Biodiesel – Urwaldzerstörung aus der Zapfsäule
- Ein Artikel von Sigrid Totz
- Nachricht
Archiviert | Inhalt wird nicht mehr aktualisiert
Die Bundesregierung zwingt deutsche Autofahrer, den Urwald in Argentinien zu zerstören, so der lapidare Kommentar unseres Agrarexperten Alexander Hissting. Gemeint ist der gesetzlich vorgeschriebene Anteil an Agrosprit im Diesel der Konzerne Shell, Esso und Aral. Er besteht zu fast 20 Prozent aus Sojaöl. Kein Wunder, dass in Südamerika der Sojaanbau boomt.
Greenpeace hat in den vergangenen Wochen bundesweit Dieselproben an Tankstellen der drei großen Mineralölkonzerne genommen. Wir wollten wissen, aus welchen Pflanzen der gesetzliche 'Biosprit'-Anteil stammt. Das Ergebnis der Analyse haben wir am heutigen Mittwoch in Berlin vorgestellt. Dass in den Proben nicht nur heimisches Rapsöl gefunden wurde, hat letztlich nicht überrascht. Es gibt nicht genug Raps in Deutschland, um die Beimischungsquote zu erfüllen.
Sojabohnen werden vor allem in Südamerika angebaut. Die stärkere Nachfrage nach Agrosprit führt dort zu einer immer größeren Nachfrage nach Ackerland. Für die neuen Plantagen werden beispielsweise in Argentinien riesige Urwaldgebiete gerodet. Urwälder sind für ein stabiles Weltklima von großer Bedeutung. Ausgerechnet der Klimaschutz muss nun als Begründung für immer mehr Urwaldzerstörung herhalten.
Die Befürworter der Beimischung argumentieren, dass der Einsatz von Agrosprit den Ausstoß an Treibhausgasen verringere. Tatsächlich wird bei der Verbrennung im Motor nicht mehr Kohlendioxid frei als die Pflanze während ihres Wachstums aufgenommen hat. Trotzdem geht die Gleichung nicht auf. Die vollständige Klimabilanz ergibt sich erst aus dem gesamten Produktionsprozess - von der Vorbereitung der Ackerfläche bis zur Zapfsäule.
Es geht los bei der Landnutzungsänderung, also der Umwandlung von Wäldern und Weiden in Ackerland. Durch die Zerstörung der Urwälder gehen unersetzliche Kohlenstoffspeicher verloren. Die häufig angewendete Brandrodung verursacht darüber hinaus immense zusätzliche Mengen an Kohlendioxid. Düngemittelfabriken, Traktoren und Erntemaschinen verursachen weitere Emissionen, ebenso Transport und Weiterverarbeitung der Ernte.
{image_r}Wenn es nach Bundesumweltminister Sigmar Gabriel und Landwirtschaftsminister Horst Seehofer geht, steigt der Beimischungsanteil im Diesel bis 2020 auf 17 Prozent. Da der Rapsanbau für Agrodiesel bereits an seine Grenze gestoßen ist, muss der Anteil an Sojadiesel entsprechend vergrößert werden. Die Folgen wären fatal.
Setzt sich die Bundesregierung mit ihrer Politik durch, wird künftig noch mehr Wald dem Agrosprit zum Opfer fallen, sagt Alexander Hissting. Wer wirklich das Klima schützen will, muss die letzten Urwälder schützen, nicht zerstören.
Greenpeace hat errechnet, dass jedes weitere Prozent Beimischung in Deutschland zu einem riesigen Zuwachs an Soja-Anbaufläche führen würde: über 700.000 Hektar pro Jahr. Für 17 Prozent Beimengung müssten voraussichtlich 4,9 Milliarden Liter Sojadiesel importiert werden. Die Sojaplantagen hierfür würden ein Ausmaß von fast 10 Millionen Hektar einnehmen und damit der Fläche von Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen zusammen entsprechen.
Hissting bezeichnet die geplante Beimischungsquote deshalb als Irrweg. Er verweist auf wissenschaftliche Untersuchungen, beispielsweise der renommierten Zeitschrift Science Magazin: Diese Untersuchungen haben ergeben, dass es 319 Jahre dauern würde, bis der Einsatz von Sojadiesel die Menge an Treibhausgasen eingespart hat, die durch eine Abholzung des Amazonasurwalds für die Sojaplantage zuvor freigesetzt wurde. Im argentinischen Chaco-Urwald würde es 176 Jahre dauern.