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Für die Endlagerung von Kohlendioxid - im Gesetzentwurf schönfärberisch Speicherung genannt, so als wollte man das Gas irgendwann heraufholen und wiederverwenden - gibt es bislang kaum Erfahrungen. Es existiert lediglich die Idee, alte Erdgaslagerstätten erneut mit Gas zu füllen oder in poröse Gesteinsformationen tief unter der Erde zu verpressen. Ob die Lagerstätten noch dicht sind? Ob sie dicht bleiben? Niemand weiß es genau.
Im Gegensatz zu den alten Salzstöcken, in die Atommüll eingelagert werden soll, können die Erdformationen noch nicht einmal in Augenschein genommen werden. Lediglich mit mathematischen Modellen können die Lagerstätten mehr schlecht als recht beurteilt werden.
Dass selbst die Untersuchung der Lager unter Tage nicht vor gravierenden Fehleinschätzungen schützt, beweist dieser Tage der Fall des Atommülllagers Asse II. Die zuständige Behörde befand damals, die riesigen Salzstöcke seien die sichersten Tresore für Atommüll. Die Salzgesteine seien in ihrem Inneren absolut trocken, so der Vizepräsident der Bundesanstalt für Bodenforschung (heute Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, BGR) Prof. Dr. Richter-Bernburg auf einer Pressekonferenz im April 1965. Pikant: Schon seit 1964 war bekannt, dass täglich etwa 700 Liter Lauge in die so genannte 750-Meter-Sohle eindrang - eben dort wurde später der Atommüll deponiert.
Die BGR soll auch für die Untersuchung und Beurteilung der künftigen CO2-Lagerstätten zuständig sein. An ihrer wissenschaftlichen Unabhängigkeit bestehen seit dem Gefälligkeitsgutachten für die Atomindustrie im Fall Asse allerdings erhebliche Zweifel.
Demokratische Prinzipien
Es spricht nichts dagegen, dass zur Ausarbeitung von Gesetzesvorlagen gelegentlich externer Sachverstand herangezogen wird. Es spricht allerdings viel dagegen, dass die von einem Gesetz Betroffenen sich dieses in weiten Teilen selbst schreiben.
Genau dies ist hier der Fall. Denn die Vorlage des Gesetzentwurfs stammt aus der Feder der Rechtsanwaltskanzlei Redeker Sellner Dahs & Widmaier im Auftrag von RWE und Vattenfall. Die beiden Konzerne würden ihren Braunkohledreckschleudern gerne ein grünes Mäntelchen umhängen - und unter Verweis auf die Technologie der CO2-Abscheidung gerne noch ein paar mehr der Kraftwerke aufstellen, die so viel Kohlendioxid ausstoßen, wie keine andere Kraftwerksart. Dabei ist diese Technologie nach optimistischen Schätzungen frühestens 2020 in großtechnischem Maßstab einsatzreif, wahrscheinlich sogar erst 2030.
Umso mehr erstaunt die Dringlichkeit, mit der im Moment von Bundesumwelt- und -wirtschaftsministerium auf die Verabschiedung des entsprechenden Gesetzes gedrungen wird. Eine Anhörung am 27.2.2009, zu der auch Greenpeace geladen war, geriet zur Farce, weil die Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums zugunsten der Energiekonzerne Partei ergriffen. Eine fachgerechte Erörterung war unter den gegebenen Umständen nicht möglich. Aus unserer Sicht gibt es keinen sachlichen Grund für die Eile. Wir fordern Gründlichkeit vor Schnelligkeit.
Dicht oder nicht dicht?
Für die Erteilung einer Speicherungsgenehmigung müssen die Betreiber eines CO2-Endlagers laut Gesetzentwurf nachweisen, dass die Lagerstätte dicht ist. Ist sie es nicht, müssen die zuständigen Behörden die Genehmigung verweigern.
Gleichzeitig sieht der Gesetzentwurf aber ein Nachsorgekonzept vor für den Fall, dass die Lagerstätte nicht dicht ist. Das kann man als Vorsichtsmaßnahme verstehen. Fakt bleibt, dass eine Lagerstätte entweder dicht ist oder nicht. Im ersten Fall wird kein Nachsorgekonzept benötigt. Wenn jedoch begründete Zweifel an der Dichtigkeit bestehen, muss die Genehmigung für die Einlagerung verweigert werden.
Das Gesetz sieht im Übrigen keine zulässige Leckagerate vor - was im Prinzip in Ordnung ist. Denn das bedeutet, dass eine Lagerstätte zu 100 Prozent dicht sein muss. Wie das zu überprüfen und zu gewährleisten sein soll, ist jedoch mehr als fraglich. Kohlendioxid ist in der Lage, auch durch kleine Störungen im Gefüge oder alte unentdeckte Bohrungen in andere Bodenschichten und letztendlich womöglich bis an die Oberfläche vorzudringen.
An die Grundforderung, die man an ein Endlager für unerwünschte und schädliche Stoffe stellen muss, dass diese langzeitsicher, (am besten für alle Zeiten) wartungs- und überwachungsfrei eingelagert sind, scheinen die Bundesregierung und die Energiekonzerne selbst nicht zu glauben. Die Konzerne haben sich schon mal vorsorglich ein Enddatum für ihre Verantwortung ins Gesetz geschrieben: 20 Jahre nach Ende der Verpressung (im Einzelfall noch schneller) geht diese auf den Staat über. Die Zeche für Spätfolgen darf dann wieder der Steuerzahler begleichen.
Falsche Hoffnung
Dass die CCS-Technologie (Carbon Capture and Storage, zu deutsch: Kohlenstoff Auffangen und Lagern) auch aus anderen Gründen nicht der Weisheit letzter Schluss ist, hat Greenpeace schon im letzten Jahr mit der Studie Falsche Hoffnung belegt. An der damaligen Schlussfolgerung hat sich nichts geändert: Kohlendioxid muss vermieden, nicht in die Erde gepresst werden.
(Autor: Helge Holler)