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Braunkohletagebau Schleenhain in Sachsen, dahinter das Kohlekraftwerk Lippendorf
Gordon Welters / Greenpeace

Keine Transparenz in Sachsen

Braunkohle: Gewinn für Vattenfall - Risiken und Kosten für den Steuerzahler

Greenpeace möchte Einsicht in ein Gutachten des Landesrechnungshofes zum Bergbau in Sachsen. Doch die Regierung schweigt und ändert das Umweltinformationsgesetz.

Die Gesetzesänderung sah unauffällig aus, und sie war gut versteckt in einem dicken Paket: Im Zuge des Haushaltsbegleitgesetzes hat der sächsische Landtag in der Woche vor Weihnachten eine Änderung des Landes-Umweltinformationsgesetzes beschlossen. Die Landtagsdebatte kreiste naturgemäß um den Haushalt, und die kleine Änderung, die sich in Artikel 21b der Beschlussvorlage verbarg, fiel kaum auf. Mit ihr wurde der Landesrechnungshof aus dem Kreis der auskunftsverpflichteten Stellen nach dem Umweltinformationsgesetz herausgenommen.

Doch diese Gesetzesänderung zielte wohl hauptsächlich auf einen ganz konkreten Antrag: Greenpeace hatte nämlich bereits im Jahr 2017 die Herausgabe eines Sondergutachtens des Rechnungshofes beantragt, in dem es um Sicherheitsleistungen im Bergrecht geht. Denn es besteht der Verdacht, dass mit dem Verkauf der Braunkohlesparte von Vattenfall erhebliche finanzielle Risiken auf die öffentliche Hand abgewälzt worden sind.

Vattenfall hatte den Verkauf Ende 2014 angestoßen, "um seine CO2-Bilanz zu verbessern"... scheinbar auch noch andere Bilanzen. Profite im Braunkohlegeschäft, ja - Folgekosten, nein? Die Regierung schweigt dazu. 

Der Rechnungshof wirft im Gutachten der Landesregierung vor, es versäumt zu haben, gegenüber dem Stromkonzern auf Garantien zu beharren. Konkret geht es darum, ob der neue Eigner, der Energiekonzern LEAG, wirtschaftlich solide genug ist, um die sogenannten Ewigkeitskosten der Kohleförderung zu tragen, also zum Beispiel für die Rekultivierung zerstörter Landschaften gerade zu stehen.

Rechnungshof ausgeklammert

Eigentlich fallen umweltbezogene Informationen wie diese unter das Umweltinformationsgesetz, das allen Bürgern weitreichende Akteneinsicht- und Auskunftsrechte einräumt. Doch der Sächsische Rechnungshof lehnte den Antrag nach rund sechs Monaten ab. Dagegen hat Greenpeace dann vor dem Verwaltungsgericht Leipzig Klage eingereicht. Derartige Streitigkeiten sind normal – es kommt eben vor, dass Behörden und Greenpeace unterschiedlicher Rechtsauffassung sind. Aber offenbar war der Rechnungshof sich nicht hundertprozentig sicher, alles unter Verschluss halten zu können, und wählte deshalb eine aus seiner Sicht sichere Strategie: Er sorgte für eine Gesetzesänderung, die den Rechnungshof aus dem Umweltinformationsgesetz ausklammert. Ein ungeheuerlicher Vorgang, denn damit hätte der Rechnungshof sich gegenüber allen Transparenzbemühungen abgeschottet.

Dr. Manfred Redelfs, Greenpeace-Experte für Recherche, sieht in diesem Vorgehen einen Skandal: „Diese Gesetzesänderung zielt erkennbar auf unsere laufende Klage und ist damit eine Lex Greenpeace. Es widerspricht rechtsstaatlichen Prinzipien, dass man die Gesetzgebung in dieser Weise auf Einzelfälle zuschneidet, wenn einem ein aktueller Antrag nicht passt“.

Rechnungshof initiierte die Gesetzesänderung

Der Zusammenhang zwischen dem Greenpeace-Antrag und der Gesetzesänderung zeigt sich dabei zunächst anhand des zeitlichen Ablaufs: Erst im April 2018 hatte es eine Novelle des Umweltinformationsgesetzes gegeben, ohne dass zu dem Zeitpunkt der Rechnungshof Thema war. Als aber Greenpeace durch die Klageerhebung im September 2018 demonstriert hatte, es mit dem Auskunftsbegehren ernst zu meinen und so leicht nicht locker zu lassen, wurde der Rechnungshof aktiv. Dies räumt auch die in Sachsen mitregierende SPD ein, die in einer Pressemitteilung zur aktuellen Debatte um die „Lex Greenpeace“ erklärte: „Der Wunsch des Rechnungshofes, das Gesetz zu ändern, wurde im Herbst 2018 vom Rechnungshof selbst an die CDU-Fraktion herangetragen. Sie formulierte dann einen entsprechenden Antrag für das Haushaltsbegleitgesetz.“

Tatsächlich hat der Präsident des Rechnungshofes in einer Anhörung am 26. November 2018 vorgetragen, warum ihm eine Änderung des Gesetzes wichtig war: „Angesichts der Nähe des Rechnungshofes zu Umweltinformationen im Sinne des Sächsischen Umweltinformationsgesetzes besteht die Gefahr von Rechtsstreitigkeit über den freien Zugang zu diesen Daten.“ Dieser gerichtlichen Überprüfung, worauf Antragsteller ein Anrecht haben und worauf nicht, sollte offensichtlich ein Riegel vorgeschoben werden.

Grüne in Sachsen sehen sich hintergangen

Nachdem Greenpeace Journalisten über den Vorgang unterrichtet hatte und netzpolitik.org darüber berichtete, erklärten mehrere Parteienvertreter in Sachsen, von den wahren Hintergründen nichts gewusst zu haben. Gerd Lippold von den Grünen kommentierte deutlich: „Es ist ein unglaublicher Vorgang. Offenbar ist die Aufrechterhaltung der sächsischen Verschleierungstaktik in Bezug auf die Folgekostenrisiken der Braunkohle in so hohem Maße Staatsräson, dass den Abgeordneten zu diesem Zweck sogar Gesetzesänderungen untergejubelt werden.“

Die SPD-Fraktion reicht den schwarzen Peter stattdessen etwas pikiert an den Landesrechnungshof weiter und beteuert, von dem Rechtsstreit nichts gewusst zu haben. Zugleich betont diese Regierungsfraktion, sie halte es „für richtig, Gutachten nicht zwingend zu veröffentlichen, wenn diese interne Zahlen eines Unternehmens enthalten“. Doch dafür hätte es gar keine Gesetzesänderung gebraucht: „Auch nach dem alten Gesetz bleiben Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse geschützt“, erläutert Rechercheexperte Manfred Redelfs. „Allerdings hätte man dann gerichtlich überprüfen lassen können, was echte Geschäftsgeheimnisse sind – und jetzt ist der Landesrechnungshof pauschal der Transparenz entzogen.“

Mehr Behördentransparenz überfällig

Dabei hat Sachsen in punkto Verwaltungstransparenz ohnehin großen Nachholbedarf: Es ist eines von nur noch drei Bundesländern, in denen es kein allgemeines Akteneinsichtsrecht gibt. Den Schlusslicht-Status teilt Sachsen mit Niedersachsen und Bayern. Zwar hatten sich Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag verpflichtet, ein Informationsfreiheitsgesetz einzuführen, das jeder Person Zugang zu Verwaltungsinformation ermöglicht, sofern keine Ausnahmegründe wie Datenschutz oder Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen entgegenstehen. Aber passiert ist nichts – und die Legislaturperiode neigt sich dem Ende zu.

Für Greenpeace ist deshalb überfällig, dass Sachsen endlich mehr Offenheit wagt. „Statt sich mit Gesetzesänderungen abzuschotten, sollte die Landesregierung ein modernes Transparenzgesetz auf den Weg bringen“, so Redelfs. Damit ließe sich dann auch die aktuelle Gesetzesverschärfung wieder korrigieren. Zudem wird Greenpeace weitere juristische Möglichkeiten prüfen, gegen die Geheimniskrämerei in Sachsen vorzugehen.  

Und Sachsens Bürger? - Die blicken in leere Taschen und die Braunkohlewüste.