Greenpeace-Studie: Ressourcen schonende Landwirtschaft kann Deutschland ernähren
- Ein Artikel von Anja Franzenburg
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Schweine, die im Matsch wühlen, Obst ohne Pestizide, Blumen am Ackerrand. Kurzum: eine bessere Landwirtschaft. Das geht nicht? Doch, hier ist die Anleitung – für ganz Deutschland.
Wie die Wurst zum Brot, so gehören Dünger und Pestizide zur Landwirtschaft – nur so können rund 82 Millionen Menschen in Deutschland ernährt werden. Ein hartnäckiges Gerücht, das Greenpeace nun widerlegt: Die Studie „Kursbuch Agrarwende 2050 – ökologisierte Landwirtschaft in Deutschland“ rechnet vor, dass wir uns von der zerstörenden intensiven Landwirtschaft verabschieden können – ohne jeden Tag Kohlsuppe essen zu müssen.
Das kommt nicht nur Tier, Klima und Artenvielfalt zugute. Denn Äpfel, die Kinder bedenkenlos direkt vom Baum naschen können, im Matsch wühlende Outdoor-Schweine oder Blumen mit jeder Menge Nützlingen am Ackerrand hat doch jeder gern um sich.
Die Notwendigkeit...
Die ökologische Landwirtschaft macht bereits vor, wie es geht. Doch bis diese gegen die Widerstände aus Politik und Agrarlobby überall durchgesetzt wäre, hätten wir kostbare Zeit verloren. Greenpeace hat daher einen Plan geschmiedet, der – wie bei der Energiewende – schrittweise bis zum Jahr 2050 eine ökologisierte Landwirtschaft umsetzbar machen soll. Diese reicht zwar nicht an die strengen Kriterien des Biolandbaus heran, funktioniert aber so, dass Klima, Böden und Wasser geschont werden und das Tierwohl geachtet wird. Aber auch der Anteil der Öko-Landwirtschaft soll sich erhöhen: auf 30 Prozent. Denn sie ist langfristig das Ziel.
„Das sind keine Träumereien, sondern Anforderungen an eine zukunftsfähige Landwirtschaft“, sagt Dirk Zimmermann, Experte für Agrarwirtschaft bei Greenpeace. „Die Landwirtschaft in Deutschland ist zu einem ausschließlich auf Profit orientierten Industriezweig verkommen. Die Bundesrepublik ist der drittgrößte Exporteur von Agrarprodukten weltweit. Im Vordergrund steht die Massenproduktion billiger Lebensmittel – auf Kosten unserer Ressourcen, aber auch der Bauern.“
... einen Plan zu schmieden
Kleinere Höfe können mit der Geiz-ist-geil-Mentalität nicht mithalten und stellen den Betrieb ein, große Mastanlagen mit mehr als 2000 Schweinen oder 40.000 Hühnern prägen zunehmend das Bild. Durch die intensive Tierhaltung werden erhebliche Mengen Treibhausgase freigesetzt. Der hohe Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln belastet Böden und Gewässer – mittlerweile sogar das Trinkwasser. Auch der dramatische Rückgang der Artenvielfalt geht auf das Konto der Landwirtschaft; Vogelarten wie Feldlerche und Kibitz gelten heute als gefährdet. Ganz zu schweigen von dem, was sich an Grausamkeiten in den Ställen abspielt.
Wir haben die Möglichkeit, das zu ändern: Welche Schritte nötig sind, zeigt die Studie. Dass dazu die Verbannung chemisch-synthetischer Pestizide gehört, ist einleuchtend. Nicht so offenkundig ist vielleicht die Notwendigkeit, im großen Stil Moore wiederzuvernässen und aus der Intensivnutzung zu nehmen, damit der gespeicherte Kohlenstoff im Boden bleibt. Zu den Maßnahmen gehört aber auch, die Viehbestände zu halbieren – damit Tiere Platz haben, gesund bleiben und Äcker nicht in Gülle ertränkt werden. Statt für Futter können Felder für den Anbau von Lebensmitteln genutzt oder als Hort gegen das Artensterben von Bienen, Vögeln und Wildpflanzen sich selbst überlassen werden.
DIE RECHNUNG...
Gegner dieses Ansatzes würden jetzt anmerken, dass nur Dünger und Pestizide hohe Erträge sichern können. Das stimmt – zumindest auf den ersten Blick. Deshalb hat Greenpeace bei der Prüfung der Machbarkeit eine um 40 Prozent geringere Ernte eingeplant. Diese Annahme ist vermutlich zu hoch gegriffen – wir wollten aber sichergehen. Und dennoch geht die Rechnung auf: Eine ökologisierte Landwirtschaft kann jeden in Deutschland ernähren.
Wie sich das beweisen lässt? Das von Greenpeace beauftragte Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) hat ermittelt, welche Fläche in Deutschland für eine landwirtschaftliche Produktion zur Verfügung steht, und wie viel für eine Selbstversorgung mit Lebensmitteln benötigt wird. Herausgekommen ist, dass mit 9,36 Millionen Hektar nutzbarem Ackerland genügend Kapazitäten vorhanden wären. Es bleibt sogar Fläche übrig.
Obst und Gemüse würde Deutschland vermutlich zur Hälfte importieren – weil weder in Niedersachsen noch in Bayern Orangen, Bananen oder Nektarinen wachsen. Als Ausgleich könnte Deutschland dem internationalen Markt aber Kohl, Kartoffeln und Getreide anbieten. Denn entscheidend ist, welche Fläche zur Verfügung steht – und die reicht.
... mit WENIGER FLEISCH
Voraussetzung dafür ist allerdings, dass wir weniger Lebensmittel wegwerfen und unseren Fleischkonsum drosseln – beides um 50 Prozent. Denn um Fleisch zu produzieren, muss für Tierfutter ein Vielfaches der Fläche beackert werden, die man für die Produktion von Obst, Gemüse oder Getreide benötigt.
Weniger Fleisch auf dem Teller empfiehlt auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung; aus Gesundheitsgründen, aber auch um das Klima zu schützen.
>>> Krempeln Sie mit uns die Landwirtschaft um, denn im Supermarkt ist der Kunde immer noch König. Lassen Sie Billigfleisch liegen, kaufen Sie ökologisch produzierte tierische Produkte und ebensolches Obst und Gemüse. Und fragen Sie beim Sonntagsbraten nach, unter welchen Bedingungen das Fleisch produziert wurde.
(Erstveröffentlichung: 17. Januar 2017)