Zusammenfassung des Greenpeace-Reports "Eating up the Amazon"
- Hintergrund
Der Amazonas-Regenwald ist der größte tropische Urwald der Erde. Er ist nicht nur Lebensraum von Menschen, Tieren und Pflanzen; sondern er reguliert das Klima, reinigt die Luft, filtert Wasser und verhindert Erosion. Doch wo einst dichtes Grün wucherte, erstrecken sich jetzt riesige Soja-Felder von oft mehreren tausend Hektar Größe. Soja wird als Tierfutter für Geflügel, Schweine oder Kühe nach Europa exportiert. Der große Appetit auf billiges Fleisch ist mitverantwortlich für die Zerstörung des Regenwaldes und die Verletzung der Menschenrechte in Amazonien.
Greenpeace arbeitet seit 1998 im Amazonas-Gebiet gegen die Zerstörung dieser Schatz-kammer der Artenvielfalt. Durch die Auswertung von Satelliten-Bildern, kombiniert mit Recherchen im Amazonas-Gebiet und in Europa, ist es Greenpeace gelungen, die einzelnen Schritte von der Urwald-Zerstörung bis hin zu den Geflügelprodukten der Fastfood-Kette McDonald's wie Chicken McNuggets zu dokumentieren.
Der von Greenpeace veröffentlichte Report Eating up the Amazon zeigt, welche Auswirkungen der europäische Konsum von Fleisch und anderen tierischen Produkten wie Milch oder Eier auf die Umwelt Amazoniens und die dort lebenden Menschen hat und nennt verantwortliche Firmen beim Namen.
Klima-Anlage unserer Erde
Wissenschaftler bezeichnen den Amazonas-Regenwald als die Klimaanlage unserer Erde. Der Regenwald gibt jährlich rund sieben Billionen Tonnen Wasser in die Atmosphäre ab und reguliert so nicht nur das Klima in Südamerika, sondern weltweit. Die Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes schadet dem Klima daher gleich doppelt. Mit der Brandrodung wird die Welt-Klimaanlage zerstört und die Brände verursachen zudem die Emission großer Mengen des Klimakillers CO2. Laut brasilianischer Regierung ist die Waldrodung für 75 Prozent des Treibhaus-gas-Ausstoßes in Brasilien verantwortlich.
Kleine Bohne, große Wirkung
Die einzigartige Vielfalt des Amazonas-Regenwaldes wird mehr und mehr von riesigen Soja-Monokulturen verdrängt. Die Nachfrage nach billiger brasilianischer Soja für Tierfutter stieg in den letzten Jahren kontinuierlich an. Die Soja-Produktion Brasiliens hat sich in den vergangenen sieben Jahren fast verdoppelt. Seit 2005 ist Brasilien die Nummer eins unter den Soja exportierenden Ländern; gefolgt von den USA und Argentinien. Im Wirtschaftsjahr 2004/05 wurden in Brasilien Sojabohnen auf einer Anbaufläche von fast 23 Millionen Hektar geerntet, einer Fläche so groß wie Großbritannien.
Während Soja anfangs hauptsächlich im Süden Brasiliens angebaut wurde, fressen sich die Soja-Felder inzwischen immer weiter in den Amazonas-Regenwald. Zwar ist die aus dem Amazonas-Gebiet stammende Soja-Ernte mit fünf Prozent an der Gesamternte noch relativ gering. Doch dahinter verbirgt sich immerhin eine Anbaufläche von 1,2 Millionen Hektar mitten im Regenwald und eine Soja-Ernte von 2,5 Millionen Tonnen: Tendenz rasant steigend!
Die in Brasilien angebaute Soja wächst meist auf großflächigen Monokulturen: Soja-Bohnen - so weit das Auge reicht und Totenstille. Denn auf solchen Feldern gibt es keinen Lebensraum für Vögel und andere Nützlinge. Die einzigartige Vielfalt von Pflanzen und Tieren wurde durch eine kleine Bohne ersetzt. Doch Monokulturen sind auch verantwortlich für Bodenerosion und den massiven Einsatz von chemischen Düngern und Pestiziden. Da verwundert es nicht, dass Brasilien einer der weltweit größten Verbraucher von Pestiziden ist. Rund ein Viertel davon wird zum Soja-Anbau eingesetzt. Der Anbau von Soja in Monokulturen und der Einsatz von Chemie führt schnell zur Auslaugung der Böden. Die Farmer verlassen diese Flächen und zerstören Amazonas-Regenwald, um neue Anbau-Flächen zu bekommen.
Kriminelle Landwirtschaft
Die Soja-Farmer in Amazonien sind häufig in mehrere Verbrechen verstrickt, die meist aufeinander aufbauen:
Diebstahl von Land und illegale Rodung
Nach Angaben des brasilianischen Landreform-Instituts (INCRA) eigneten sich Privatpersonen im Bundesstaat Mato Grosso (übersetzt: dichter Dschungel) illegal mehrere Millionen Hektar öffentliches Land für die industrielle landwirtschaftliche Nutzung an. Sogar über das Internet wird öffentliches Land zu Spottpreisen angeboten. Um das Land zu erobern und die dort ansässigen Menschen zu vertreiben, wenden Farmer häufig Gewalt an bis hin zum Mord.
Leidtragende sind oft indigene Menschen, die wie z.B die Manoki-Indianer, Anspruch auf Gebiete in Amazonien haben. Ihre Rechte werden von der brasilianischen Regierung jedoch nicht ausreichend geschützt. So wird innerhalb des Gebietes der Manoki-Indianer immer mehr Urwald zum Soja-Anbau gerodet.
Im Amazonas-Regenwald leben rund 220.000 Menschen, die zu 180 unterschiedlichen indigenen Völkern gehören. Der Regenwald ist nicht nur ihr Lebensraum, sondern versorgt sie mit Nahrung, Medizin und Werkzeug. Auch für die Spiritualität der Indianer bildet der Amazonas-Urwald die Grundlage.
Viele Indianergebiete sind noch nicht als solche ausgewiesen. Sie sind daher häufiges Ziel von Farmern auf der Suche nach neuen Flächen zur landwirtschaftlichen Nutzung.
Doch auch indigene Gemeinschaften, die ihre Gebietsansprüche durchgesetzt haben, bleiben nicht von den Auswirkungen der Landwirtschaft verschont. So kämpfen die Indianer des Xingu Parks gegen die Vergiftung ihrer Fische und ihres Wassers. Zwar steht der Xingu Park unter Schutz, doch das Flussbecken des Rio Xingu, das sich über fast 180.000 Quadratkilometer erstreckt, ist von Soja-Feldern umzingelt und verwandelt sich langsam in ein Abwasserbecken.
Um Flächen für die Landwirtschaft nutzbar zu machen, wird der Wald durch Brandrodung vernichtet: Zwischen August 2003 und August 2004 wurden 2,7 Millionen Hektar Urwald zerstört. Dies entspricht in etwa der Fläche von Belgien. Drei Viertel davon wurden illegal gerodet.
Sklaverei
Um die gerodeten Flächen für die Landwirtschaft nutzbar zu machen, werden völlig entrechtete Menschen eingesetzt, die die Bezeichnung Sklaven zu Recht tragen, obwohl die Sklaverei in Brasilien seit über 100 Jahren offiziell verboten ist. Mit falschen Versprechen werden Menschen auf die entlegenen Farmen im Dschungel gelockt, wo ihnen die Papiere abgenommen werden. Oft werden die Sklaven mit Waffen bei der Arbeit bewacht. Die skandalösen Lebensumstände der Sklaven wurden zum Beispiel auf der Roncador Farm in Mato Grosso sichtbar: Die Sklaven mussten an sieben Tagen der Woche 16 Stunden arbeiten. In ihren aus Plastikplanen gebauten Unterkünften gab es nicht einmal Betten. Trink- und Waschwasser kamen aus einer Tiertränke und wurden in alten Diesel- und Schmierstoff-Kanistern gelagert.
Die Verantwortlichen
Am Anfang des illegalen Soja-Anbaus und der Zerstörung des Amazonas-Urwaldes stehen die Farmer. Um Soja zu Weltmarktpreisen zu produzieren, bedarf es großer industrieller Farmen, die weitgehend mechanisiert sind und kaum noch Arbeitskräfte beschäftigen. Soja-Farmen erreichen in Brasilien eine Größe von bis zu 10.000 Hektar.
Dafür, dass sich der illegale Anbau lohnt, sorgen die drei US-Getreidehändler Cargill, Bunge und Archer Daniels Midland (ADM), sowie der brasilianische Soja-König Blairo Maggi. Die drei US-Konzerne allein kontrollieren zusammen 60 Prozent der brasilianischen Soja-Exporte. In Europa gehören ihnen 80 Prozent der Soja-Mühlen, die den europäischen Markt mit billigem Soja-Schrot für Tierfutter versorgen. Der Greenpeace-Report zeigt, dass Cargill, Bunge, ADM und Maggi immer wieder Soja von Farmern kaufen, die an illegaler Landaneignung, Rodung und Sklaverei beteiligt sind.
Doch Cargill, Bunge, ADM und Maggi sind auch direkt an der Zerstörung des Urwaldes beteiligt. Durch Schaffung der Infrastruktur wie Straßen, Silos und Hafenanlagen sowie der Bereitstellung von Saatgut, Dünger und Pestiziden für die Soja-Farmer in Amazonien. Die Bezahlung erfolgt in Form der Ernte und sichert den Farmern die Absatzmärkte.
Cargill: illegal = ganz egal
Cargill führt dabei die traurige Bilanz an: Der Konzern hat 19 Silos und eine illegale Hafenanlage in den Amazonas-Regenwald gebaut. So nahm Cargill im Jahr 2003 seine Soja-Schiffsverladestation in Santarém im Bundesstaat Pará in Betrieb. Die Anlage hat Cargill illegal mitten im Amazonas-Gebiet gegen den Widerstand zahlreicher lokaler und nationaler Gruppierungen gebaut.
Greenpeace dokumentierte im gleichen Jahr aus der Luft die Brandrodung riesiger Flächen des Amazonas-Regenwaldes für den Soja-Anbau rund um Santarém. Große Teile der illegalen Soja-Ernte werden in genau dieser Cargill-Anlage verladen und nach Europa exportiert. Erst im Februar 2006, also drei Jahre nach Inbetriebnahme der Hafenanlage, entschied das zweithöchste brasilianische Gericht, dass Cargill gegen geltendes Recht verstoßen habe und verlangt eine Umweltverträglichkeits-Studie.
McChicken zerstört Regenwald
Greenpeace-Recherchen machen die Verbindung von Amazonas-Soja zu mehreren europäischen Lebensmittelfirmen deutlich: zu dem Fastfood-Giganten McDonald's, der niederländischen Firma Vion, zu der z.B. die Norddeutsche Fleischzentrale AG (NFZ) und der schwäbische Fleischproduzent A. Moksel AG (Food Family) gehören und zu deutschen Futtermittelherstellern wie Raiffeisen. Sie stehen am Ende der Soja-Kette, tragen aber dennoch Verantwortung für die Urwaldzerstörung.
McDonald's ist die größte Fastfood-Kette der Welt. Zwar verwendet McDonalds kein Rindfleisch, das direkt aus Brasilien stammt. Doch sorgte das Unternehmen bislang nicht dafür, dass das Futter für die vielen Hühner, Rinder oder Schweine, kein Soja aus Amazonas-Zerstörung enthält.
Im Gegenteil: McDonald's bezieht Geflügelfleisch der Fleischfirma Sun Valley einem Tochterunternehmen von Cargill. Sun Valley/ Cargill produziert rund die Hälfte aller von McDonald's verwendeten Geflügelprodukte in Europa. Greenpeace konnte den Weg der Soja von Amazonien über den Cargill-Hafen Santarém bis hin zu Sun Valley nachweisen. McDonald's machte zudem Greenpeace und Verbrauchern gegenüber hinsichtlich der Verwendung von Gen-Futter falsche Aussagen. Im Jahr 2000 sicherte das Unternehmen zu, dass bei Geflügel ausschließlich Futtermittel verwendet werden die keine gentechnisch veränderten Bestandteile enthalten. Jetzt kam heraus, dass McDonald's jahrelang eiskalt gelogen hat; Öl aus Gen-Soja wird zur Fütterung verwendet.
Firmen müssen handeln
Um die Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes zu stoppen, muss die Lebensmittel- und Futtermittelindustrie sicher stellen, dass bei der Herstellung ihrer Produkte kein Soja aus Amazonien verwendet wird: Nicht als Futtermittel für z.B. Schweine, die zu Wurst oder Schinken verarbeitet werden und nicht für Öl, das als Zutat in Fertiggerichten oder Schokolade Verwendung findet. Es gibt auf dem Weltmarkt ausreichend gentechnik-freie Soja, die nicht aus dem Amazonas-Gebiet stammt.
Gen-Soja im Urwald
Brasilien gilt als großer Markt für gentechnik-freie Soja. Bis 2003 war der Anbau von Gen-Soja dort verboten. Doch im Süden des Landes wurde bereits illegal genmanipulierte Soja angebaut. Es wird geschätzt, dass etwa 30 Prozent der brasilianischen Soja-Ernte genmanipuliert sind.
Auch vor Amazonien weiter nördlich macht die Gen-Soja nicht halt. So entwickelt der US-Konzern Monsanto Gen-Soja, die speziell dem Klima und den Bodenbedingungen Amazoniens angepasst ist.
Greenpeace Recherchen zeigen, dass in der Anbausaison 2004/05 mehr als 200 Farmer innerhalb des Amazonas-Regenwaldes genmanipulierte Soja angebaut haben.
In den USA und Argentinien, den Hauptanbauländern genmanipulierter Soja, zeigen sich nach rund zehnjährigem Anbau inzwischen die negativen Auswirkungen. Untersuchungen belegen, dass Gen-Pflanzen, die gegen bestimmte Pflanzenvernichtungsmittel immun sind, dort zur Verwendung von mehr und giftigeren Pestiziden wie 2,4 D und Dicamba führen.
Generell sind Gen-Pflanzen unkontrollierbar. Niemand weiß, welche Auswirkungen die fremden Gene in der Pflanze verursachen. Die Gefahren für Mensch und Umwelt sind daher nicht absehbar.
Die Lösung: Schutzgebiete
Um die Zerstörung des Regenwaldes in Brasilien aufzuhalten, müssen dringend zusammenhängende Schutzgebiete im Amazonas-Urwald geschaffen werden. Nur so kann der Vormarsch der Soja-Front gestoppt werden. Es ist die Verantwortung der brasilianischen Regierung, diese zu etablieren. Wird nicht gehandelt, wird der Soja-Anbau und die Rinderzucht bis zum Jahr 2050 rund 40 Prozent des Amazonas-Urwaldes zerstört haben. Die internationale Staatengemeinschaft muss Brasilien bei der Einrichtung von Schutzgebieten finanziell unterstützen.
Greenpeace fordert:
- Keine Urwaldzerstörung
- Schutzgebiete in Amazonien
- Kein Anbau von Soja im Amazonas-Gebiet
- Kein Anbau genmanipulierter Soja