Das Geschäft mit dem Tod
Deutsche Waffenexporte gehen in alle Welt
Deutsche Waffen tauchen immer wieder in den Kriegen dieser Welt auf. Dabei verfolgt die Bundesregierung eine restriktive Rüstungspolitik – aber nur offiziell!
- Hintergrund
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Deutsche Waffen tauchen immer wieder in den Kriegen dieser Welt auf. Dabei verfolgt die Bundesregierung eine restriktive Rüstungspolitik – aber nur offiziell!
Den neuesten Zahlen des schwedischen Friedensforschungsinstituts Sipri zufolge ist Deutschland der viertgrößte Waffenexporteur der Welt – nach den USA, Russland und Frankreich und vor Nationen wie China und Großbritannien. Damit zählt die Bundesrepublik zu einem höchst exklusiven Club: den fünf Nationen, die zusammen für 75 Prozent des weltweiten Waffenhandels verantwortlich sind.
Dass Deutschland einer der größten Waffenexporteure der Welt ist, ist keine Entwicklung der letzten Jahre. Nachdem die deutsche Rüstungsindustrie nach dem 2. Weltkrieg wieder aufgebaut wurde, begann ab den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts der Export von Waffen in großem Stil: Argentinien, Chile und Griechenland kauften U-Boote; Belgien, Italien und Dänemark den Kampfpanzer Leopard 1; Pakistan, die Türkei und Iran Infanteriewaffen wie das Sturmgewehr G 3 und die Panzerabwehrwaffe Cobra. Der aktuelle Rüstungsexportbericht für 2017 listet 126 Staaten auf, in die deutsche Rüstungsgüter geliefert werden. 11.491 Einzelgenehmigungen zur Ausfuhr wurden der deutschen Rüstungsindustrie dafür erteilt. Deutsche Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter finden weltweit ihren Absatz.
Seit die Bundesrepublik Waffen und andere Rüstungsgüter exportiert, werden diese auch in Kriegen und Bürgerkriegen der Käuferländer eingesetzt. Beispiele dafür lassen sich in den langen Jahrzehnten der deutschen Waffenexportgeschichte viele finden.
- Türkei: Während der Militäroperation „Euphrate Shield“ in Nordsyrien 2016/17 setzten die türkischen Streitkräfte Leopard 2-Panzer ein. „Euphrate Shield“ diente offiziellen türkischen Angaben dazu, den Islamischen Staat in der Region zu bekämpfen.
- Iran: Iran erhielt in den sechziger und siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als das Land vom pro-westlichen Schah Mohammed Reza Pahlawi regiert wurde, umfangreichen Zugang zu deutscher Waffentechnologie. Das bekannteste Beispiel ist das Sturmgewehr G 3, für das die Bundesregierung dem Land die Lizenz zum Nachbau erteilte und für das deutsche Unternehmen die Produktionsstätte aufbauten. Das Gewehr wurde in der Folge zum Standardgewehr der iranischen Armee. Bereits während der Iranischen Revolution 1978/79 setzten die Streitkräfte es ein – gegen Demonstranten in Teheran, Isfahan, Tabriz und anderen Städten. Nach dem Sturz des Schah-Regimes und der Machtübernahme der Islamischen Republik wurde das G 3 von den neuen Herrschern bei der Niederschlagung eines kurdischen Aufstandes eingesetzt. Auch im iranisch-irakischen Krieg von 1980 bis 1988 war es die Standardwaffe der iranischen Armee.
- Irak: Ein Beispiel für den Einsatz einer Waffe aus deutsch-französischer Ko-Produktion findet sich ebenfalls im iranisch-irakischen Krieg. Irak kaufte in Frankreich das Luftabwehrsystem Roland, das deutsche und französische Unternehmen zusammen entwickelt hatten und produzierten. Die Bundesregierung hätte den Verkauf durch Paris mit einem Veto belegen können, genehmigte jedoch die Zulieferungen. Das System wurde schließlich von den irakischen Streitkräften gegen Iran eingesetzt, wobei mehrere iranische Kampfflugzeuge abgeschossen wurden. Das Roland-System kam auch während des 2. Golfkriegs 1990/91 zum Einsatz, bei dem eine internationale Koalition unter Führung der USA die Besetzung Kuwaits durch Irak beendete und während des 3. Golfkrieges, in dem die USA und Verbündete den Irak besetzten. Dabei schoss das System zwei Tornado-Kampfflugzeuge und eine Maschine des Typs A-10 ab.
- Myanmar: Noch in der Zeit als Myanmar Burma hieß, aber bereits vom Militär regiert wurde, bezog das Land aus der Bundesrepublik Fertigungslinien für das Sturmgewehr G 3 sowie Munition. Als sich 1988 eine Demokratiebewegung gegen die Militärdiktatur erhob, setzte das Regime auf Gewalt als Antwort. Hunderte Demonstranten kamen im August desselben Jahres ums Leben, als das Militär, bewaffnet mit dem G 3, in die Menge schoss.
- Mexiko: Mexiko kaufte zwischen 2006 und 2009 rund 5.000 Sturmgewehr des Typs G 36 vom schwäbischen Waffenhersteller Heckler & Koch. Ein Teil der Lieferung wurde mit Wissen des Unternehmens von den mexikanischen Behörden in vier Bundesstaaten weitergeleitet, die die Bundesregierung bei der Genehmigung des Exports von einer Belieferung ausgeschlossen hatte. Nachweislich wurden die Gewehre dann von mexikanischen Sicherheitskräften in einem dieser vier Staaten, Guerrero, bei einem mutmaßlichen Schwerstverbrechen genutzt: Bei einer Demonstration im Herbst 2014 in Iguala verhafteten die mit dem G 36 bewaffneten Kräfte insgesamt 43 StudentInnen, von denen seitdem jede Spur fehlt. Es ist davon auszugehen, dass sie ermordet wurden.
- USA: Die USA verfügen über die leistungsstärkste Rüstungsindustrie weltweit. Dennoch zählen sie zu den bedeutendsten Kunden der deutschen Rüstungsindustrie. Im Wesentlichen wurden und werden aus Deutschland Technologie und Komponenten zugeliefert. So bauten die USA die 120mm-Glattrohrkanone von Rheinmetall nach und statteten damit ihre Kampfpanzer des Typs M1-Abrams aus. Die USA setzten diese Panzer in Afghanistan wie auch im völkerrechtswidrigen Irak-Krieg ab 2003 ein.
- Saudi-Arabien: Das Königreich ist ein Hauptkunde des internationalen Waffenmarktes. Auch Deutschland liefert – direkt und indirekt. Zu den bekanntesten saudischen Waffenkäufen in Europa zählen der Erwerb der Kampfflugzeuge Tornado und Eurofighter/Typhoon in Großbritannien. Beide Flugzeugtypen sind europäische Koproduktionen: der Tornado deutsch-italienisch-britisch, beim Eurofighter ist zudem Spanien involviert. Beide Flugzeuge werden stets unter gleicher Arbeitsteilung hergestellt – egal, wer Kunde ist. D.h. auch in den Tornados und Eurofightern, die Saudi-Arabien in Großbritannien kaufte, finden sich deutsche Komponenten. Das Königreich setzt beide Flugzeuge im Krieg in Jemen seit 2015 ein. Beim Bombardement von Zielen kamen bislang unzählige Zivilisten ums Leben.
Deutsche Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter werden für völkerrechtswidrige Kriege, zur Unterdrückung der Bevölkerung sowie auch gegen deutsche Verbündete eingesetzt. In den wenigsten Fällen war ein solcher Einsatz seitens der Bundesregierung beabsichtigt. Letztlich wird eine solche Nutzung jedoch mindestens in Kauf genommen, denn es ist klar, dass einmal gelieferte Rüstungsgüter nicht mehr kontrolliert werden können. Es lässt sich nicht sagen, was die kaufende Regierung damit tun wird. Es lässt sich nicht einmal sagen, ob das kaufende Regime einige Jahre nach dem Kauf noch an der Macht ist, wie es am Beispiel Irans erkennbar wird.
Auf dem Papier existieren in Deutschland besonders restriktive Rüstungsexportrichtlinien, was die Bundesregierung immer und immer wieder betont. Wie lässt es sich dennoch erklären, dass Deutschland stets zu den größten Waffenexporteuren der Welt zählt – aktuell auf Platz vier? Fakt ist: Dieses Richtlinien mögen im Vergleich mit denen Großbritanniens oder Frankreich restriktiver sein, restriktiv an sich sind sie jedoch nicht. Sie lassen jeder Bundesregierung ausreichend Spielraum, um an Diktaturen, Nationen im Krieg, Länder mit internen Spannungen und in Krisengebiete zu liefern.
Deshalb werden deutsche Waffen auch eingesetzt: Gegen Demonstranten, gegen unterdrückte Minderheiten, gegen Staaten. Durch früher verbündete Nationen wie Iran, durch Demokratien wie Mexiko, durch Diktaturen wie früher Argentinien, durch Zweckpartner wie Saudi-Arabien und verbündete Nationen wie die USA. Dieser Zustand ist untragbar.
Greenpeace fordert eine radikale Kehrtwende in der deutschen Rüstungsexportpolitik:
- Keine Exporte mehr in Diktaturen
- Keine Exporte in Drittländer
- Keine Exporte in Kriegs- und Krisengebiete
- Keine staatliche Unterstützung für Rüstungsexporte
- Ein Komplettverbot für den Export von Klein- und Leichtwaffen