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Tiere demonstrieren
Daniel Müller / Greenpeace

COP15: (k)ein Pakt für die Artenvielfalt

Rund eine Million Tier- und Pflanzenarten sind vom Aussterben bedroht. Auf der 15. Weltnaturkonferenz (COP15) der UN haben die Vertragsstaaten nun ein Abkommen beschlossen, welches die Biodiversitätskrise eindämmen soll.

Fast zwei Wochen lang haben Vertreter:innen von 196 Staaten um ein neues Abkommen für die Artenvielfalt gerungen. Lange sah es so aus, als ob in Montreal auf dem Weltnaturgipfel, der CBD (Convention on Biological Diversity), nichts für den Naturschutz herauskommen würde. Am Ende jedoch wurde doch noch eine Abschlusserklärung verabschiedet.

Was wurde auf der Weltnaturkonferenz beschlossen?

Insgesamt vier Vorsätze und 23 Zielsetzungen - die Abschlusserklärung ist eigentlich ein Paket aus mehreren Dokumenten. Es sieht vor, bis zum Jahr 2030 mindestens 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen unter Schutz zu stellen. Außerdem soll es mehr Geld für den Schutz der Artenvielfalt geben und die Rechte Indigener sowie lokaler Bevölkerungsgruppen stärken.

SOS

Kurz vor Beginn der Weltnaturkonferenz in Montreal, Kanada, demonstrieren Aktivist:innen mit lebensgroßen Leuchtfiguren, unter anderem Giraffen, Nashörnern, Zebras, Orang-Utans und Faultieren vor dem UN-Gebäude in Bonn.

Die Industrienationen einschließlich der EU stellen bis 2025 mindestens 20 Milliarden US-Dollar pro Jahr für die Finanzierung des Naturschutzes zur Verfügung. Bis 2030 soll dieser Betrag auf 30 Milliarden US-Dollar erhöht werden. Warum das insgesamt trotzdem zu wenig ist, erklärt Jannes Stoppel. Er hat die Verhandlungen in Montreal für Greenpeace beobachtet: „Das Ziel ist erreicht, bis 2030 mindestens 30 Prozent des Landes und der Meere zu schützen. Insgesamt reicht das Abkommen jedoch nicht aus, um das Massensterben der Arten aufzuhalten. Es schließt schädliche Aktivitäten wie industrielle Fischerei oder Holzeinschläge in Schutzgebieten nicht prinzipiell aus. Damit existiert der Schutz zunächst nur auf dem Papier.“

Es soll „sichergestellt und ermöglicht“ werden, so heißt es im Text, dass bis zum Jahr 2030 weltweit mindestens 30 Prozent der Landflächen, der Binnengewässer und der Küsten- und Meeresflächen „wirkungsvoll geschützt“ werden. Dabei sollen auch Indigene und lokale Gemeinschaften einbezogen werden. Was das genau bedeutet, bleibt offen.  „Der Text ist sehr schwammig und daher auch schwach“, so Stoppel. 

Jetzt liegt es an den einzelnen Staaten, sich gegen die Agrar-, Holz- und Fischereilobbys durchzusetzen und den Schutz in ihren Gebieten so stark wie möglich zu gestalten. Das gilt auch für Deutschland, denn: Auch hier sind bisher weniger als drei Prozent der Wälder und weniger als ein Prozent der europäischen Meeresgebiete strikt vor industrieller Ausbeute geschützt.

Warum haben die Verhandlungen so lange gedauert, wo gab es Probleme?

Einige Länder wollten die Formulierungen gerne vage halten, andere wünschten sich klare, messbare Ziele. Außerdem wird keines der einzelnen Ziele beschlossen, bis nicht das ganze Paket verabschiedet ist - und zwar einstimmig. Vor allem aber gab es Differenzen bei der Finanzierung. Viele ärmere Länder forderten deutlich mehr finanzielle Unterstützung von reicheren Ländern. Aus Protest hatte eine Gruppe von Entwicklungs- und Schwellenländern, angeführt von Brasilien, die Verhandlungen sogar zeitweise verlassen. Letztendlich fanden die Staaten nach einem Verhandlungsmarathon einen Kompromiss.

Ist die Erklärung jetzt der Durchbruch - oder eine Enttäuschung?

Es ist ein Erfolg, dass es überhaupt zu einer gemeinsamen Abschlusserklärung gekommen ist - da sind sich Politik, Umweltverbände und Beobachter einig. Besonders wichtig ist zudem, dass das Abkommen endlich die Rechte Indigener und lokaler Bevölkerungsgruppen besser anerkennt. Jährlich 20 Milliarden US-Dollar und später 30 Milliarden sind ein Anfang für die Finanzierung des Naturschutzes, allerdings reichen sie bei weitem nicht aus. Bei einer Finanzierungslücke von 700 Milliarden Dollar für Naturschutz ist unklar, woher der Rest des Geldes kommen soll. Es geht außerdem nicht nur darum, wie viel, sondern auch wie schnell Geld bereitgestellt werden kann. Während die chinesische Gipfelpräsidentschaft von einem „historischen Moment“ spricht und Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) von einem „guten Tag für den weltweiten Natur- und Umweltschutz“, fallen die Ziele zum Schutz natürlicher Lebensgrundlagen für Jannes Stoppel „unterm Strich zu schwach aus“.

Auf was kommt es jetzt an?

Das Dokument und viele Zielsetzungen sind recht vage formuliert. Jetzt geht es an die Umsetzung. Dabei ist auch die Bundesregierung gefordert. Sie muss Vorbild sein und starke Gesetze beschließen, um das 6. große Artensterben zu stoppen. Denn auch in Deutschland ist es mit dem Schutz der Natur nicht weit her: Zwar liegen fast 70 Prozent unserer Wälder in Schutzgebieten, aber nicht einmal drei Prozent sind rechtlich verbindlich vor industriellem Holzeinschlag geschützt.  Auch hier wird also die Natur - ob im Wald oder Meer - in Schutzgebieten weiter industriell ausgebeutet. Ohne klare Zielsetzungen, Umsetzungsmechanismen und Finanzierungsstrategien der Länder bleibt die Abschlusserklärung nicht mehr als Dokument gut klingender, aber leerer Worthülsen.

Warum brauchen wir Artenvielfalt überhaupt?

Mit jeder Art, die ausstirbt, schädigen wir auch uns selbst. Wir brauchen sie alle, nicht nur die besonders niedlichen. Wir brauchen Pflanzen als Lebensgrundlage und Nahrung und Insekten, um Pflanzen zu bestäuben. Stirbt eine Art aus, kann das dramatische und unvorhersehbare Konsequenzen auf das gesamte Nahrungsnetz haben. Die Vielfalt von Lebensräumen und Arten ist auch wichtig für die menschliche Entwicklung: So sind Tiere und Pflanzen seit jeher eine Inspiration für Technik und Kunst und eine Fundgrube für die Entwicklung von Medikamenten. Indem der Mensch immer mehr Natur zerstört, steigt auch die Gefahr sogenannter Zoonosen-Krankheiten wie COVID, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden. 

Eine intakte Natur ist außerdem unsere Verbündete im Kampf gegen die Klimakrise: Gesunde Wälder und Meere nehmen CO2 aus der Atmosphäre auf und produzieren Sauerstoff. Diese Ökosysteme können diese Aufgaben nur erfüllen, wenn sie gesund sind: Kahlgeschlagene Wälder, trockengelegte Moore und sich durch die Klimakrise erwärmende und versauernde Meere können weniger oder gar kein klimaschädliches CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen und speichern. Artschutz ist deshalb immer auch Klimaschutz

Greenpeace-Forderungen zum Erhalt der Artenvielfalt

Damit Artenvielfalt und Natur sich erholen können, müssen nicht nur weltweit bis zum Jahr 2030 mindestens 30 Prozent der Landoberfläche und Meere unter Wahrung der Rechte von Indigenen und lokalen Gemeinschaften geschützt werden. Auch in Deutschland muss die Regierung Naturschutz endlich ernst nehmen und nicht die Interessen der Industrie über die Sicherung der Lebensgrundlagen stellen:

Dazu muss die Bundesregierung:

  • in Deutschland mindestens 15 Prozent  Wald- und Meeresflächen strikt vor industrieller Nutzung schützen
  • Maßnahmen gegen die Ressourcenverschwendung ergreifen - denn Ressourcenschutz ist Naturschutz. 

 

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