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Maria and Silvino

Interview: Menschen im Widerstand - Ivete und Silvino

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Maria Ivete Bastos dos Santos und Silvino Pimentel Vieira leben in der Gegend von Santarém in Amazonien. Dort, am Fluss Tapajos, hat der US-Konzern Cargill illegal eine Soja-Verladestation hochgezogen. Mit Krediten, Abnahmegarantien und guten Preisen lockt das größte Privatunternehmen der Welt die großen Sojabauern aus dem Süden Brasiliens nach Amazonien. Auf der Strecke bleibt nicht nur der Urwald. Die einheimischen Kleinbauern sind in ihrer Existenz bedroht. Mit Geld oder Drohungen, auch mit Mord, werden sie gefügig gemacht. Die Online-Redaktion sprach mit Ivete und Silvino. 

Online-Redaktion: Ivete, Silvino, welche persönlichen Erlebnisse haben Euch bewogen, Widerstand gegen die Sojabauern zu leisten?

Silvino: In erster Linie geht es mir um die Erhaltung des Waldes. Aber ich habe auch ganz persönlich erfahren, was passiert, wenn die Sojabauern kommen. 2002 kamen ihre ersten Abgesandten zu uns. Sie boten Geld an. Das war nicht viel, aber den meisten der kleinen Bauern kam es vor wie ein Vermögen. Ich war damals Dorfsprecher und versuchte, die Leute vom Verkauf abzuhalten. Doch immer mehr verkauften ihr Land.

Mein Dorf ist von den Sojabauern regelrecht umzingelt worden. Sie spritzten ungeheuer viel Pestizide, dadurch wurden unsere Felder und Pflanzen von Krankheiten befallen. Und unsere Tiere starben an den Pestiziden. Irgendwann waren wir nur noch so wenige Dorfbewohner, dass die Buslinie eingestellt wurde. Zuletzt war nur noch ich übrig.

Ivete: Ich komme aus einem geschützten Gebiet, dort ist die Situation noch ganz gut. Aber in den letzten Jahren habe ich beobachtet, wie die großen Farmer aus dem Süden kamen und gemeinsam mit der lokalen Elite, vor allem der politischen Elite, alles an sich rissen. Die Einheimischen leiden darunter. Ich habe mich verpflichtet gefühlt, etwas dagegen zu tun. Habe in der Landarbeiterunion angefangen und bin jetzt Präsidentin der Union in Santarém.

Online-Redaktion: Der Konzern Cargill spielt eine Schlüsselrolle in der Entwicklung der letzten Jahre. Wie tritt Cargill vor Ort in Erscheinung?

Silvino: Cargill ist DIE Gruppe hinter den Sojabauern. Der Konzern finanziert alles, finanziert die Leute aus dem Süden vor, gibt Kredite. Ohne Cargill wären die Sojabauern nicht da.

Ivete: Cargill gibt den Sojabauern eine Abnahmegarantie. Die wissen dann, dass sie hier einen höheren Preis erzielen als im Süden. Cargill finanziert auch die Maschinen vor. Sie arbeiten außerdem mit den Holzfirmen zusammen. Wenn ein Land gegrillt wird, so heißt das, wenn es illegal in Beschlag genommen wird, dann kommen zuerst die Holzfäller, die Holzmafia. Die holen die wertvollen Bäume für den Tropenholzhandel raus und dann kommt der Sojabauer, brennt den Rest ab und pflanzt seine Soja an.

Online-Redaktion: Was tut die Bundesregierung dagegen?

Ivete: Die Bundesregierung ist in diesem Konflikt praktisch gar nicht präsent. Sie fördert den Export. Das heißt, sie unterstützt die großen Sojabauern. Mit Krediten, mit Vorfinanzierung, auch über die Bundesbanken. Offiziell hätten wir auch Zugang zu solchen Krediten, Kleinkrediten. Aber es ist ein solch bürokratischer Aufwand, einen Kredit zu bekommen, dass die kleinen Bauern das einfach nicht machen können. Sie haben auch gar nicht die Ausbildung, um hunderttausend Zettel auszufüllen.

Silvino: In mein früheres Dorf ist auch die Bank gekommen und wollte uns Kredite aufschwatzen. Die wollten uns Geld für den Kaffeeanbau geben. In Amazonien bauen die Bauern aber keinen Kaffee an. Das waren ganz typische Projekte für den Export. Ich habe damals gesagt, nein, das unterschreibe ich nicht. Ich habe keine Ahnung vom Kaffeeanbau. Ich weiß nicht, wo ich den verkaufen soll, ich würde mich nur verschulden. Einige meiner Kollegen haben unterschrieben. Das war dann auch einer der Gründe warum sie ihr Land verkauft haben. Damit sie die Schulden zurückzahlen konnten.

Ivete: Die Bundesregierung ist machtlos, weil sie sehr weit weg ist und weil die Regierung des Bundeslandes Parà wesentlich stärker ist. Das Land Parà fördert die Großen in der Landwirtschaft. Da gibt es zum Beispiel ein Gebiet westlich von Santarém, das wird gemeinschaftlich von den Gemeinden verwaltet, die darauf leben. In diesem Fall gehört das Land aber nicht dem Staat Brasilien, sondern dem Bundesland Parà. Land, das dem Staat gehört, kann nicht verkauft werden, aber das Land, das Parà gehört, kann verkauft werden. Und der Staat Parà verkauft es an die Sojabauern, obwohl Kleinbauern darauf wohnen. Die haben dann keine Chance mehr, ihre Schutzgebiete zu errichten. Das ist eines der größten Umweltverbrechen in Santarém.

Die IBAMA war vor zwei Jahren mal dort, weil es Riesenprobleme gibt, auch mit den Holzfällern. Die IBAMA war zwei Wochen vor Ort, hat Sachen beschlagnahmt, konnte sie aber nicht mitnehmen. Am nächsten Tag waren die Sojabauern wieder da, haben ihre beschlagnahmten Sachen zurückgeholt und weitergemacht. Die Policia Federal hätte das alles gleich rausschaffen müssen, aber dafür gibt es keine Infrastruktur. Von Santarém dorthin braucht man 32 Stunden mit dem Boot. Für Hubschrauber ist kein Geld da. Die reichen Sojabauern dagegen fliegen mit dem Hubschrauber hin und her.

Online-Redaktion: Ihr habt von Schutzgebieten gesprochen. Was bedeutet das und wer weist diese Schutzgebiete aus?

Ivete: Es geht hier vor allem um so genannte Resix, Sammelreservate. Das kommt aus der Bewegung des Chico Mendes in den Achtzigerjahren und funktioniert so: Die Bevölkerung in einem solchen Waldgebiet ergreift die Initiative, die Regierung in Brasilia erkennt sie an und die IBAMA führt das Ganze gemeinsam mit der Ortsbevölkerung durch.

Die Idee dahinter ist, ein Gebiet zu schaffen, in dem es gewisse Regeln gibt. Die werden von der IBAMA aufgestellt. Die Bevölkerung darf dort Holz für ihren Eigenbedarf sammeln, jagen und ihre kleinen Felder bestellen. Das wird von der IBAMA kontrolliert, aber gemeinsam mit der Bevölkerung.

Die Kleinbauern bekommen 100 Hektar zugeteilt. Die dürfen sie besiedeln und bearbeiten. Sie dürfen das Land nutzen, aber nicht verkaufen. Sie dürfen auch nur 20 Prozent abholzen. Die angekündigte Landreform soll nun bewirken, dass sie die definitiven Landrechte bekommen, aber da tut sich nichts, auch unter Lula nicht.

Dann gibt es noch das Gewohnheitsrecht. Wenn einer 10 Jahre auf dem Land lebt, gehört es ihm. Das könnte er bei der INCRA, der Bundeslandwirtschaftsbehörde, beantragen. Dann kommen aber die Großen und kaufen sich diese Landtitel illegal von der INCRA. Die INCRA hat lokale Büros in Santarém. Im letzten Jahr hat ein Großer die Landtitel von vier Dörfern bekommen. Die Leute lebten seit den Fünfzigerjahren dort, hatten aber keine Landtitel. Das waren 200 Familien. Die konnten dann sehen, wo sie blieben. Sie waren plötzlich völlig rechtlos.

Das Problem mit dem zugeteilten Land ist auch, dass die Behörde zwar Land zuteilt und Leute ansiedelt, aber keine Infrastruktur schafft. Sie baut zum Beispiel keine Straßen. Jetzt kommen die Holzfäller oder Sojabauern und schlagen völlig illegal eine Straße durch den Wald. Sie geben den Leuten ein bisschen Geld, damit sie ruhig sind, holen das Holz raus oder bauen ihre Soja an. Schließlich verkaufen die Kleinbauern ihr Land.

Silvino: Ein weiteres Problem ist, dass die Bundesregierung die Begleitmaßnahmen für die notwendige Infrastruktur nicht durchführt. Die Leute sitzen dann auf ihren 100 Hektar, haben aber keine Schule, keine Straße, gar nichts.

Ivete: 90 Prozent der 80.000 Menschen um Santarem haben keinen Landtitel. Die leben dort seit Jahrzehnten, wurden noch von der Militärdiktatur aus dem armen Norden Brasiliens dorthin umgesiedelt und haben nur das Nutzungsrecht. Jetzt kommen die Großen und schmeißen sie mit Gewalt raus. Das ist inakzeptabel. Aber wir wollen auch nicht in die andere Situation kommen, dass jeder machen kann, was er will. Wir wollen Schutzgebiete. Da entscheiden alle gemeinsam, was mit dem Land passieren soll. Jeder hat seinen Anteil von 100 Hektar, aber darf es nicht verkaufen. Schutzgebiete sind das einzige Mittel, um die Schweinereien der Sojabauern oder Holzfäller zu verhindern.

Online-Redaktion: Wie viele solche Schutzgebiete gibt es derzeit?

Silvino: Es gibt ein Resix auf der anderen Seite vom Fluss Tapajos. Das sind 560.000 Hektar mit 70 Dörfern. Das gibt es schon seit 1998. Dann gibt es ein landwirtschaftliches Schutzgebiet der INCRA mit 250.000 Hektar, aber nur 40 Dörfern. Das wurde im Dezember 2005 geschaffen. Da mussten die Sojabauern raus, obwohl sie schon angefangen hatten anzubauen. Dafür haben wir jahrelang gekämpft, das war ungeheuer schwer. Und es gibt das Pacoval. Das ist ein landwirtschaftliches Sammelreservat der INCRA. Da wurden die Häuser der Kleinbauern von den Sojabauern einfach niedergebrannt.

Online-Redaktion: Schutzgebiete sind das beste Mittel gegen die Landnahme durch die Sojabauern. Darum kämpfen die mit allen Mitteln dagegen?

Ivete: Ja. Im Moment versuchen die Leute aus dem Süden, einen ideologischen Kampf gegen die Schutzgebiete zu führen. Sie sagen, das sei rückständig, eine Rückentwicklung. Die Leute lebten im Wald, die produzierten nichts, hätten keinen Strom, kein Fernsehen. Das müsse aufhören. Da müsse industrielle Landwirtschaft rein, damit die Leute sich entwickeln könnten.

Dafür sind natürlich viele Leute anfällig. Wir haben darum eine Kampagne gemacht: Unser Land erhält uns, verkauft es nicht. Wir haben die Leute nach Santarém gebracht und ihnen gezeigt, wie die Familien jetzt leben, die ihr Land verkauft haben. Schau her, du musst jetzt mieten. Was wenn du keine Miete mehr zahlen kannst? Dann wirst du rausgeschmissen. Solche Probleme kennen die Leute auf dem Land ja nicht. Da gibt es keine Miete, das funktioniert ohne Geld. Für den Kleinbauern, der in die Stadt gegangen ist, war es eine Überraschung, dass er plötzlich Miete zahlen musste. Und kaufst du dir ein Haus, dann hast du kein Geld mehr um Essen zu kaufen. In der Stadt musst du für jede Tomate Geld zahlen.

Diese Kampagne war sehr erfolgreich. Ich hoffe, dass das eine Barriere ist, wenn die nächste Welle an Landkäufen durch die Sojabauern kommt. Im Moment ist der Druck etwas geringer geworden. Durch den Dollarverfall ist der Real im letzten Jahr sehr teuer geworden, um 30 Prozent aufgewertet. Das verteuert auch den Sojaexport.

Den Sojabauern sind mit der neuen Sojasorte, die extra für Amazonien gezüchtet worden ist, drei Ernten pro Jahr versprochen worden. Jetzt hat sich herausgestellt, dass das nicht funktioniert. Sie haben maximal zwei Ernten. Ich vermute, das liegt daran, dass so viel und so schnell abgeholzt wurde. Jedenfalls beobachte ich, dass jetzt weniger Regen fällt. Die Kalkulationen gehen nicht mehr auf.

Die Sojabauern haben auch nicht mit diesem sozialen Widerstand gerechnet. Zuerst sind die Kleinbauern von der neuen Entwicklung regelrecht überrollt worden, das ist für sie wie vom Himmel gefallen. Aber jetzt, wo wir uns organisiert haben, ist es natürlich viel Stress auch für die Sojabauern. Das spricht sich auch nach Süden rum.

Online-Redaktion: Euer Widerstand bringt euch aber auch in eine gefährliche Situation. Ivete ist mit Morddrohungen konfrontiert. Wie schützt ihr euch persönlich?

Ivete: Es gibt keinen Schutz. Es sei denn, ich höre mit der Arbeit auf oder verschwinde. Aber ich glaube an diese Arbeit, darum mache ich weiter. Wenn sie mich umbringen wollen, werden sie mich umbringen. Ich könnt am Zeugenschutzprogramm des Staates teilnehmen, aber das ist der falsche Weg: Die Opfer müssen sich verstecken, der zu verfolgende Böse läuft frei herum. Wenn ich also wählen muss zwischen Zeugenschutzprogramm oder Sterben, dann wähle ich das Sterben. Dann kann ich meine Arbeit wenigstens so lange noch weitermachen.

Außerdem: Die Bevölkerung ist auf meiner Seite. Ich spüre den Rückhalt. Wenn jemand eine lokale Berühmtheit ist wie ich, dann überlegen sogar die sich zweimal, ob sie schießen. Vor allem nach den Erfahrungen mit Sister Dorothy. Aber andere Kleinbauern werden nach wie vor erschossen.

Mir ist zugetragen worden, dass ich auf einer der Todeslisten stehe. Einer meiner Söhne hat diese Liste gezeigt bekommen. Aber was mich mehr erschreckt als das Erschossenwerden ist, dass man mir androht, langsam und qualvoll zu sterben. Die Sojabauern machen so etwas. Sie sagen: Du wirst leiden. Davor habe ich am ehesten Angst. Unfrei bin ich auf jeden Fall. Ich kann mich nicht mehr bewegen, wie ich will.

Online-Redaktion: Wohnst du bei deiner Familie?

Ivete:Ja. Bis 2008 bin ich zur Präsidentin gewählt, das will ich auch durchziehen. Mein Sohn ist 18, meine Tochter 16. Sie wohnen bei mir, und ich mache mir natürlich auch Sorgen um ihr Wohl. Mein älterer Sohn ist in Manaus, er ist 20.

Online-Redaktion: Was sagen deine Kinder zu dieser Situation?

Einer meiner Söhne ist selber schon Opfer geworden. Er hat Hamburger an einem Straßenstand verkauft, zufälligerweise in der Nähe von Cargill. Als die mitbekommen haben, dass er mein Sohn ist, wurde er rausgemobbt. Er hat den Job verloren. Ich vesuche meine Kinder psychologisch vorzubereiten, damit sie, falls etwas passiert, stolz auf ihre Mutter sind. Damit sie sagen können, das war eine wichtige Arbeit, das war es wert. Ich glaube, sie sind stolz auf mich.

Mein Ältester in Manaus hat am meisten Angst. Jedesmal, wenn er mich sieht, wenn ich nach Manaus komme, holt er mich vom Flughafen ab.

Online-Redaktion: Wie reagieren die Medien auf eure Aktivitäten?

Silvino: Die lokalen Medien sind alle gegen uns. Wenn wir demonstrieren, wird das nicht publiziert. Aber hinterher wird berichtet, und zwar sehr negativ. Uns wird vorgeworfen, gegen Entwicklung zu sein. Wir schaffen keine Arbeitsplätze usw.

Dabei hat Cargill trotz anderslautender Versprechungen auch keine Arbeitsplätze geschaffen. Im Gegenteil: Die Arbeiter von Cargill sind alle aus dem Süden. Und die aus dem Süden bringen ihre eigenen Supermärkte und Geschäfte mit. Die Einheimischen müssen dann auch noch in die Geschäfte der Gauchos gehen. Vorher gab es ja keine Geschäfte, sie brauchten ja keine.

Die einzige Ausnahme unter den Medien ist das Radio Rural, das Bauernradio. Das wird von der katholischen Kirche betrieben. Das ist auf unserer Seite. Das ist ein sehr starkes Medium, die sind überall. Den Sender kann man überall auf dem Land empfangen und alle Betroffenen schalten den Sender auch ein. Über Radio Rural kommunizieren wir auch. Wir benachrichtigen uns über alles, was vorgefallen ist.

Ivete: Radio Rural ist ein politisches Radio. Ganz speziell für diesen Zweck gegründet. Die anderen Radio- und Fernsehsender sind alles 08/15-Sender zur Unterhaltung, aber ohne jeden Bildungsauftrag. Der interessiert die Redakteure nicht. Dadurch erfahren wir auf dem Land mehr als die Leute in der Stadt. Andererseits bekommen wir in der Stadt dadurch aber auch kaum Unterstützung.

Silvino: In der Stadt gibt es andere Vereinigungen wie die Frauenbewegung, aber die übrige Bevölkerung dort weiß gar nicht, was auf dem Land los ist. Die hören immer nur, aha, da kommen wieder irgendwelche Hinterwäldler und wollen uns Cargill wegnehmen, aber Cargill ist doch der Fortschritt.

Ivete: Es gibt einen massiven Exodus vom Land in die Stadt. Santarem wächst völlig unkontrolliert. Vor 15 Jahren haben 70 Prozent der Bevölkerung auf dem Land gewohnt, heute ist es umgekehrt. Der Großteil ist in den letzten fünf Jahren gekommen.

Die Landleute, die in die Stadt kommen, sind völlig ungebildet. Sie haben keinerlei Ausbildung. Können oft nicht lesen und schreiben. Haben kein Arbeitsbuch, können darum gar nicht angestellt werden. Viele dieser Leute existieren offiziell gar nicht, weil es keine Geburtsurkunden gibt. Dann kommen sie an den Stadtrand, da wird eine Favela [ein Slum] aufgemacht, es gibt keinen Strom. Sie versuchen, den Strom irgendwie abzuzapfen, kommen dabei um. Sie können keine Trinkwasserbrunnen bauen, weil sie kein Geld haben. Sie sitzen da wirklich im Elend.

Online-Redaktion:Silvino, du bist trotz des Drucks nicht in die Stadt gegangen. Warum nicht, wusstest Du über die Zustände Bescheid?

Silvino: Ich war auf das, was da passieren würde, vorbereitet. Ich gehörte ja zu einer Bildungsinitiative im Dorf, habe die anderen zu überzeugen versucht. Ohne Erfolg. Und ich wusste, dass ich schließlich auch würde verkaufen müssen. Also habe ich mich rechtzeitig woanders nach Land umgesehen. Weil ich nicht sofort verkauft habe, habe ich einen besseren Preis bekommen. Dadurch konnte ich auch ein besseres Haus bauen.

Ich habe selber schon jahrelang in der Stadt gelebt. Habe dort Wasserrohre verlegt. Dann war die Arbeit beendet und ich bin aufs Land zurückgegangen.

Online-Redaktion: Dort lebst du mit deiner Familie?

Silvino: Ja, mit meiner Frau und meinen Kindern. Ich habe sieben Kinder und zwei Enkel. Zwei wohnen in der Stadt und haben dort Arbeit. Die anderen wohnen zu Hause und arbeiten auf dem Feld.

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