ihre Schutzfunktion voll entfalten können, brauchen wir den politischen Willen sie besser zu schützen und schonender zu bewirtschaften.
Greenpeace: Wie könnte das aussehen?
Christoph Thies: Die Landesregierungen müssen jetzt vorausschauend handeln und Wälder in steilen Hanglagen größtenteils unter Schutz stellen. Regionale Schutzwälder sollten offiziell ausgewiesen werden. Im Einzugsgebiet der Ahr und seinen Nebenflüssen sind knapp die Hälfte der Waldflächen an sehr steilen Hängen. Diese Wälder müssten unter Schutz stehen. Auch Kahlschläge oder die Räumung von Schadflächen mit schweren Maschinen müssen tabu sein. Totholz verbleibt besser an Ort und Stelle.In Mittelgebirgen muss die Schutzfunktion der Wälder im Vergleich zur Holzernte viel stärker honoriert werden.