Ölunfälle in Russland: Weckruf für den Schutz der Arktis
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Die Republik Komi im Norden Russlands ist erneut von schweren Ölunfällen betroffen. In der Nähe der Stadt Ussinsk läuft seit knapp zwei Wochen Öl in den Fluss Kolva. Weil die Behörden versagen, müssen die Menschen die Aufräumarbeiten selbst in die Hand nehmen. Die Ereignisse etwa fünfzig Kilometer südlich vom Nordpolarkreis zeigen: Die Arktis muss vor dem industriellen Zugriff der Ölkonzerne geschützt werden.
10.000 Rubel - umgerechnet rund 250 Euro - hat der Bürgermeister von Ussinsk für jedes Barrel Öl versprochen, das die Einwohner mit Hilfe von Booten und Schaufeln einsammeln. Den Menschen bleibt nichts anderes übrig, als selbst gegen die allgegenwärtige Kontamination vorzugehen. "Die Leute hier müssen den Gestank von Öl 24 Stunden am Tag einatmen," klagt eine Einwohnerin. Allein am Montag haben die Helfer am Ufer der Kolva mehr als 200 Säcke und 25 Tonnen Ölschlamm zusammengetragen.
Während auf einer Strecke von 100 Kilometern Öllachen die Kolva heruntertreiben und Sandbänke am Ufer in Regenbogenfarben schimmern, sind vom Staat nur drei Arbeiter und ein Boot zu Aufräumarbeiten in die Region geschickt worden. Es herrschen chaotische Zustände. "Weder die Ölunternehmen noch die staatlichen Notfall-Dienste haben die nötige Ausrüstung, um etwas gegen die Ölunfälle zu unternehmen. Den Behörden liegen Notfallpläne nicht einmal vor," beschreibt ein Mitarbeiter von Greenpeace Russland die Situation.
Die Suche nach den Schuldigen
Das regionale Umweltministerium hat Rosvietpetro - ein russisch-vietnamesisches Joint Venture der Ölkonzerne PetroVietnam und Zarubezhneft - für das Unglück verantwortlich gemacht. Doch Rosvietpetro weist die Schuld von sich und weigert sich die vom Bürgermeister versprochene Belohnung pro Barrel an die Einwohner auszuzahlen. Stattdessen behauptet das Unternehmen, Konkurrent Lukoil habe die jüngsten Ölunfälle verursacht.
Seit den ersten Bohrungen in den 1960ern haben sich in der Republik Komi tausende kleinere und größere Ölunfälle ereignet. Ein besonders schweres Unglück nahm nach einem Pipelinebruch im Jahre 1994 seinen Lauf, als 100.000 Tonnen Öl ausliefen. Greenpeace-Ölexperte Jörg Feddern war vor zwei Jahren in der Region: In seinem Reise-Bericht "Wo Russland im Öl versinkt" schildert er eindrücklich seine Erlebnisse. (Zum Lesen bitte nach unten scrollen!)
Wenige Kilometer hinter Ussinsk mündet die Kolva in die Petschora. Von dort sind es flussaufwärts noch ca. 1000 Kilometer bis zur Petschorasee, die zum arktischen Ozean gehört. Experten gehen davon aus, dass über russische Flüsse Jahr für Jahr rund 500.000 Tonnen Öl in den arktischen Ozean gespült werden: Um die Arktis zu verschmutzen, muss die Ölindustrie also nicht einmal direkt vor Ort bohren.
Greenpeace setzt sich für den Schutz der Arktis ein
Ussinsk, Alberta, Niger-Delta: Wo die Ölindustrie wütet, sind Umweltzerstörungen und Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung. Wenn Konzerne wie Shell, Gazprom und Rosneft ihre Pläne für Offshore-Bohrungen in der Arktis umsetzen, könnte auch diese Region zu einem weiteren Synonym für industrielle Verheerung werden.
Für einen symbolischen Akt gegen die Zerstörung der Arktis machten sich in diesem Frühjahr Greenpeace-Aktivisten auf den Weg zum Nordpol. Dort angekommen senkten sie durch ein Loch in der Eisdecke eine Kapsel aus Glas und Titan ab. In der Kapsel, die jetzt am nördlichsten Punkt der Erde auf dem Meeresgrund ruht, befinden sich auf Metallscheiben eingraviert die Namen von fast drei Millionen Menschen. Sie alle haben die Greenpeace-Petition zum Schutz der Arktis unterschrieben. Sie alle fordern: Die Arktis darf nicht der Industrie ausgeliefert werden.
Ein Greenpeace-Team ist in diesen Tagen etwa eintausend Kilometer südöstlich von Ussinsk in der Region Khanty-Mansi in Sibirien unterwegs, um die Spuren der Zerstörung zu dokumentieren, die die Ölindustrie auch hier hinterlassen hat. Über ihre Reise werden wir in den kommenden Tagen noch ausführlicher berichten.