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Sandra Hieke im Stadtforst Lübeck
Jörg Modrow / Greenpeace

Interview mit Expertin Sandra Hieke zur Greenpeace-Waldvision

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Kann der deutsche Wald das Klima wirkungsvoller schützen als bisher? Wenn ja, wie? Greenpeace-Waldexpertin Sandra Hieke erklärt, wie Forstwirtschaft dafür künftig aussehen müsste.

Wie der Wald am wirksamsten zum Klimaschutz beiträgt, ist umstritten. Naturschützer und die holzverarbeitende Industrie sind sich uneins, mit welcher Bewirtschaftung das meiste klimaschädliche CO2 aus der Atmosphäre gebunden wird. Um Klarheit zu schaffen, hat Greenpeace eine Studie in Auftrag gegeben: Das Öko-Institut in Freiburg rechnete für Greenpeace die denkbaren Szenarien für den deutschen Wald einmal durch. Das unabhängige Forschungsinstitut kam dabei zu einer überzeugenden Antwort: Eine ökologische Bewirtschaftung und größere Schutzflächen sorgen dafür, dass der Wald in Deutschland sein Potenzial als Klimaschützer besser ausschöpfen kann.

Sandra Hieke ist Diplom-Forstwirtin und Greenpeace-Expertin für Wälder. Im Interview erklärt sie, warum externe Fachleute die Studie für Greenpeace erstellt haben, was sich im Wald ändern muss – und dass sich etwas ändern kann.

Greenpeace: Greenpeace hat bereits für verschiedene Sektoren Studien entwickelt: die Agrarwende, die Verkehrswende und eine Waldvision. Warum brauchen wir Visionen? Was soll damit erreicht werden?

Sandra Hieke: Als Umweltschutzorganisation wird uns oft vorgehalten, dass unsere Ziele oder auch Forderungen unrealistisch oder zu hoch gesteckt sind. Jahrzehntelang hieß es, der Atomausstieg sei nicht möglich – Der Plan zeigt, wie die Energiewende funktionieren kann. Treibhausgase aus der Landwirtschaft halbieren? Das Kursbuch Agrarwende zeigt wie. Kann Verkehr bis 2035 emissionsfrei sein? Die Antwort gibt die Verkehrswende für Deutschland. Und schlussendlich: Können Wälder in Deutschland mehr CO2 binden und wieder naturnäher werden? Ja – die Waldvision zeigt entgegen aller Unkenrufe, wie das geht. Die Studien liefern damit nicht nur wichtige Argumente für Entscheidungsträger, sie zeigen auch auf wissenschaftlicher Grundlage, dass eine umweltverträgliche Lebensweise möglich ist – und welche Herausforderungen es dabei gibt.

Welche Bedeutung hat speziell die Waldvision? Dass der deutsche Wald geschützt werden muss, ist eigentlich allen klar. Und es gibt seit Jahrzehnten die Idee einer ökologischen Waldwirtschaft. Worum geht es Greenpeace?

Dass wir in Deutschland mehr Wälder schützen und auf eine ökologische Waldwirtschaft umstellen müssen, ist leider überhaupt nicht allen klar: Nur rund zwei Prozent der Wälder in Deutschland können sich derzeit natürlich entwickeln und sind dauerhaft rechtlich vor Holzeinschlag geschützt. Eine ökologische Waldbewirtschaftung wird in Deutschland bisher nur auf einem Bruchteil der Fläche umgesetzt. Das muss sich dringend ändern, wenn uns Klimaschutz und der Erhalt der Artenvielfalt wirklich wichtig sind.

Greenpeace hat dem Öko-Institut in Freiburg den Auftrag erteilt, diese Vision für den deutschen Wald zu erstellen. Was war der Grund, dafür externe Wissenschaftler zu beauftragen? Bei Greenpeace gibt es ja auch Spezialisten.

Der Wald steht in Deutschland im Spannungsfeld gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Interessen. Die Interessen der Forst- und Holzwirtschaft, nämlich mehr Holz einzuschlagen und zu verbrauchen, stehen den Forderungen von Umwelt- und Naturschützern entgegen: mehr Wald vor Holzeinschlag zu schützen und Wälder schonender zu bewirtschaften, um dadurch die Artenvielfalt zu erhalten. Beide Interessengruppen behaupten, ihr Weg sei besser für den Klimaschutz. Wir wollten ganz einfach wissen, wer Recht hat, und verhindern, dass irgendjemand behaupten kann, wir hätten uns die Ergebnisse zusammengeschustert.

Was waren die Vorgaben von Greenpeace?

Bei so einem Projekt reicht es nicht, einmal zu Beginn zu sagen: Liebes Ökoinstitut, berechne mir, wie der Wald in Deutschland in 50 oder 100 Jahren aussieht. Damit kann ein Computermodell nichts anfangen. Man muss die unterschiedlichen Bedingungen, unter denen der Wald wächst, genau definieren: Wieviel und welches Holz soll wie oft eingeschlagen werden, welchen Durchmesser sollen die unterschiedlichen Baumarten dann haben. Wie viel von welchen Waldgesellschaften soll geschützt werden – sollen nur besonders seltene Wälder wie alte Buchenwälder oder Auwälder geschützt werden oder auch Nadelwälder? All das hat Einfluss darauf, wie der Wald wächst, wieviel Holz zur Verfügung steht, aber auch, wieviel CO2 gebunden werden kann, und ob der Wald naturnäher wird.

Die Liste der zu klärenden Fragen war am Anfang scheinbar unendlich lang. Uns war außerdem bewusst, dass jede Annahme, die wir treffen, eine große Diskussion im Forst- und Holzsektor auslösen kann. Wir haben uns daher mit zahlreichen Fachleuten und Praktikern hierzu beraten.

Warum gibt es drei Szenarien?

Wir wollten nicht nur wissen, wie der Wald wächst, wenn wir weiter machen wie bisher, sondern eben auch, wie er sich entwickelt, wenn mehr Wald geschützt und der Rest ökologisch bewirtschaftet würde. Da die Forst- und Holzindustrie und teilweise auch Politiker propagieren, noch mehr Holz einzuschlagen und mehr Holz zu verbrauchen, da es gut für das Klima sei, wollten wir herausfinden, ob das stimmt. Die Ergebnisse der Berechnungen des Öko-Instituts zeigen ganz deutlich, dass diese Rechnung nicht aufgeht. Durch eine moderate Verringerung des Holzeinschlags könnte der deutsche Wald in Zukunft stark wachsen, viel mehr alte und starke Bäume haben und bis Anfang des nächsten Jahrhunderts Jahr für Jahr durchschnittlich 48 Millionen Tonnen CO2 zusätzlich binden und aus der Atmosphäre entfernen. Das ist fast das Dreifache – knapp 30 Millionen Tonnen jährlich mehr – als in einem Basis-Szenario, das die heutige Waldwirtschaft in die Zukunft fortschreibt.

Was sind die nächsten Schritte nach Veröffentlichung der Studie? Wie will Greenpeace daran arbeiten, Druck aufzubauen zum dauerhaften Schutz des Waldes?

Wir werden uns auch weiterhin weltweit dafür einsetzen, dass die Entwaldungen gestoppt und die letzten noch intakten Wälder geschützt werden. Dazu gehört es, gegen die Ursachen der Waldzerstörung vorzugehen: den großflächigen Anbau von Ölpalmen oder Soja etwa, Rinderzucht oder illegalen Holzeinschlag. Die Waldvision zeigt aber auch, wie wichtig die Renaturierung bereits intensiv genutzter Waldgebiete für den Klimaschutz und den Erhalt der Artenvielfalt ist.

Holzprodukte sind beliebt und werden massenhaft konsumiert. Wie gehst du persönlich damit um?

Ich versuche meinen Papierkonsum stark einzuschränken und benutze wiederverwendbare Produkte, wo es möglich ist. Ich liebe aber Holz und habe bei mir zu Hause sowohl antike Möbel meiner Urgroßmutter, als auch moderne Holzmöbel, die hoffentlich ein Leben lang halten. Bei der Renovierung nach einem Wasserschaden haben wir den alten Holzboden wiederaufarbeiten lassen, anstatt neue Dielen einzubauen. Erst neulich habe ich mit meiner Tochter eine Garderobe aus Holz aus unserem Garten gebaut. Die sieht nicht nur gut aus, das Handwerken hat auch viel Spaß gemacht.

Greenpeace-Waldvision

Greenpeace-Waldvision

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Protest in front of Ikea Store in Wallau

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