Weltnaturerbe Wattenmeer
- mitwirkende Expert:innen Thilo Maack
- Hintergrund
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Rückblick, Anfang Januar 2008 – Hamburg blockt im letzten Moment ab
Die Hansestadt Hamburg offenbart einmal mehr ein gespaltenes Verhältnis zum Umweltschutz. Diesmal in der neu angefachten Debatte um das Wattenmeer. Die einzigartige Landschaft vor der niederländischen und deutschen Nordseeküste soll zum UNESCO-Weltnaturerbe erklärt werden. Doch der Antrag droht in letzter Minute am Widerstand des Hamburger Senats zu scheitern.
Dabei besitzt Hamburg mit 137 Quadratkilometern das kleinste Stück vom "Sandkuchen", deutlich größer ist Schleswig-Holsteins Nationalpark Wattenmeer mit 4410 Quadratkilometern, gefolgt von Niedersachsen mit 3450 Quadratkilometern. "Wieder einmal zeigt sich, wie engstirnig die Hamburger Lokalpolitik mit einer sinnvollen Initiative umgeht", sagt Thilo Maack, Meeresexperte von Greenpeace. "Dabei kann die Listung als Welterbe dem Wattenmeer nur nützlich sein. Vielleicht gelingt damit auch endlich der dringend notwendige, konsequente Schutz dieses Lebensraumes. Zum Beispiel muss die zerstörerische Fischerei dringend und umfassend verboten werden."
{image_r}Das mitteleuropäische Wattenmeer ist die größte zusammenhängende Wattenlandschaft der Erde. Seine Bedeutung als Ökosystem ist unbestritten. Rund 250 Pflanzenarten gibt es weltweit nur hier. Milliarden von Würmern, Krebsen, Schnecken und Muscheln tummeln sich in dem artenreichen Gebiet. Als Kinderstube für Fische hat es ebenso große Bedeutung wie als Rast-, Brut- und Überwinterungsort für Millionen von Vögel.
Schleswig-Holstein und Niedersachsen erklärten ihre Gebiete bereits in den Achtzigerjahren zum Nationalpark. Hamburg folgte 1990. Fast das gesamte Watt vor der norddeutschen und niederländischen Küste steht außerdem seit 1991 als Biosphärenreservat unter dem Schutz der UNESCO. Bislang unterstützte Hamburg auch die Nominierung des Wattenmeeres als Weltnaturerbe, war in dieser Sache sogar viele Jahre die treibende Kraft. Die jetzige Kehrtwende wurde mit Bedenken wegen der geplanten Elbvertiefung begründet – ein Eingriff, der negative ökologische Folgen haben könnte.
Ende Januar 2008 – Greenpeace fordert: "Tu Watt, Ole!"
{image_r}Gegen die Blockadehaltung des Hamburger Senats protestieren Greenpeace-Aktivist: innen am 29. Januar am Leuchtturm Roter Sand in der Außenweser – zwei Tage vor Ablauf der Frist: Bis zum 1. Februar muss der Welterbe-Antrag mit den Unterschriften aller Beteiligten bei der UNESCO in Paris vorliegen. Frischer Wind und unruhige See hätten die Aktion fast verhindert. Doch am Nachmittag hängt das Banner mit der Greenpeace-Botschaft: "Tu Watt, Ole – JA zum Weltnaturerbe Wattenmeer."
"Es wäre ein Skandal für Hamburg und eine Schande für Deutschland, wenn sich die UNESCO aufgrund einer Hamburger Laune gegen die Aufnahme des Wattenmeeres als Weltnaturerbe entscheiden würde", sagt Meeresbiologe Jörg Feddern von Greenpeace. "Das Wattenmeer ist in seiner ökologischen Bedeutung viel zu kostbar, um Spielball wirtschaftlicher und politischer Einzelinteressen zu werden." Die Anerkennung als Weltnaturerbe würde das Wattenmeer neben anderen außergewöhnlichen Landschaften wie beispielsweise dem australischen Great Barrier Reef oder den Galapagos-Inseln als besonders schützenswertes Gebiet ausweisen. "Fest steht, dass Hamburg keinerlei Nachteile durch die Ernennung des Wattenmeeres zum Weltnaturerbe entstehen. Im Gegenteil, das Ansehen und die Bekanntheit Norddeutschlands würden in der Welt steigen", so Jörg Feddern.
Juni 2009 – der Welterbetitel kommt, doch nicht für Hamburg
Die UNESCO verleiht dem Wattenmeer den begehrten Welterbetitel. Immerhin: Hamburgs Verweigerungshaltung konnte diesen Erfolg nicht verhindern. Allerdings bleibt das Hamburgische Watt vor der Elbmündung erst einmal außen vor.
Juni 2011 – besser spät als nie, auch Hamburgs Watt wird Welterbe
Es hat doch noch geklappt: Nachdem Hamburg, mittlerweile unter schwarz-grüner Regierung, im Januar 2011 einen Antrag an die UNESCO nachgereicht hatte, wurde dem Watt der Hansestadt am 27. Juni 2011 ebenfalls der Welterbetitel verliehen. Damit ist das gesamte Watt vor der niederländischen und deutschen Küste als besonders schutzwürdig anerkannt.
Jetzt gilt es, aus dem Titel etwas zu machen und echte Schutzmaßnahmen zu treffen. Derzeit darf im Wattenmeer zum Beispiel noch immer mit zerstörerischen Methoden gefischt werden. "Jetzt muss mal Butter bei die Fische. So ein Titel bringt auch die Verpflichtung mit sich, dieses Erbe für die kommenden Generationen zu erhalten", erklärt Greenpeace-Meeresexperte Thilo Maack. Hamburg könne es jetzt besser machen als die für das übrige Wattenmeer verantwortlichen Stellen. Ansonsten sei dieser neue Schutzstatus gerade so viel wert wie das Papier, auf dem er steht.
(Autorin: Nicoline Haas)