Indigenenführer Benki Piyãko im Interview
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Benki Piyãko, Indigenenführer aus der Amazonasregion, über Ausbeutung, Mord und eine Million neue Bäume für den brasilianischen Regenwald.
Bei der Begrüßung im Greenpeace-Büro in Hamburg ist er schweigsam, wirkt kühl und unnahbar: Benki Piyãko, Indigenenführer vom Amazonasvolk der Ashaninka. Doch als das Interview beginnt strafft sich sein Körper, der Blick wird wach; aufmerksam fixiert er seinen Gesprächspartner. Denn es geht um sein Volk, seine Heimat Brasilien – und um die Missstände und Gefahren dort.
Vor drei Monaten erst wurde einer seiner Freunde und Mitstreiter für Umweltschutz und Menschenrechte im Grenzgebiet von Peru und Brasilien ermordet; mit ihm starben drei weitere führende Aktivisten. „Wie Tiere geschlachtet“, sagt Piyãko.
Engagiert, lebendig ist er nun, als er von der Ausbeutung seiner Heimat berichtet, von korrupten Politikern und einer Holz-Mafia, die auch vor Mord nicht zurückschreckt.
Greenpeace: Ihr Mitstreiter, der Umweltaktivist Edwin Chota, starb – erhalten Sie denn keine Hilfe von der Regierung in Ihrem Land?
Benki Piyãko: Edwin, der wie ich zum Volk der Ashaninka gehörte, lebte in Peru. Die Unterstützung der Regierung dort ist noch geringer als in Brasilien. Edwin war verzweifelt, als er zu mir kam. Denn die Holzindustrie bedroht die indigenen Völker und zerstört rücksichtslos den Regenwald. Gemeinsam haben wir versucht, Unterstützung im Kampf gegen den illegalen Holzeinschlag zu bekommen. Ich habe mich an viele Hilfsorganisationen gewandt, unter anderem auch an Greenpeace, habe Filmaufnahmen gemacht und die illegalen Rodungen dokumentiert. Das Problem ist, dass der Gouverneur der Region zugleich einer der größten Holzhändler ist. Deshalb war er natürlich nicht daran interessiert, sich für unseren Schutz zu engagieren. Schließlich starben Edwin Chota und drei weitere Aktivisten, weil sie sich für ihr Land eingesetzt hatten.
Auch Sie bekommen häufig Morddrohungen. Wie gehen Sie damit um?
Die Morde an meinen Mitstreitern machen mich sehr traurig. Aber sie bestärken mich auch darin, weiter ohne Waffen gegen die Holzindustrie und für die Rechte meines Volkes zu kämpfen. Ich möchte einen friedlichen Weg gehen und anderen helfen.
Doch die peruanische Regierung sieht in mir eine Bedrohung, weil ich die Gemeinschaft der Ashaninka vernetze. Deshalb erhalte ich immer wieder Todesdrohungen. Schutz kann ich von den brasilianischen Behörden nicht erwarten. Trotzdem setze ich mich beharrlich für den ständigen Kontakt der Ashaninka-Gemeinden miteinander ein. Wir müssen zusammenhalten, uns austauschen und treffen.
Bitte erzählen Sie uns von Ihrem Volk.
Zu den Ashaninka in Brasilien gehören 1300 Menschen, die sich im Bundesstaat Acre auf vier Gebiete verteilen. Meine Gemeinschaft besteht aus etwa 600 Menschen; unser Gebiet erstreckt sich über insgesamt 87.200 Hektar. Das Gebiet wurde 1992 von der brasilianischen Regierung als Schutzzonen für mein Volk anerkannt. In Peru hingegen, wo zwischen 60.000 und 100.000 Ashaninka leben, erkennt die Regierung die Schutzgebiete nicht offiziell an. Das führt immer wieder zu Eigentumskonflikten.
Wie äußern sich diese Konflikte?
Seit den 1980er Jahren dringen in Brasilien und auch in Peru immer mehr Holzhandelsunternehmen in unsere Gebiete vor, um dort illegal Bäume zu roden. Wenn wir gegen sie angehen, bedrohen uns die Holzfäller häufig. Aus Angst zogen sich viele Ashaninka daher zurück in entlegenere Regionen. Doch mittlerweile sind wir an einem Punkt angekommen, wo es keine weiteren Rückzugsmöglichkeiten gibt. Wir haben keine Orte mehr, an denen wir Schutz finden.
Bekommen Sie denn von irgend jemandem Hilfe und Unterstützung?
Es gibt einige größere Nichtregierungsorganisationen, die sich für den Schutz unseres Volkes einsetzen und mit der Regierung in Kontakt stehen. Allerdings kennen sie die Probleme in unserer Region nicht sehr genau, und bislang konnten sie wenig erreichen. Kleine Gemeinschaften wie wir werden meist überhört.
Haben Sie selbst denn mit Vertretern der Regierungen in Peru und Brasilien gesprochen?
Wir haben einige Gespräche geführt. In denen haben wir dargelegt, dass die Firmen illegal Abholzungen in unseren Gebieten in Brasilien vornehmen. In Peru legten Sprecher meines Volkes Dokumente vor, laut denen die Holzunternehmen uns Ausbildungs- und Gesundheitszentren bauen sollten als Ausgleich für die Rodungen. Doch das waren nur leere Versprechen auf dem Papier. Weder die Regierung noch die Industrie haben diese Pläne je umgesetzt.
Sie selbst haben allerdings zwei Ausbildungsprojekte ins Leben gerufen.
Ja, denn Bildung und Vernetzung sind die wichtigsten Grundpfeiler. Deshalb werden seit 2007 im Ausbildungszentrum „Yorenka Atame“ in der Ortschaft Marechal Thaumaturgo im Bundesstaat Acre Umweltmanagement- und Naturschutzmodelle vermittelt. Diese haben das überlieferte Wissen indigener Völker als Grundlage. Parallel dazu arbeiten wir im Projekt „Beija Flor“ mit indigenen und nicht-indigenen Kindern und Jugendlichen aus Marechal Thaumaturgo.
Denn es ist besonders wichtig, dass junge Menschen die Möglichkeiten zum Schutz des einzigartigen Ökosystems Regenwald so früh wie möglich kennenlernen, anwenden und weitertragen. Im Zentrum lernen sie, nachhaltig mit natürlichen Ressourcen umzugehen und die heimische Biodiversität auszubauen und nutzbar zu machen. Auf dem Lehrplan stehen unter anderem Techniken zur Wiederaufforstung gerodeter Flächen.
Wie treiben Sie die Wideraufforstung voran?
Seit dem Jahr 2000 haben wir über eine Million neue Bäume gepflanzt. Seit Neuestem arbeiten wir auch mit der Agrarwirtschaft zusammen; wir möchten einheimisches Obst anbauen und dadurch die lokale Wirtschaft stärken.
Aber es gibt noch immer riesige Flächen, die abgeholzt sind und wieder aufgeforstet werden müssen. Dabei brauchen wir eine Artenvielfalt, die das Fortbestehen des Regenwaldes garantiert. Doch niemand von offizieller Stelle kümmert sich darum, deshalb nehmen wir das selbst in die Hand.
Erhalten Sie wenigstens finanzielle Unterstützung?
Nicht von der Regierung; von der bekommen wir keinerlei Geld. Sie baut stattdessen immer mehr Staudämme, die die Natur zerstören. In diese Bauvorhaben fließen auch deutsche Gelder. Doch die wahren Kosten müssen die Natur und die indigenen Völker zahlen. Allerdings gibt es internationale Förderprojekte für Wiederaufforstung in Peru und Brasilien, zum Beispiel von der deutschen Regierung. Die muss jedoch genau kontrollieren, wohin ihre Gelder fließen: Kommt die Förderung tatsächlich in den entsprechenden Projekten an, kommt sie dem Umweltschutz zugute?
Wie können die Menschen hier in Deutschland Sie unterstützen?
Das Wichtigste ist, dass unsere Projekte und unsere Geschichte weitergetragen werden. Denn dadurch erhöht sich der Druck auf unsere Regierung – vielleicht veranlasst sie das irgendwann zum Handeln.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Die großen Holzfirmen und Wirtschaftsmächte verschließen die Augen vor unseren Problemen; Menschenleben und Umwelt sind ihnen egal. Und auch die Politiker handeln meist nur im Interesse der Industrie. Ich wünsche mir eine Politik, die nicht nur Staudämme finanziert, sondern auch nachhaltige Projekte. Die den Regenwald respektiert und schützt.