Strafprozess: Bush gegen Greenpeace
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Für den unermüdlichen Einsatz zum Erhalt des tropischen Regenwaldes in Brasilien erhielt Greenpeace von der Europäischen Union und der brasilianischen Regierung höchstes Lob. Von der US-Regierung unter Präsident George W. Bush kommt jedoch eine Vorladung vor Gericht.
Zum ersten Mal in der US-amerikanischen Geschichte wird damit eine Organisation für die Wahrnehmung ihrer verfassungsmäßig garantierten Rechte von Washington strafrechtlich verfolgt. Dagegen hat Greenpeace Inc., das angeklagte Greenpeace-Büro in den USA, nun Rechtsmittel eingelegt.
Greenpeace Inc. erklärte in einem Antrag bei dem zuständigen Gericht in Miami, dass das US-Justizministerium eine selektive Strafverfolgung betreibe. Die Umweltorganisation wurde herausgepickt, weil sie erfolgreich gegen die umweltgefährdende Politik der Bush-Regierung arbeitet. Rechtsexperten und Historiker halten die Strafanklage für fragwürdig.
Hintergrund: Im April 2002 waren zwei Greenpeace-Aktivisten an Bord des Frachters Jade geklettert, der sich einige Kilometer vor der Küste des US-Bundesstaates Florida befand und illegal aus dem Amazonas-Regenwald exportiertes Mahagoniholz geladen hatte. Sie hatten ein Transparent dabei mit der Aufforderung: Präsident Bush, stoppen Sie den illegalen Holzeinschlag!. Die friedfertigen Aktivisten wurden festgenommen, für ein Wochenende eingesperrt und angeklagt. Zwei Monate später erhielten sie ihr Urteil - die Strafe war mit dem Haftwochenende abgegolten.
Doch damit war dieser Fall von zivilem Ungehorsam für die Bush-Regierung noch nicht erledigt: 15 Monate nach der Greenpeace-Aktion vor der Küste Floridas reichte das Justizministerium Strafanzeige bei einem Gericht in Miami ein.
Die Ankläger hatten die verstrichene Zeit genutzt, um ein obskures Gesetz aus dem 19. Jahrhundert auszugraben, das nach Recherchen der New York Times zuletzt im Jahre 1890 bei Gericht angewandt wurde. Das Gesetz verbietet das unerlaubte Betreten eines Schiffes und diente dem Schutz von Seemännern vor allzu aufdringlichen Werbern, die sie manchmal mit Alkohol, manchmal mit Gewalt in ihre Pensionen locken wollten.
Für eine solche Strafverfolgung gibt es keinen Präzendenzfall in der amerikanischen Geschichte, erklärte John Passacantando, Geschäftsführer des Greenpeace-Büros in den USA. Noch nie hat unsere Regierung eine Organisation dafür in einen Strafprozess verwickelt, dass Unterstützer der Organisation ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrgenommen haben. Sollte diese Anklage erfolgreich sein, dann würde der friedliche Protest - eine uramerikanische Tradition seit der Boston Tea Party bis hin zu den modernen Menschenrechtsbewegungen - zu einem weiteren Opfer der Attacke auf die Bürgerrechte durch Bundesgeneralanwalt John Ashcroft.
Anstatt Greenpeace dafür bestrafen zu wollen, dass die Organisation auf den illegalen Schmuggel hingewiesen hat, sollte unsere Regierung lieber die Schmuggelware abfangen und die Schmuggler verfolgen, fordert Passacantando.
Ein möglicher Prozess könnte noch in diesem Herbst beginnen. Als Strafe kommen fünf Jahre Bewährung und bis zu 20.000 US-Dollar in Betracht. Durch eine Verurteilung wäre der steuerrechtlich relevante Status der Gemeinnützigkeit gefährdet. Außerdem müsste Greenpeace während der Bewährungsfrist die Regierung über alle seine Aktivitäten unterrichten.