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Holzkahn auf dem Baram-Fluss: Ein gewaltiges Staudammprojekt bedroht das Volk der Penan, eines der wenigen verbliebenen nomadischen Völker des Regenwaldes in Malaysia.
© Greenpeace / Dang Ngo

Vorsicht vor malaysischem MTCC-Holzsiegel

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Holzhandel in Malaysia: Diejenigen, die fleißig daran verdienen, lassen sich verkaufsfördernde Maßnahmen, wie das MTCC-Label für Holzexporte einfallen.

Hinter MTCC verbirgt sich der Malaysian Timber Certification Council - der malaysische Holzzertifizierungsrat -, der sich ausschließlich auf dem Papier für Menschen und Wälder einsetzt. Dass das MTCC-Label eine gefährliche Mogelpackung ist, haben in den vergangenen Tagen zwei Vertreter malaysischer Nichtregierungsorganisationen (NGO) auf einer Tour durch europäische Städte klargestellt. Colin Nicholas vom Zentrum für die Belange der indigenen Bevölkerung und Wong Meng Chuo, der Gründer des Instituts für die Unterstützung alternativer Lebensstile, versuchten Regierungsvertreter, Politiker und europäische Umweltschützer vor dem Label zu warnen. Bei ihrer Visite in Hamburg haben wir mit ihnen gesprochen.

Greenpeace Online Wie ist es um den Urwald und um die von ihm lebenden Indigenen in Malaysia bestellt?

Colin Nicholas: Der Kahlschlag hat ein noch nie dagewesenes Ausmaß erreicht. In den letzten 50 Jahren ist die Hälfte des Waldes abgeholzt worden. Schlimm für die Indigenen ist, dass inzwischen hauptsächlich in den Gegenden eingeschlagen wird, wo sie leben.

Greenpeace Online Was hat das für Folgen?

Colin Nicholas: Die Menschen sind auf den Wald angewiesen. Nicht nur um ihren Lebensunterhalt zu sichern, sondern auch weil es ihr Lebenraum ist, ihre besondere Art zu leben. Wenn der Kahlschlag kommt, bricht eine Katastrophe über sie her. Wenn die Holzfällerarbeiten beginnen, ist es als rausche ein Tsunami über sie hinweg. Nur dass dieser Tsunami andauert und nicht aufhört. Ihr ganzes Leben wird auf den Kopf gestellt.

Wong Meng-Chuo: Die Menschen vor Ort protestieren gegen die Holzfäller. Sie schicken Protestbriefe an Regierungsstellen. Wir sind von dem Vorgehen der Stämme sehr beeindruckt. Sie wissen genau, was sie wollen, und sie treten vereint auf.

Sie wollen, dass die Wälder für ihre traditionelle Nutzung bewahrt werden. Die Indigenen zählen zu den Jägern und Sammlern. Und erst in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts begannen wenige von ihnen mit Ackerbau. Sie hängen stark von ihren Wäldern ab. Und dafür kämpfen sie.

Sie haben sich für diese Art des Lebens entschieden. Sie wollen sich nicht vollkommen vom Rest der Welt isolieren, aber ich denke, wir sollten ihren Willen, so zu leben, respektieren. Es ist ein Menschenrecht.

Greenpeace Online Was werfen Sie dem MTCC und seinem Label vor?

Wong Meng-Chuo: Die Holzfällkonzessionen werden an private Holzkonzerne vergeben. Deren Interessen stehen den Ansprüchen und Anforderungen der indigenen Lebensgemeinschaften diametral entgegen. Zusätzlich beanspruchen die Konzerne das alleinige Recht auf die Nutzung des Waldes. Seit 1998 sind die Gerichte eingeschaltet, aber eine Entscheidung gibt es bis heute nicht.

Dennoch vergibt das MTCC weiterhin die Erlaubnis zum Einschlagen, selbst für umstrittene Regionen. Das zeigt, dass das MTCC sich noch nicht einmal an seine eigenen Grundsätze hält. Gegen diese Konzessionen leisten die lokalen indigenen Gruppen Widerstand.

Colin Nicholas: Nach dem MTCC-Standard ist es sogar legal, dass bis zu 30 Prozent des eingeschlagenen Holzes aus nicht zertifizierten Wäldern stammen kann. Bei Produkten aus Holz ist die Situation genau umgekehrt: dort brauchen lediglich 30 Prozent aus zertifiziertem Holz hergestellt worden sein, um das Label zu bekommen. Das bedeutet, dass unter dem Siegel bis zu 70 Prozent illegales Holz verarbeitet werden kann.

Malaysia ist der größte Holzexporteur der Welt und macht damit Milliardengewinne. Aber die Menschen, die in den Wäldern leben, zählen nach wie vor zu den ärmsten. Irgendetwas stimmt nicht mit diesem System. Auch in den Einschlag-Gebieten mit MTCC-Segen profitieren die Menschen vor Ort nicht davon.

Greenpeace Online Stoßen Sie damit bei den europäischen Gesprächspartnern auf offene Ohren? 

Colin Nicholas: Leider heißen viele europäische Regierungen das MTCC-Label gut. Das verstehen wir nicht. Etwas, was die Menschen im eigenen Land abgelehnen und von dem deutlich ist, dass damit nur Geschäfte gemacht werden; von dem nachgewiesen wurde, dass es nicht nachhaltig ist, kann doch nicht positiv bewertet werden. Das zeigt doch viele Schwächen.

Greenpeace Online Welche Folgen hat die europäische Akzeptanz?

Wong Meng-Chuo: Wir befürchten, dass die Holzkonzerne durch die Anerkennung dieses Zertifikats bestärkt werden, ihre Arbeit noch auszuweiten.

Colin Nicholas: Wenn man das MTCC-Label anerkennt, sagt man der Regierung in Malaysia, so ist es okay. Und die Holzfirmen bekommen das Signal: macht mit eurer Arbeit weiter. Diese werden natürlich versuchen den größten Profit daraus zu schlagen.

Greenpeace Online Was können die Verbraucher in Europa tun?

Colin Nicholas: Ich will niemanden vorschreiben, was er zu tun und zu lassen hat. Aber man sollte an die Situation mit einer gewissen moralischen Sicht betrachten. Ich war schon ziemlich geschockt, als ich mitbekam, wie wenig Gewissen hier anzutreffen ist.

Seit geraumer Zeit gibt es das FSC-Siegel. Es ist zurzeit das beste Prüfsiegel das es gibt. Das MTCC-Label kommt dem FSC-Siegel noch nicht mal Nahe.

Wong Meng-Chuo: Ich bin überzeugt davon, dass die Menschen hier ein Herz für die Menschen im Wald haben und mitfühlend sind. Die ärmeren Gemeinschaften in unserer Gesellschaft brauchen dieses Mitgefühl und Verständnis.

Jeder Mensch hat ein Gewissen. Die Verbraucher sollten mit diesem Gewissen ihre Einkäuf tätigen. Sie sollten bewusst konsumieren. Ebenso sollten sie daran denken, dass der eigene Konsum Einfluss auf die Menschen in den Wäldern hat. Wir können uns nicht hinstellen und fordern: hört auf zu konsumieren. Aber: hört auf eurer Gewissen, wenn ihr einkauft. (mir)

Datum
Protest in front of Ikea Store in Wallau

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