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Urwald in Österreich
Matthias Schickhofer

„Urwald ist Unordnung“

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Echte Urwälder, also Wälder, die nie durch Holzentnahme oder andere Eingriffe in die natürlichen Prozesse beeinflusst wurden, gibt es in Österreich nur noch selten. Aber Wälder, die in ihrer Altersstruktur und ihrer Artenzusammensetzung dem Ursprung nahekommen, sind noch vorhanden. Sie können sich zu den Urwäldern von morgen entwickeln - wenn man sie lässt. 

Matthias Schickhofer ist Umweltschützer und Fotograph. Sein Bildband „Urwald in Österreich“ zeigt verwunschene Wildnis, urige Baumriesen und die Faszination von Totholz. Viele hundert  Kilometer Waldwege und tausende Höhenmeter hat er für seine einzigartigen Fotografien zurückgelegt.

Was fasziniert dich am Wald?

Matthias Schickhofer: (Ur-)Wald ist der eigentliche "Urzustand" des größten Teils von Mitteleuropa. Die natürliche Evolution hat für Österreich bzw. Deutschland vorgesehen, dass da - außer im Hochgebirge und in Sümpfen bzw. Äsungen von Großtieren - Wald wächst. Vor allem Buchenwald - mit Tannen, Eschen, Ulmen, Ahorn und Fichten. Urwälder sind Orte, die sich seit der letzten Eiszeit unbeeinflusst durch menschliches Wirtschaften entwickeln konnten. Sie vermitteln Wildnis und Fremdartigkeit in einem besonderen Ausmaß.

Was ist das Besondere an den Wäldern in Österreich?

Matthias Schickhofer: Mich fasziniert Wildnis generell. Und Urwälder sind besonders wilde Orte. Ich habe in den letzten 25 Jahren viele Reisen in verschiedene wilde Winkel der Erde unternommen: Sibirien, Patagonien, Himalaya, Borneo, Amazonas oder in die Naturlandschaften Osteuropas. Aber es war für mich überraschend und faszinierend, als ich entdeckte, dass es auch im dicht besiedelten Österreich noch Plätze gibt, die aus einer anderen Welt zu stammen scheinen. In abgelegenen Alpentälern, auf steilen Abhängen und Hügelkuppen haben in Österreich einige Urwälder und eine größere Zahl recht urtümlicher Natur-Wälder überlebt.

Wie sehen die Naturwälder aus, was unterscheidet sie von forstlich genutzten Wäldern?

Matthias Schickhofer: Wirtschaftswälder sind in der Regel "aufgeräumt" - es liegt kein Totholz herum. Die Bäume sind meist gleich alt und oft trifft man nur eine einzige Baumart an, die mitunter sogar in Reih und Glied aufmarschiert. Wo Holznutzungen stattgefunden haben, klaffen großflächige Lücken im Kronendach. Die Böden sind oft hart - platt gefahren von Erntemaschinen und verarmt durch Intensivnutzung. Das gibt es in Urwäldern alles nicht. Hier wachsen verschiede Baumarten mit unterschiedlichem Alter und allen möglichen Wuchsformen. Dazwischen liegen die abgestorbenen Veteranen und bieten Nahrung für eine Unzahl anderer Lebewesen wie etwa Würmer, Milben, Käfer, Pilze, Vögel und Jungbäume. Auf den Bäumen gedeihen Moose, Pilze und Flechten. Urwaldböden sind weich und humusreich. Urwälder sind optimale, ökologisch extrem stabile Ökosysteme mit einem sehr hohen Grad an "Resilienz", also dem Vermögen, nach einer Störung wieder in den Ausgangszustand zurückzukehren. 

Ist der Wald in Österreich ausreichend geschützt?

Matthias Schickhofer: In Österreich sind weniger als ein Prozent der Wälder wirklich in einem Naturzustand. Das ist zu wenig. Es braucht mehr Reservate - als genetische Pools, Forschungs- und Anschauungs-Objekte, Orte der Artenvielfalt und als Horte ökologischer Stabilität. Und es braucht ein dichteres Netz an Korridoren, die die Biotope verbinden, um die Artenvielfalt dauerhaft zu sichern.

Durch den Klimawandel  kommt es verstärkt zu Dürre, Hitzestress und Stürmen. Wälder wachsen langsam, Böden regenerieren noch viel langsamer.  Die Therapie wird daher sehr viel Zeit brauchen. Deswegen muss rasch damit begonnen werden! Und die letzten Urwälder lehren uns, wohin die Reise gehen muss.

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