Great Bear Rainforest endlich unter Schutz
Beharrlicher Einsatz führte letztlich zum Erfolg.
- Überblick
Chronik zum Erfolg: Für einen der letzten Küstenregenwälder der Erde hat sich die Hartnäckigkeit der Umweltverbände und Vertreter:innen der First Nations ausgezahlt: 2016 wird ein Großteil des Great Bear Rainforest geschützt.
Es war ein langer Weg: Nach fast 20 Jahren weltweiter Aktionen hat die Regierung von British Columbia sich endlich mit Greenpeace, Sierra Club British Columbia und ForestEthics sowie mehr als 20 First Nations und Forstfirmen darauf geeinigt, dass auf über drei Millionen Hektar des Great-Bear-Regenwaldes industrielle Holznutzung verboten ist.
Der Kampf um den Erhalt des uralten Waldes begann in den Neunzigerjahren. 2001 beschloss man einen ersten Einschlagstopp; bereits 2006 und 2009 konnten Teile des Great-Bear-Regenwaldes unter Schutz gestellt werden. Doch erst 2016 konnten sich alle beteiligten Interessengruppen auf ein umfassendes Schutzkonzept einigen, dass 85 Prozent der bewaldeten Fläche des Great-Bear-Regenwaldgebietes geschützt werden sollen.
1993 - Konflikte um Kanadas Urwälder
Schon seit Jahren schwelen Konflikte um die Kahlschläge im einzigartigen Great-Bear-Regenwaldwalds an der Westküste Kanadas. Es spitzt sich zu: Bei Protesten und Blockaden werden mehr als 900 Menschen im Waldgebiet Clayoquot Sound auf Vancouver Island festgenommen – unter ihnen der damalige Geschäftsführer von Greenpeace Deutschland, Thilo Bode. Die dramatische Abholzung erregt so international Aufmerksamkeit. Greenpeace protestiert vor der kanadischen Botschaft in Deutschland und Österreich.
1994 - Internationale Wald-Aktionen
Nur weniger als fünf Prozent des Great-Bear-Regenwaldes sind vor industriellem Holzeinschlag geschützt. Greenpeace informiert europäische, amerikanische und japanische Kunden über die katastrophale Situation vor Ort. Weltweit finden mehrere Aktionen zum Schutz der Regenwälder statt.
1996
Internationale Aufmerksamkeit
Nur weniger als fünf Prozent des Great-Bear-Regenwaldes sind vor industriellem Holzeinschlag geschützt. Greenpeace informiert europäische, amerikanische und japanische Kunden über die katastrophale Situation vor Ort. Diese zeigen sich besorgt über die Abholzung der einzigartigen Küstenregenwälder.
1997
Offizieller Kampagnenstart
Greenpeace und andere Verbündete beginnen offiziell die Kampagne zum Schutz des Great-Bear-Regenwaldes und werden gemeinsam mit den Nuxalk aktiv: Nach einer 21-tägigen Sitzblockade werden sechs Nuxalk und 18 weitere Demonstrierende für mehrere Wochen inhaftiert und erregen so internationale Aufmerksamkeit. Europäische Kunden beginnen daraufhin, Druck auf die Unternehmen auszuüben, die in die Zerstörung der Wälder involviert sind.
1998
Internationale Protestwelle
Greenpeace protestiert bei deutschen Firmen, die Holz und Zellstoff aus dem Great-Bear-Regenwald einkaufen, sowie mehrmals bei der Entladung kanadischer Zellstoff-Frachter. Eine deutsche Greenpeace-Aktivistin wird aufgrund ihrer friedlichen Proteste im Vorjahr in Kanada zu mehreren Wochen Haft verurteilt.
1999
Kunden werden hellhörig
Nachdem deutsche Kunden Lieferverträge im Wert von insgesamt 600 Millionen Dollar kündigen und der öffentliche Druck wächst, beteiligen sich wichtige Holzeinschlagsfirmen an einem von der Regierung British Columbias initiierten Planungsprozess. Im selben Jahr reist eine Delegation des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) sowie des Verbandes Deutscher Papierfabriken (VDP) gemeinsam mit Greenpeace nach Kanada, um die Einschlagsgebiete im Great-Bear-Regenwald zu besichtigen. Die Verbandsvertreter sind schockiert.
2000
Allianzen entstehen und „wütende Großmütter“ protestieren
Greenpeace und andere Umweltorganisationen tun sich zusammen und gründen das Rainforest Solutions Project (RSP). Die wichtigsten Forstunternehmen aus British Columbia gründen die Coast Forest Conservation Initiative (CFCI). Die First Nations organisieren sich in zwei größeren regionalen Zusammenschlüssen. Ende des Jahres reisen die Raging Grannies (zu Deutsch: wütende Großmütter) durch Deutschland, um gemeinsam mit Greenpeace bei deutschen Papierherstellern und Holzfirmen zu protestieren. Ihre 72-jährige Mitstreiterin war zuvor wegen friedlicher Proteste gegen die Zerstörung des Great-Bear-Regenwaldes inhaftiert worden.
2001
Der erste Meilenstein
RSP und CFCI vereinbaren einen Stillstand der Auseinandersetzungen. Die Firmen stimmen zu, zunächst in mehr als 100 ökologisch intakten Gebieten in der Region vom Holzeinschlag abzusehen. Im Gegenzug setzen die Umweltorganisationen ihre Marktkampagne gegen Mitglieder des CFCI aus. Beide Parteien wollen an Lösungsansätzen arbeiten, die auf wissenschaftlichen Forschungsergebnissen basieren. Diese sollen der Regierung British Columbias und den First Nations vorgeschlagen werden.
Auch die First Nations haben einen Verhandlungsprozess ins Leben gerufen, der sich mit der Beteiligung an Entscheidungsfindungs- und Gewinnbeteiligungsprozessen beschäftigt. Dem vorangegangen waren Anfang des Jahres zahlreiche friedliche Greenpeace-Proteste in Europa, Nordamerika, China und Japan: Blockaden von Holzfrachtern sowie Proteste bei Botschaften, Großhändlern und Holzlagern sollten Investoren und Kunden davon überzeugen, gegenüber ihren Holz- und Papierlieferanten das Ende der Zerstörung des Great-Bear-Regenwalds zu fordern.
2004
Wissenschaftliche Empfehlung
Ein von allen Parteien anerkanntes Team unabhängiger Wissenschaftler (CIT – Coast Information Team) präsentiert die Ergebnisse seiner wissenschaftlichen Untersuchungen und empfiehlt darauf aufbauend eine Reihe von Schutzmaßnahmen für den Great-Bear-Regenwald: 70 Prozent der natürlichen Ökosysteme der Region sollen geschützt werden. Gleichzeitig werden Kriterien für eine nachhaltige Forstwirtschaft – das sogenannte Ecosystem Based Management – vorgestellt.
2006
Schutzmaßnahmen nehmen Gestalt an
Am 7. Februar 2006 wird ein grundlegender Erfolg für den Great-Bear-Regenwald bekannt gegeben: Die Provinzregierung von British Columbia, Industrievertreter, mehrere First Nations sowie Greenpeace und andere Umweltorganisationen stimmen einem Schutzabkommen basierend auf den wissenschaftlichen Empfehlungen von 2004 zu. Dieses Abkommen ist der bisher größte Regenwald-Schutzplan in der Geschichte Kanadas. Über die Umsetzung des Abkommens wird jedoch weiter verhandelt. Durch das Abkommen sollen zunächst 1,8 Millionen Hektar Wald als Schutzgebiete ausgewiesen werden. Damit sind erst einmal rund 30 Prozent des Waldes geschützt. Auf einer zusätzlichen Fläche von 300.000 Hektar soll jegliche Forstwirtschaft verboten sein. Die Umsetzung der Maßnahmen soll bis 2009 erfolgen.
2007
Geburtsjahr des Coast Opportunity Fonds
Ein 120-Millionen-Dollar-Fonds (Coast Opportunity Funds) für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung und Schutzinitiativen für First-Nations-Gemeinden der Region wird etabliert.
2009
Weiteres Schutzabkommen
Ein weiterer wichtiger Meilenstein für den Schutz des Great-Bear-Regenwaldes ist erreicht: Bis zu 50 Prozent der Urwälder sollen geschützt werden. Die bereits 2006 beschlossenen Ziele und Maßnahmen werden für immer noch gültig erklärt und sollen innerhalb der kommenden fünf Jahre weiter umgesetzt werden.
2014
Umweltverbände und Industrie einigen sich auf letzte Schritte
Greenpeace und die Umweltschutzverbände Forest Ethics Solutions sowie der Sierra Club BC und Holzeinschlagsfirmen entwickeln Empfehlungen zur endgültigen Implementierung der bereits 2006 beschlossenen Maßnahmen und reichen diese bei den First Nations und der Regierung des Staates British Columbia ein.
2015
Auf der Zielgeraden
In finalen Verhandlungsrunden kommen First Nations, Greenpeace und andere Umweltschutzverbände sowie die Regierung British Columbias und Industrievertreter einer Einigung für ein endgültiges Schutzabkommen näher.
2016
Weltweit beispielhaftes Schutzabkommen
Das endgültige Schutzabkommen wird öffentlich gemacht: 85 Prozent der bewaldeten Landfläche des Great-Bear-Regenwaldes sind ab sofort vor der Säge sicher. Das Schutzgebiet umfasst insgesamt mehr als drei Millionen Hektar – eine Fläche größer als Belgien. Diese weltweit beispielhafte Vereinbarung zum Waldschutz beinhaltet Maßnahmen, die den Erhalt des Ökosystems und damit des Lebensraums seltener Arten wie des Kermode-Bären (White Spirit Bear) oder Küstenwolfs sichern sollen. Die First Nations bekommen mehr Mitbestimmungsrechte in ihren Gebieten.
Mehr Schutzgebiete sind nötig
Der Schutz des Great-Bear-Regenwaldes an der Westküste Kanadas ist international beispielhaft. Doch Hieke mahnt: „Wenn wir die in Paris vereinbarten internationalen Klimaziele erreichen wollen, brauchen wir weltweit mehr Schutzgebiete in Wäldern. Zudem benötigen wir eine ökologisch und sozialverträgliche Bewirtschaftung, um den Rohstoff Holz nachhaltig zur Verfügung stellen zu können. Auch andere Regierungen sollten sich dies zu Herzen nehmen.“
Wissenschaftler:innen schätzen, dass Entwaldung und ökologische Verschlechterung von Wäldern Bruttoemissionen von rund vier Milliarden Tonnen CO2 jährlich verursachen. Dies entspricht mehr als einem Drittel der jährlichen weltweiten Treibhausgas-Emissionen aus fossilen Energieträgern – Wälder sind wahre Kohlenstoffvorratskammern: Im Holz der Bäume sowie im Waldboden sind riesige Mengen Kohlenstoff langfristig gespeichert. Durch Abholzen und Umwandlung des Holzes in kurzlebige Produkte wie Papier wird der Kohlenstoff jedoch zeitnah freigesetzt.
Für einen der letzten verbliebenen gemäßigten Küstenregenwälder der Erde hat sich die Hartnäckigkeit der Umweltverbände und Vertreter:innen der First Nations ausgezahlt: Die indigene Bevölkerung Kanadas bekommt mehr Mitbestimmungsrechte in ihren Gebieten, und Tieren wie dem Kermodebär wird nicht länger kostbarer Lebensraum genommen. Diese Tiere, darunter sogenannte Geisterbären mit hellem Fell, sind lediglich in dieser Region anzutreffen.