Tödliche Bilanz
- Ein Artikel von Sigrid Totz
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Mord im Regenwald: Vier Umweltschützer werden in ihrem Dorf hingerichtet, Angehörige eines bislang unbekannten indigenen Volkes fallen einem Blutbad zum Opfer.
Anfang September werden vier führende Umweltaktivisten in einem Dorf an der peruanisch-brasilianischen Grenze an Pfähle gebunden und vor den Augen der Dorfbewohner ermordet. Edwin Chota Valera, Leonico Quincima Meléndez, Jorge Ríos Pérez, Francisco Pinedo - vier Namen mehr auf der Todesliste. Sie gehörten zum Volk der Ashaninka und kämpften für deren Land- und Menschenrechte.
Edwin Chota Valeras Tod kommt nicht unerwartet. Einem Bericht im Guardian zufolge hat er mehrfach Morddrohungen erhalten und die peruanischen Behörden um Schutz gebeten. Das Verbrechen wird erst bekannt, als die Witwen und Kinder der Ermordeten aus ihrem abgeschiedenen Heimatort nach Pucallpa flüchten, einer der größten Städte in der peruanischen Amazonas-Region. Wer die Verantwortlichen sind, muss ermittelt werden. Verdächtigt werden Schergen der Holzmafia.
Acre - Tummelplatz für Holzmafia und Drogenschmuggler
Die Grenzregion Brasilien/Peru ist für Drogenhandel und illegalen Holzeinschlag berüchtigt. Offiziell sind die Lebensräume der Indigenen per Gesetz geschützt, jedoch sind ihre Landrechte in der Regel nicht geklärt oder werden ignoriert.
"Solange die Nachfrage nach illegalem Holz weltweit besteht, schreckt die Holzmafia vor nichts zurück", sagt Jannes Stoppel, Waldexperte von Greenpeace. "De facto findet im Amazonas illegaler Holzeinschlag im großen Stil statt. Das rücksichtslose Vorgehen der Holzmafia gefährdet die intakten Urwälder und die in ihnen lebenden Waldvölker massiv. Die brasilianische Regierung muss endlich einschreiten und diese Regionen unter strengen Schutz stellen, die Rechte indigener Völker respektieren und illegalen Holzeinschlag streng bestrafen."
Nur noch rund 77 kleinere Volksstämme leben dort in völliger oder teilweiser Isolation. Sie sind von einem intakten Wald abhängig, um ihre Existenz zu sichern und ihre Kultur zu erhalten.
Ein Hilfeschrei, der bis Europa dringt
Im Juli nehmen die Xinane, ein bis dahin völlig isoliert lebender indigener Stamm, zum ersten Mal direkt Kontakt zu anderen Waldbewohnern auf. Eine kleine Gruppe junger Männer taucht im Dorf Simpatia nahe der peruanischen Grenze auf, um Hilfe zu suchen. Die Verständigung ist schwierig, denn die Xinane sprechen einen fremden Dialekt. Die Dorfbewohner informieren jedoch die brasilianische Indigenen-Behörde Funai, deren Leute sich sofort auf den Weg machen und die Gruppe ausfindig machen können.
Übersetzern gelingt es, sich mit den Xinane zu verständigen. Alles deutet darauf hin, dass illegale Holzfäller in das Gebiet des Volkes eingedrungen sind und ein Blutbad vor allem unter den älteren Stammesangehörigen anrichteten. Die jungen Männer berichten, sie hätten so viele Tote zu beerdigen gehabt, dass die Geier ihnen schließlich zuvorkamen.
Mord und Einschüchterungen auch in anderen Teilen Amazoniens
Auch andere Regionen des Amazonas-Regenwalds sind als Tatorte für schwere Gewaltverbrechen bekannt. So erregte im Jahr 2005 der Mord an der Nonne Dorothy Stang weltweit Aufsehen. Dorothy Stang war US-Amerikanerin mit brasilianischer Staatsbürgerschaft und leidenschaftliche Kämpferin für Waldschutz und Menschenrechte. Sie erhielt jahrelang Morddrohungen, bevor sie von bezahlten Mördern erschossen wurde. Auch Paulo Adario von Greenpeace-Brasilien erhielt bereits mehrfach Morddrohungen - die Arbeit unserer Kollegen in Manaus wird durch Sicherheitsvorkehrungen oft erschwert.
Europas Mitschuld
Die europäischen und deutschen Gesetze sind zu schwach, um die Einfuhr illegalen Holzes zu verhindern. Greenpeace appelliert deshalb an die Abnehmer von Holz und Holzprodukten aus dem Amazonas, die Quelle ihrer Lieferungen genau zu prüfen. "Solange wir in Europa einen Markt für Holz aus illegalen Quellen haben, tragen wir eine Mitschuld an den Verbrechen an Mensch und Umwelt im Ursprungsland", sagt Stoppel.
Im September veröffentlichte Greenpeace neue Daten, die zeigen, dass seit dem Jahr 2001 über acht Prozent der letzten intakten Waldlandschaften weltweit rasant zerstückelt wurden. Ein Viertel dieser Zerstörung betrifft den Amazonas-Regenwald.
Zum Schauen und Weiterlesen: Artikel im Guardian mit Filmaufnahmen