EU-Mercosur würde Waldzerstörung für Futtersoja fördern
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Das geplante Handelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten hat schädliche Folgen. Eine davon: Die Waldzerstörung für Futtersoja würde angekurbelt.
13 Millionen Hektar. Eine Fläche, größer als Bayern, Baden-Württemberg und Hessen zusammen. Bedeckt von einer einzigen Pflanzenart: der Sojabohne. Was klingt wie ein Alptraum, ist schon heute Realität: 13 Millionen Hektar beträgt die Anbaufläche für Soja in den vier südamerikanischen Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay. Wohlgemerkt nicht insgesamt, sondern nur der Teil des Sojas, das für den Export in die EU bestimmt ist.
Die gigantische Zahl zeigt, welch wichtiger Abnehmer die EU für südamerikanisches Futtersoja ist. Und da 87 Prozent der EU-Sojaimporte direkt oder indirekt mit Waldvernichtung im Zusammenhang stehen, ist deutlich erkennbar, welch gewaltiger Treiber die europäische Nachfrage für Rodungen, Treibhausgas-Emissionen sowie Land- und Menschenrechtskonflikte in Südamerika ist.
Doch als gäbe es all diese Erkenntnisse nicht, plant die EU ein Handelsabkommen mit den Mercosurstaaten, das diese Probleme verschärfen würde. Wie eine neue Studie von Greenpeace und Misereor zeigt, ist der Vertrag absolut nicht geeignet, Umweltzerstörung in den Mercosurländern zu stoppen, sondern im Gegenteil, sie würde verstärkt. Soja ist dabei ein besonderes Problem: So sollen laut Vertrag etwa die argentinischen Exportsteuern auf Soja halbiert werden, was potenziell den Export noch anheizt, statt ihn zu reduzieren. Maßnahmen für einen ökologischeren Anbau, wie sie etwa in dem von Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisationen der Vereinten Nationen propagierten Konzept der Agrarökologie enthalten sind, fehlen hingegen.
Ein Teufelskreis für den Profit
Neben der Förderung von Sojaexporten enthält der Vertrag viele weitere umweltschädliche Ansätze. Die zollbegünstigten Einfuhrquoten der EU aus der Region würden für Rind- und Hühnerfleisch um die Hälfte, für Bioethanol auf Zuckerrohrbasis sogar um das Sechsfache ansteigen. “Das Handelsabkommen würde in Südamerika die Expansion von Zuckerplantagen, Sojafeldern und Weideflächen beschleunigen”, so Pirmin Spiegel, Hauptgeschäftsführer von Misereor. Das seien Haupttreiber von Waldzerstörung, Landvertreibungen indigener Gemeinschaften und Menschenrechtsverletzungen.
Das Ziel ist also, mehr Fleisch aus Südamerika nach Europa zu bringen - als gäbe es hier nicht ohnehin bereits eine Überproduktion und als müssten für dieses Fleisch nicht großflächig Wälder weichen. „Der Handelsdeal der EU ist ein Brandbeschleuniger, der die Zerstörung des Regenwaldes weiter vorantreibt”, warnt auch Martin Kaiser, geschäftsführender Vorstand von Greenpeace Deutschland. 70 Prozent der jüngst stark zugenommenen Amazonasbrände in Brasilien hätten sich in den Herkunftsregionen für Schlachtfleisch ereignet. Eine Begünstigung von Fleischimporten aus der Region ist daher klimatechnisch hochproblematisch: „Die Amazonasregion braucht dringend unser aller Schutz, denn die ersten Feuer der Saisonlodern bereits und die Welt wird in Kürze mit der nächsten, gigantischen Waldbrandkatastrophe konfrontiert sein.”
Was den Teufelskreis weiter antreibt: Die ebenfalls geplante Senkung von Chemiezöllen hat zum Ziel, dass Europa mehr Pestizide in die Mercosur-Länder ausführen kann. Laut Studie sind in Brasilien 57 hochgiftige Pestizide von BASF und 36 von Bayer erlaubt, die in der EU nicht zugelassen sind. Darunter sind auch Pestizide, die für Bienen und andere Insekten besonders schädlich sind. Diese Pestizide kämen beispielsweise auf Futterpflanzen für Rind- und Hühnerfleisch zum Einsatz sowie im Zuckerrohranbau. Und in Brasilien sprühen demnach Großgrundbesitzende schon mal Pestizide gezielt auf Gebiete, in den Indigene leben, um diese zu vertreiben.
Das Abkommen kann gestoppt werden
Misereor und Greenpeace fordern die Bundesregierung daher auf, das Abkommen nicht länger zu verfolgen. Immer mehr Länder kritisieren es, zunächst Irland, Frankreich und Österreich, dann auch die Niederlande und Belgien - Deutschland muss nun folgen. Die Bundesregierung übernimmt im Juli die EU-Ratspräsidentschaft und muss in dieser Funktion das Abkommen ablehnen. In Zeiten, in denen Brasiliens Präsident schamlos Umwelt- und Menschenrechte mit Füßen tritt, würde ein Abkommen ohne rechtlich durchsetzbare und ambitionierte Klauseln zu deren Schutz unweigerlich zu einer Ausweitung dieser Politik führen, die mit den Werten der EU-Kommission für eine verantwortungsbewusste Handels- und Investitionspolitik nichts gemein hat.
EU-Handelskommissar Phil Hogan hat angekündigt, die EU-Handelspolitik auch mit Blick auf Klimaschutz und Nachhaltigkeit anzupassen. “Wenn die EU die angekündigte Reform der Handelspolitik ernst meint, ist dies der Zeitpunkt, Menschen- und Umweltrechte endlich vor Profit zu stellen”, fordert Jürgen Knirsch, Handelsexperte von Greenpeace.