Mehrwertsteuer-Reform: Inflation dämpfen, Tierleid beenden
- Ein Artikel von Matthias Lambrecht
- mitwirkende Expert:innen Matthias Lambrecht
- Meinung
Die Forderungen nach einer Reform der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel werden immer lauter. Eine von Greenpeace beauftragte Studie des Öko-Instituts belegt die möglichen positiven ökologischen und finanziellen Effekte. Jetzt ist die Ampel gefordert, den Worten des Landwirtschaftsministers Taten folgen zu lassen und die FDP-Blockade zu beenden. Ein Kommentar von Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Matthias Lambrecht.
Wissenschaftler:innen des Öko-Instituts haben im Auftrag von Greenpeace kalkuliert, was möglich wäre, wenn Deutschland und andere EU-Länder die im März verabschiedete EU-Vorgabe nutzen, um Obst und Gemüse von der Mehrwertsteuer zu befreien und zugleich die Subventionen auf tierische Produkte zu streichen.
Die Ergebnisse der heute veröffentlichten Studie sollten jeden Finanzminister unabhängig vom Parteibuch überzeugen. Denn sie zeigen, wie eine Steuerbefreiung Verbraucher:innen entlasten sowie klimaschädliche Subventionen beseitigen kann und wie der Fiskus damit unterm Strich sogar noch Mehreinnahmen verbucht. Diese kann der Staat sinnvoll investieren – etwa in die Beseitigung von Tierleid.
Die Verbraucher:innen würden in allen fünf untersuchten EU-Ländern (Deutschland, Österreich, Niederlande, Belgien, Polen) von einer solchen Reform finanziell profitieren. In Deutschland lägen die Ausgaben für Lebensmittel pro Kopf und Jahr um fast 30 Euro niedriger. Und zugleich könnte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) mit zwei Milliarden Euro zusätzlichen Einnahmen rechnen. Das wirkt zunächst überraschend – geringere Konsumausgaben bei zugleich steigenden Staatseinnahmen. Doch wenn die bislang ermäßigten Steuern auf Fleisch und Milchprodukte von sieben Prozent an den regulären Satz von 19 Prozent angeglichen würden, flösse mehr Geld in die öffentlichen Kassen, als durch die Steuerbefreiung von Obst und Gemüse und den veränderten Konsum verloren gingen.
3,2 Millionen Tonnen weniger Treibhausgase durch Steuerreform
Der Gewinn fürs Klima: Mit den durch die Steuerreform veränderten Lebensmittelpreisen würde die Nachfrage nach Fleisch und Milchprodukten sinken. Damit müssten weniger Tiere gehalten werden. Allein für Deutschland veranschlagen die Expert:innern des Öko-Instituts einen um 3,2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente niedrigeren Ausstoß von Treibhausgasen.
Die Steuermehreinnahmen aus der Reform könnten dafür verwendet werden, den Umbau von Tierställen zu fördern und das massenhafte Leid der bislang eng gehaltenen Tiere in der industriellen Erzeugung von Fleisch und Milchprodukten zu beenden. Die überfälligen Investitionen für mehr Tierwohl aus Mehrwertsteuereinnahmen zu finanzieren, empfehlen auch die Expert:innen der Borchert-Kommission. Diese Kommission hatte bereits der alten Bundesregierung Vorschläge zur Verbesserung der Tierhaltung vorgelegt. Nun haben sie in einem am Wochenende öffentlich gewordenen Papier ihre Forderung nach einer Anhebung der Mehrwertsteuer unterstrichen und die Bundesregierung gewarnt, dass sonst „die Chance für einen flächendeckenden Umbau der deutschen Nutztierhaltung verpasst wird“.
Es gibt also dringenden Handlungsbedarf – zur Verbesserung des Tierwohls, zum Schutz des Klimas und um Menschen so schnell wie möglich finanziell zu entlasten, die unter dem Druck der Inflation leiden. Dass die Bundesregierung dennoch bislang untätig geblieben ist, haben nicht nur die Blockierer aus der Partei des Bundesfinanzministers zu verantworten – jene FDP-Politiker:innen, die immer wieder nur ihr Mantra gegen Steuererhöhungen wiederholen, sich dabei aber eher von fragwürdigen Partikularinteressen als von gemeinwohlorientierten Grundüberzeugungen leiten lassen.
Auch die Ampel-Koalitionär:innen von der SPD und den Grünen müssen sich fragen lassen, wie es um ihre ökologischen und sozialen Prinzipien bestellt ist. Bei der steuerlichen Entlastung von Benzin und Diesel, die vor allem gut verdienenden Besitzer:innen großer und schneller Autos dient, war davon wenig zu erkennen. Jetzt sollten sie den Worten des grünen Landwirtschaftsministers Cem Özdemir, der sich bereits für eine Mehrwertsteuerreform bei Lebensmitteln stark macht, endlich Taten folgen lassen. Bessere Argumente und den Rückhalt von Expert:innen, um sich gegen Finanzminister Lindner und seine FDP-Blockierer durchzusetzen, hätten sie allemal.
Reform of the VAT rates for animal and plant products
Anzahl Seiten: 30
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