
Koalitions-Check zu Bildung: Ist das ein Neuanfang?
Wie viel Bildung enthält der neue Koalitionsvertrag von Union und SPD?
- mitwirkende Expert:innen Thomas Hohn
- Hintergrund
Mit dem neuen Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD wollen die Parteien eine zukunftsfähige, inklusive und gerechte Bildung für alle schaffen. Besonders hervorzuheben sind die geplanten Investitionen, die Förderung von Zukunftskompetenzen und die Verbesserung der mentalen Gesundheit von Jugendlichen. Aber was steht noch im Koalitionsvertrag zu Bildungsthemen? Wir haben die 144 Seiten des Vertrags für Sie gelesen und analysiert.
Bildung wird in neues Ministerium integriert
Die künftige Bundesregierung will Ministerien umstrukturieren: Das Bildungsressort soll aus dem bisherigen Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) herausgelöst und in das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) integriert werden.
Damit würde die gesamte Bildungskette, von der frühkindlichen Förderung bis zum lebenslangen Lernen, in einem Haus zusammengeführt. Ziel ist offenbar stärkere Verzahnung dieser Themen in der Bildungspolitik. Der Ansatz wirkt bildungspolitisch schlüssig, insbesondere um Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken.
Koalitionsvertrag: Mögliche Potenziale für Bildung
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Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE): Es ist ein wichtiges Signal, dass der Koalitionsvertrag BNE erwähnt und als Schlüssel der Zukunft sieht, jedoch ohne BNE dabei als zu Leitperspektive zu verankern. Die Umsetzung und Weiterentwicklung der Agenda 2030 und der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie werden ins Auge gefasst.
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Demokratie stärken: Demokratiebildung ist einer von vielen Schwerpunkten in der Bildung, sowohl in Verknüpfung mit großen Bundesprogrammen, bei der Grundbildung, als auch im Bereich Medienbildung.
- Investitionen und Qualitätssteigerung: Die künftige Regierung plant, massiv in Bildung zu investieren, auch wenn genaue Zahlen und konkrete Pläne noch fehlen. Die Entbürokratisierung von Förderstrukturen und die Neuauflage der „Qualitätsoffensive Lehrkräfte“ sind Schritte in die richtige Richtung. Abzuwarten ist, wie der Impuls „Bessere Bildung bis 2035“, der sich im Koalitionsvertrag wiederfindet, gestaltet wird. Bei allen Punkten bleibt jedoch noch viel Luft nach oben, um BNE stärker als modernstes Bildungskonzept zu etablieren.
- Mentale Gesundheit: Der Koalitionsvertrag will Schüler:innen mit einem klaren Fokus auf Prävention, Früherkennung und durch die Bereitstellung von Fachkräften stärken. Dies wäre ein bedeutender Fortschritt für das Wohlbefinden von Lernenden und Lehrenden sowie das Klima in den Bildungsorten.
- Bund-Länder-Zusammenarbeit: Es soll eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern sowie Kommunen im Bildungsbereich geben. Das ist sehr zu begrüßen, doch auch hier fehlt eine spezifische Verknüpfung mit BNE.
Kritische Punkte, Stillstand und Rückschritte
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Fehlende konkrete Zahlen zur Finanzierung: Der Koalitionsvertrag nennt keine spezifischen Zahlen für Bildungsinvestitionen. Das ist in Anbetracht der aktuellen Bildungskrise und der nötigen finanziellen Anstrengungen eine kritische Lücke im Koalitionsvertrag.
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Jugendbeteiligung: Trotz der Ankündigung eines nationalen Jugendgipfels bleibt die tatsächliche Beteiligung junger Menschen an politischen Prozessen unzureichend. Demokratie muss erlebt werden, doch die Jugendperspektive bleibt außen vor.
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Verzahnung der Programme mit BNE: Viele bestehende Bundesprogramme wie “Startchancen” oder “Kultur macht stark” werden zwar verstetigt oder ausgebaut, jedoch fehlt BNE als Leitperspektive. Das erschwert die ganzheitliche Umsetzung von Bildung.
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Bildungsengagement nicht genannt: Mit fast 6 Millionen ehrenamtlich engagierten Menschen aller Generationen ist das Bildungsengagement in Deutschland ein Grundpfeiler unserer Gesellschaft und das zweitgrößte Engagementfeld in der Zivilgesellschaft. Im Koalitionsvertrag wird das Bildungsengagement jedoch nicht erwähnt. Stattdessen wird es ein:e Staatsminister:in für Ehrenamt und Sport im Bundeskanzleramt geben. Das ist eine sehr einseitige Hervorhebung des Engagements im Bereich Sport und lässt das Engagement vieler Ehrenamtlicher für Bildung, aber auch Klima und Umwelt außen vor.
Zusammenfassung: Bildung in der neuen Koalition
Der Koalitionsvertrag 2025 zeigt für den Bildungsbereich zaghafte Ansätze für Potenziale, die einen Fortschritt in der Bildungspolitik ermöglichen könnten – insbesondere bei Qualität, mentale Gesundheit und Lehrkräftebildung. Doch die ungenauen Zusagen zu Finanzierungen und das Fehlen einer klaren Strategie lassen Fragen offen. Vor allem wird Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) immer noch als ein Zusatz verstanden und nicht als Konzept, das bei einer zukunftsfähigen Bildung immer mitgedacht wird. Das wird den notwendigen Wandel im Bildungsbereich sehr erschweren.
Es bleibt abzuwarten, wie die Regierung diese Themen im Detail ausarbeiten wird, um tatsächlich eine zukunftsfähige Bildung für alle zu gewährleisten. Insgesamt weist der Koalitionsvertrag Potenzial auf, aber es gibt noch viele offene Baustellen, die die künftige Regierung in den kommenden Jahren dringend angehen muss.
Foto oben: Podiumsdiskussion zur zukunftsfähigen Bildung in Berlin zum Thema 'Die Welt im Krisenmodus im Februar 2024: Wie zukunftsfähig ist Bildung in einer digitalen Gesellschaft?' mit dem Geschäftsführenden Vorstand Martin Kaiser im Einstein Centrum in Berlin.