Greenpeace-Report: Import-Holz aus dem Amazonas stammt aus kriminellen Geschäften
- Ein Artikel von Michael Weiland
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Holz aus dem Amazonas ist begehrt – so sehr, dass Firmen dafür buchstäblich über Leichen gehen. Ein aktueller Greenpeace-Report zeigt: Das blutige Holz landet sogar in Deutschland.
Am 9. April dieses Jahres bewaffneten sich im brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso vier Männer mit Macheten, Messern und Schusswaffen und fuhren los. Ihr Ziel war der Ort Colniza, ihr Auftrag, den dort lebenden Menschen Todesangst einzujagen. Und auch weiterzugehen. Am Ende waren neun Menschen tot, ermordet mit unfassbarer Grausamkeit.
Die Hintergründe sind schockierend, aber nicht besonders mysteriös: Es geht ums Geschäft. Die Landeigentümer entlang des zehn Kilometer breiten Streifens im Amazonasbecken, in dem das Massaker stattfand, besitzen wertvolle Hölzer: etwa Ipe, Jatoba und Massaranduba, aus denen weltweit teure Möbel hergestellt werden. Das Geschäft ist so lukrativ, dass die Bäume auch illegal geschlagen werden – und Menschen, die auf dem Land leben und es beschützen, eingeschüchtert und ermordet werden.
Report zeigt internationale Verstrickungen
Colniza ist kein Einzelfall, aber ein besonders krasses Beispiel dafür, wie brutal und mit welcher Gier Holzindustrie und Landspekulanten in Brasilien ihren Reichtum anhäufen. Der illegale und mörderische Holzhandel ist zudem oft Teil einer organisierten Landraub-Mafia, die öffentliches Land oder Land von Kleinbauern in private Agrarflächen umwandelt. Ein aktueller Greenpeace-Report zeigt, wie viel Blut an brasilianischen Holzexporten klebt – die Spur führt auch nach Deutschland.
Die Morde in Colniza gab der Holzexporteur Valdelir João de Souza in Auftrag, davon ist die brasilianische Staatsanwaltschaft überzeugt. Er ist auf der Flucht – aber seine Firma Madeireira Cedroana verschifft weiterhin Holz. Zwischen Mitte Mai und Ende September 2017 gelangten mindestens elf Lieferungen von Cedroana in die USA sowie jeweils eine nach Frankreich und Belgien. Auch Deutschland wird von de Souzas Firma beliefert: Laut Greenpeace-Recherchen exportierte sie 2016 und 2017 Tausende Kubikmeter Amazonasholz in die USA, Deutschland, Frankreich, die Niederlande, Dänemark, Italien, Belgien und Japan. Seit Jahren protestiert Greenpeace gegen die Einfuhr illegaler Hölzer nach Europa.
Dass de Souza zumindest in illegale Geschäfte verstrickt ist, dürfte für die Abnehmer seiner Waren bereits vor der Anklage kein Geheimnis gewesen sein. Seit 2007 hat das Unternehmen rund 150.000 Euro an Bußgeldern angehäuft, aber nicht bezahlt – Strafen dafür, dass die Firma unrechtmäßig geschlagenes Holz gelagert und verkauft hat.
Das Problem liegt im System
Rômulo Batista von Greenpeace Brasilien sieht die Politik in der Verantwortung, deren laxe Strafverfolgung die illegalen Aktivitäten fördert und ermöglicht: „Unter diesen Bedingungen ist es unmöglich, Vertrauen in den Ursprung brasilianischer Hölzer zu haben. Die gesamte Wertschöpfungskette ist vergiftet.“
Brasilien sei heutzutage der gefährlichste Ort der Welt für Aktivisten, die ihr Land und die Umwelt verteidigen, sagt die internationale Nichtregierungsorganisation Global Witness. Bis Ende September wurden allein in diesem Jahr 61 Menschen im Kampf ums Landgetötet, so viele wie im gesamten Jahr 2016 – 79 Prozent davon in Amazonia Legal, den neun brasilianischen Bundesstaaten im Amazonasbecken.
Greenpeace fordert von der brasilianischen Regierung, Maßnahmen umzusetzen, so dass Amazonasholz nur im Sinne geltender Gesetze geschlagen wird, mit Respekt vor den Rechten der Einheimischen. Unabhängige Behörden müssen auffällige Firmen untersuchen und bei Gesetzesverstößen strafrechtlich verfolgen. „Ich habe eine Bitte“, sagt Giselda Pilker aus dem Nutzreservat Massaranduba im Bundesstaat Rondônia. Auch sie lebt mit der Bedrohung durch die Holzindustrie. „Menschen, die Holz kaufen, müssen sich vergewissern, wo es herkommt. Denn es könnte sein, dass jemand mit dem Leben dafür bezahlt hat.“