25., 26. und 27. März 2011 in Fukushima
- Ein Artikel von Sigrid Totz
- Nachricht
Chronologie des Atomunfalls in Fukushima: Die Lage am 25., 26. & 27. März 2011: Radioaktives Wasser wird gefunden, Greenpeace führt Messungen durch.
Timeline Freitag, 25. März 2011
Die internationalen Atomenergiebehörde IAEO sollte nach Ansicht von Greenpeace die atomare Katastrophe im japanischen Atomkraftwerk Fukushima Daiichi auf die höchste Stufe 7 der Internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse (INES) einordnen. Aus der havarierten Atomanlage sind schon jetzt entsprechend große Mengen an Radioaktivität entwichen. Dies ergibt eine Studie des Physikers Dr. Helmut Hirsch für Greenpeace.
Zudem hat die EU-Kommission am 25. März mit einer Fukushima-Eilverordnung die Cäsium 134-Grenzwerte für Lebens- und Futtermittel aus Japan erhöht. So wurde der Grenzwert für Milcherzeugnisse von 370 Becquerel pro Kilogramm (Bq/kg) auf 1000 Becquerel heraufgesetzt.
19.45 Uhr: Am Atomkraftwerk Fukushima werden an vier Reaktorblöcken Wasserpfützen von radioaktiv belastetem Wasser entdeckt. Es wird vermutet, dass Wasser aus dem Reaktorkern oder den Abklingbecken für die abgebrannten Kernstäbe gesickert sei.
17.55 Uhr: Vermutlich sind radioaktive Partikel in die Körper der beiden verletzten Arbeiter aus dem AKW in Fukushima gelangt. Die Männer zeigten aber keine Frühsymptome von Strahlenkrankheit und benötigten deshalb keine weitere Behandlung. Sie könnten ohne fremde Hilfe gehen und werden wahrscheinlich am Montag entlassen. (Kyodo)
16.25 Uhr: Wie bereits am Donnerstag in Reaktor 3 ist nun auch im Wasser des Reaktorblocks 1 in der Atomanlage Fukushima 1 eine 10.000-fach erhöhte Strahlung gemessen worden. (Kyodo/Tepco)
15.32 Uhr: Wie n-tv berichtet, erwägt die japanische Atombehörde ein Heraufstufen der Katastrophe in Fukushima von Stufe fünf auf Stufe sechs.
Greenpeace hingegen fordert, dass der Unfall in Fukushima Daiichi auf die höchste Stufe 7 der Internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse (INES) eingeordnet wird.
Eine Studie des Physikers Dr. Helmut Hirsch hat ergeben, dass die Gesamtmenge der radioaktiven Substanzen Jod-131 und Cäsium-137 die Einstufung in INES 7 erfordert.
13.55. Uhr: Die EU hat Sicherheitschecks für Europas Atomkraftwerke beschlossen. Die Sicherheit der AKW soll so bald wie möglich von unabhängigen Experten überprüft werden. Im Fokus stehen Risiken bei Erdbeben, Hochwasser oder möglichen Terroranschlägen. Die Teilnahme an den Tests ist allerdings freiwillig. Mal sehen wieviele der 143 Atomreaktoren tatsächlich überprüft werden.
12.56 Uhr: Wie der Sender NHK meldete hat ein weiteres Nachbeben der Stärke 6,2 den Nordosten Japans erschüttert. Angaben über Schäden oder Verletzte gibt es bisher nicht. Auch wurde keine Tsunami-Warnung herausgegeben.
11.35 Uhr: Das radioaktiv belastete Wasser im Reaktor 3 im AKW Fukushima stammt möglicherweise aus dem Reaktorkern, teilt die Betreiberfirma Tepco mit. Ein anderer Sprecher der Firma teilte mit, dass das Wasser möglicherweise aus dem Abklingbecken komme. Die japanische Atombehörde wiederum erklärte, es sei unwahrscheinlich, dass der Druckbehälter von Reaktor drei beschädigt sei.
10:49 Uhr: Das radioaktiv verseuchte Wasser (s.u.) sei im Untergeschoss der Turbinenräume an den Meilern 1 und 2 gefunden worden. Solche Funde hatte es am Vortag auch bei Reaktor 3 gegeben. (dpa)
07:20 Uhr: N-TV fasst die Lage in den Meilern des beschädigten AKW Fukushima zusammen: Aus den Blöcken 1, 3 und 4 steige Rauch auf. An der Stromversorgung des Kontrollraums in Block 2 werde noch gearbeitet. Die Behörden gehen jetzt von einer erheblichen Schädigung des Reaktors aus, die eine Zerstörung von Brennelementen zur Folge hat.
07:10 Uhr: Aufgrund von radioaktiv verstrahltem Wasser stoppen die Arbeiten an den Reaktoren 1 und 2 des AKW Fukushima 1, meldet die Nachrichtenagentur Kyodo.
05:36 Uhr: Die Kühlung mit Meerwasser von außen könne zu einer Salzverkrustung der Kernbrennstäbe und zu neuen Risiken führen. Das befürchtet die japanische Regierung; die USA haben ihre Hilfe angeboten. (WELT)
05:29 Uhr: Die japanische Regierung hat der Bevölkerung in einem 30-Kilometer-Radius des AKW Fukushima 1 empfohlen, freiwillig diese Zone zu verlassen. Man werde sie bei der Umsiedlung unterstützen. (Kyodo)
03:56 Uhr: Die drei Techniker, die beim Verlegen von Kabeln im Turbinengebäude des 3. Reaktors verstrahlt wurden, wurden einer 10 000fach erhöhten Radioaktivität ausgesetzt, sagte am Freitag ein Sprecher der Reaktorsicherheitsbehörde (NISA). Ohne Schutzstiefel ausgerüstet, lief den Arbeitern das belastete Wasser in die Schuhe. Betreiber Tepco schiebt die Schuld auf die Arbeiter: Diese seien mit Geigerzählern ausgerüstet gewesen, den ausgelösten Alarm aber ignoriert. (IAEA)
02:32 Uhr: Altbundeskanzler Helmut Kohl (CDU) warnt in einem Gastbeitrag in der BILD vor überhasteten Ausstieg aus der Kernenergie ohne Alternative.
01:52 Uhr: Über drei Blöcken der Anlage steigt erneut weißer Dampf auf. Die Arbeiten zur Wiederherstellung der regulären Kühlung seien bislang offenbar kaum vorangekommen. (WELT)
Timeline Samstag, 26. März 2011
19.30 Uhr: Eine Analyse des verstrahlten Wassers in Reaktorblock 1 hat ergeben, dass dieses große Mengen von Cäsium-137 enthält.
Cäsium-137 ähnelt chemisch dem Element Kalzium und wird in die Knochen eingebaut. Zudem hat es eine hohe Halbwertszeit. Erst nach etwa 30 Jahren ist die Hälfte der radioaktiven Atome zerfallen. Damit wären von einer Verstrahlung Betroffene lange Zeit gefährdet. (dpa)
17.09 Uhr: Mittlerweile wird Süßwasser statt Meerwasser zur Kühlung der Reaktoren 1, 2 und 3 verwendet.
Frachtschiffe der US-Kriegsmarine sind mit großen Mengen an Süßwasser zur Unterstützung unterwegs. Zuvor hatten Experten besorgt geäußert, dass verdampfendes Salzwasser zur Verkrustung der Kernbrennstäbe führen kann. (SpOn/IAEA)
16.27 Uhr: Spiegel Online berichtet, dass aus Angst vor der Strahlenbelastung immer mehr Frachtschiffe den Hafen von Tokio meiden. Deutsche, chinesische und amerikanische Reedereien haben ihre Routen geändert. Würde bei einem Handelsschiff radioaktive Strahlung gemessen, könnte dies über Jahre verschärfte Kontrollen und zusätzliche Kosten für das betroffene Unternehmen bedeuten.#
15.54 Uhr: Während die japanischen Behörden beteuern, dass von der Strahlung keine Gefahr ausginge, klagen die Menschen über unzureichende Informationen. In der Bevölkerung wächst die Furcht vor radioaktiver Verseuchung.
In einigen Notunterkünften wird inzwischen der Nachweis über eine Untersuchung auf Strahlen verlangt. Laut dpa sei Bewohnern aus Evakuierungsgebieten teilweise der Zugang zu den Flüchlingslagern verwehrt worden.
14.32 Uhr: Der Deutsche Wetterdienst meldet eine für Tokio günstige Windrichtung. Voraussichtlich bis Dienstag wird der Nordwestwind die radioaktiven Partikel auf das Meer hinausblasen. (dpa)
13.35 Uhr: Die Belastung mit radioaktivem Jod im Tokioter Trinkwasser soll weiter gesunken sein. In zwei Trinkwasserbecken sollen die Werte bei 34 bzw. 48 Becquerel pro Kilogramm gelegen haben, in einem sei gar kein radioaktives Jod nachgewiesen worden. Kinder dürfen das Wasser somit wieder trinken. Der Grenzwert für Kinder unter einem Jahr liegt in Japan bei 100 Becquerel pro Kilogramm. (Kyodo News)
12.05 Uhr: Greenpeace hat ein kleines Team in Fukushima vor Ort. Die Experten führen unabhängige Messungen rund um die Evakuierungszone der Atomanlage in Fukushima durch.
12.00 Uhr: Das Trinkwasser in Tokio weist wieder erhöhte Strahlenwerte auf. (DLF)
11.25 Uhr: Der Reaktor 1 im havarierten Kernkraftwerk Fukushima "feiert" seine 40-jährige Laufzeit. Herzlichen Glückwunsch mag man da nicht sagen und es wird einem doch Angst und Bange bei der Laufzeitverlängerung hier bei uns.
10.30 Uhr: Die radioaktive Verstrahlung der Küstengewässer vor dem Atomkraftwerk Fukushima hat am Samstag einen neuen Höchstwert erreicht. Die Belastung mit Jod-131 in Meerwasser nahe der Anlage übertraf den zulässigen Grenzwert um das 1250fache, teilte die Reaktorsicherheitsbehörde (NISA) mit.
Timeline Sonntag, 27. März 2011
18:14 Uhr: Tepco korrigiert: Die Strahlung im Wasser des Turbinenhauses in Reaktor 2 sei um das 100.000fache erhöht - nicht um zehn Millionen. Wer Atomkraftwerke betreibt, sollte in der Lage sein, Messwerte richtig anzugeben, kommentiert Kernphysiker Heinz Smital (Greenpeace). Spätestens jetzt seien Zweifel an der Zuverlässigkeit und Kompetenz von Tepco angebracht. Mehr...
14:55 Uhr: Verwirrung um Tepco-Messwerte: AKW-Betreiber Tepco hat seine eigenen Angaben über millionenfach erhöhte Strahlenwerte im Wasser von Reaktor 2 zurückgezogen. Die Messung sei falsch gewesen, erklärte ein Sprecher. (dapd)
12.05 Uhr: Die Mehrheit der Japaner ist inzwischen mit dem Umgang der Regierung mit der Atomkrise unzufrieden. Wie eine Umfrage der Nachrichtenagentur Kyodo ergab, missbilligen 58,2 Prozent der befragten Bürger den Umgang der Regierung mit der Katastrophe. Viele Bürger kritisieren, nicht ausreichend über die radioaktive Verseuchung und die Gefahren informiert zu sein.
11.25 Uhr: Die Arbeiter, die am Donnerstag durch kontaminiertes Wasser im Reaktorblock 3 gingen, waren einer Strahlung von 2.000 bis 6.000 Millisievert ausgesetzt. Diese Strahlenbelastung kann bei Menschen, die ihr mit ganzem Körper ausgesetzt sind, innerhalb kurzer Zeit zu Strahlenkrankheit und Tod führen. Die japanische Atomsicherheitsbehörde NISA teilte mit, der Kraftwerksbetreiber Tepco habe von hohen Strahlenwerten in Block 3 gewusst, bevor die beiden Arbeiter dort verstrahlt worden seien. (N 24)
11.15 Uhr: Japanische Ingenieure mühen sich weiter, das radioaktiv verseuchte Wasser aus dem Atom-Wrack Fukushima 1 abzupumpen. Unklar ist aber noch, wie das Wasser entsorgt wird. Das werde derzeit noch ermittelt, sagte ein Sprecher des AKW-Betreibers Tepco.
09.15 Uhr: Regierungssprecher Yukio Edano sagte im japanischen Fernsehen, dass das kontaminierte Wasser "fast zweifellos" aus einem Reaktorkern komme. Sollte einer der Sicherheitsbehälter gebrochen sein, wird die Radioaktivität in der Umgebung von Fukushima deutlich ansteigen. Zudem wäre mit der Kontamination des Grundwassers zu rechnen.
08.15 Experten haben laut Tepco begonnen, das aus den Reaktoren entweichende radioaktiv verseuchte Wasser abzupumpen. Eine Pumpe sei im Turbinengebäude hinter Reaktor 1 installiert worden, später sollen zwei weitere Pumpen hinzukommen.
Greenpeace-Kommentar zur Lage am 27. März in Fukushima
AKW-Betreiber Tepco zieht seine eigenen Berechnungen zur Strahlenbelastung im kritischen Atomkraftwerk Fukushima 1 in Zweifel. Zuvor hatte Tepco gemeldet, die Strahlung in Reaktor 2 sei zehn Millionen Mal höher als normal. Richtig sei eine Erhöhung um das 100.000fache, so der aktuelle Stand.
Erst bezweifelte der umstrittene Betreiber Tepco seine eigenen Messergebnisse an; einige Stunden später die offizielle Meldung: Die Strahlung im Wasser des Turbinenhauses in Reaktor 2 sei um das 100.000fache erhöht - nicht um zehn Millionen.
"Wer Atomkraftwerke betreibt, sollte in der Lage sein, Messwerte richtig anzugeben", kommentiert Kernphysiker Heinz Smital (Greenpeace). Spätestens jetzt seien Zweifel an der Zuverlässigkeit und Kompetenz von Tepco angebracht.
Die millionenfach erhöhte Strahlung wurde am Sonntag im verseuchten Wasser gemessen, das im Turbinen-Gebäude des Reaktorblocks steht. Ist der Betreiber nicht in der Lage, belastbare Messungen durchzuführen oder versucht er immer noch, das wahre Ausmaß des Desasters in Fukushima zu beschönigen? Smital ist sich sicher: "Tepco lässt die Öffentlichkeit im Dunkeln. Das ist verantwortungslos."
Bereits zuvor hatte die Reaktorsicherheitsagentur NISA in dem Wasser an Reaktor 2 eine hohe Konzentration des Isotops Jod-134 festgestellt. Das könne auf einen Schaden am Reaktorkern hinweisen, hatte es geheißen. Nach früheren Angaben stand das Wasser an Reaktor 2 etwa einen Meter hoch. "Sollten sich diese Meldungen jedoch bewahrheiten, hieße dies, dass die Situation in den Katastrophenreaktoren deutlich eskaliert ist", befürchtet Smital und fordert eine Ausweitung der Evakuierungszone auf 80 bis 100 Kilometer rund das Atomkraftwerk. Er erklärt: "Erneut könnte eine Kettenreaktion in Gang gekommen sein, entweder im Reaktor selbst oder im Abklingbecken. Mit gewaltiger Hitze und radioaktiver Strahlung." Greenpeace fordert die IAEO erneut auf, die atomare Katastrophe auf die höchste Stufe 7 der Internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse (INES) einzustufen.
In den zwei vorangegangenen Wochen war die Nachrichtenlage teils widersprüchlich. Ein unabhängiges Greenpeace-Team ist aus diesem Grund nach Japan gereist. Vor Ort messen die Strahlenexperten die Radioaktivät außerhalb der Evakuierungszone um Fukushima. Sie wollen wissen, wie groß die Gefahr für die Bevölkerung wirklich ist.