Greenpeace-Report dokumentiert das Versagen der Regierung
- Ein Artikel von Sigrid Totz
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Die brasilianische Regierung wollte Großes leisten gegen die Zerstörung des Amazonasurwalds und hat doch versagt. Das belegt ein Report, den Greenpeace am Donnerstag in Sao Paulo/Brasilien veröffentlicht hat. Immer mehr Hektar Wald fallen der Abholzung und Brandrodung zum Opfer - in erster Linie für Sojaanbau und Viehzucht.
Im März 2004 stellte Präsident Luiz Inácio Lula da Silva seinen Aktionsplan zum Kampf gegen die Entwaldung am Amazonas vor. Heute zeigt sich: 70 Prozent der vorgesehenen Maßnahmen wurden nicht umgesetzt. Stattdessen geht die Zerstörung weiter. Allein in der zweiten Jahreshälfte 2007 wurden im Amazonasgebiet knapp 7.000 Quadratkilometer Urwald vernichtet. Das ist die achtfache Fläche Berlins.
Lulas Scheitern ist verhängnisvoll für den Amazonas, sagt Martin Kaiser, Waldexperte von Greenpeace. Die ambitionierten Pläne können derzeit diese Schatzkammer der Artenvielfalt nicht retten. Die Widerstände sind groß, denn die Zerstörung des Urwaldes ist hoch profitabel. Lula hat die Aufgabe unterschätzt, er muss wesentlich mehr tun, um den Urwald zu schützen.
Der Greenpeace-Report zeigt, dass von 32 geplanten strategischen Maßnahmen nur 10 umgesetzt wurden oder kurz vor der Umsetzung stehen, darunter ein satellitengestütztes System zur Überwachung des Waldes. Teilweise realisiert wurden elf der angekündigten Maßnahmen.
Weitere elf Ansätze unterblieben völlig. Hierzu zählen vor allem Maßnahmen für eine angepasste nachhaltige Entwicklung der Amazonasregion. Nachhaltige Entwicklung, das könnte zum Beispiel bedeuten: Eigene geschützte Gebiete für die Gummizapfer. Sie nutzen den Wald schonend und nachhaltig. Die Gummizapfer zu fördern, böte daher Wald und Menschen eine Perspektive. Auch sanfter Tourismus könnte eine Chance sein - eine Einkommensquelle, die den Wald nicht zerstört.
Doch nicht nur Brasilien muss mehr tun, um den Urwald zu schützen. Greenpeace fordert auch finanzielles Engagement von Deutschland und anderen Industrieländern. Der Schutz des Urwalds, nicht seine Zerstörung, muss rentabel sein. Im Mai findet in Bonn der nächste UN-Urwaldgipfel statt, die CBD (Convention on Biological Diversity). Bundeskanzlerin Angela Merkel sollte dort den Aufschlag machen: mit zwei Milliarden Euro jährlich für die Einrichtung von Schutzgebieten.
Das wäre auch im Interesse der Industrieländer: Ein Fünftel der weltweit freigesetzten Treibhausgase entstehen durch Waldzerstörung. Urwaldschutz ist Klimaschutz, erklärt Kaiser. Wenn die Zerstörung weitergeht, müssen auch die Menschen in den Industrieländern mit dem Klimawandel die Konsequenzen der Urwaldvernichtung tragen.
Immerhin: Einen Lichtblick gibt es. Das 2006 von Greenpeace erreichte Sojamoratorium im Amazonasgebiet wird eingehalten - obwohl die Sojapreise in den vergangenen zwölf Monaten um über 70 Prozent gestiegen sind.
Eine solche Preisentwicklung wäre eigentlich Anlass für viele Grundbesitzer, weitere Urwaldflächen für Ackerland zu zerstören. Doch durch das Moratorium nahmen die Anbauflächen von Soja in den vergangenen zwei Jahren ab. Eine neue Greenpeace-Recherche zeigt, dass es zwar neue Entwaldungen auch innerhalb von Sojafarmen gibt, dass auf diesen Flächen aber keine Soja angebaut wird.