Earth Overshoot Day: Das Jahresbudget der Natur ist aufgebraucht
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Am 22.8.2012 war der Tag der Ökologischen Überschuldung für das Jahr 2012. Damit wurden alle Ressourcen, die uns für das gesamte Jahr zur Verfügung stehen, in weniger als neun Monaten verbraucht. Im Interview mit Jürgen Knirsch, Greenpeace-Experten für nachhaltigen Konsum, erfahren wir mehr darüber.
Online-Redaktion: Jürgen, seit wann sind wir überschuldet?
Jürgen Knirsch: Seit Anfang der 70er Jahre - ab diesem Zeitpunkt hat die Biokapazität nicht mehr ausgereicht, um unseren Fußabdruck zu decken. Die Biokapazität ist das, was uns die Erde an produktiver Fläche zur Verfügung stellt und sollte im Idealfall größer als der Fußabdruck sein. Der ökologische Fußabdruck benennt die produktive Land- wie Wasserfläche der Erde, die wir für Ernährung, Wohnen, Mobilität und Konsum in Anspruch nehmen. Er berücksichtigt auch die Fläche, die wir zur Aufnahme unserer Abfälle und zur Kompensation unserer CO2-Emissionen benötigen. Als Maßstab für Biokapazität und ökologischen Fußabdruck wird die Einheit globaler Hektar benutzt.
Vor fünfzig Jahren nutzte die Menschheit nur 74 Prozent der Biokapazität. Um 1970 waren es bereits 100 Prozent, 1985 lag der Stand bei 114 Prozent und im Jahr 2012 bei 156 Prozent. Wenn wir so weitermachen, werden wir im Jahr 2050 fast zwei weitere Erden brauchen - kein Mensch weiß, woher wir diese zwei Planeten nehmen können - deshalb müssen wir uns beschränken und mit den Ressourcen, die wir haben, zurecht kommen.
Online-Redaktion: Wie hoch ist der ökologische Fußabdruck in Deutschland und wer trägt Schuld daran?
Jürgen Knirsch: In Deutschland beträgt der ökologische Fußabdruck aktuell 4,57 globale Hektar pro Person. Unsere Biokapazität beträgt jedoch nur 1,95 globale Hektar. Das heisst, wenn alle Menschen soviel wie die Deutschen konsumieren würden, bräuchten wir 2,57 Planeten. Die Verursacher des großen Fußabdrucks in Deutschland sind mit 35 Prozent die Ernährung, die Bereiche Wohnen mit 25 Prozent und Mobilität mit 22 Prozent. Der sonstige Konsum schlägt mit 18 Prozent zu Buche.
Zusätzlich steht die Hälfte des ökologischen Fußabdrucks im Zusammenhang mit dem Energieverbrauch. Sowohl bei der Ernährung, beim Wohnen durch das Heizen, bei der Mobilität durch den Treibstoff, wie auch bei der Herstellung von Konsumgütern, wird viel Energie gebraucht.
Online-Redaktion: Aktuell beschäftigt sich Greenpeace mit dem Schutz der Arktis. Laut Experten ist das arktische Eis in den letzten 30 Jahren bis zu 75 Prozent zurück gegangen. Welchen Anteil hat der hohe ökologische Fußabdruck an der Tatsache, dass die Arktis schmilzt?
Jürgen Knirsch: Unser Lebensstil führt nicht nur zu einem großen Fußabdruck, sondern auch zum Klimawandel. Wenn die Hälfte des ökologischen Fußabdrucks im Zusammenhang mit Energie steht, heißt das, dass wir einen relativ hohen Bedarf an Energie haben, den wir überwiegend noch durch Öl und Kohle decken.
Das Schmelzen des Eises der Arktis lässt plötzlich Ölfelder interessant und lukrativ werden, die man früher nicht nutzen konnte, weil sie von einer dicken Eisfläche überdeckt waren. Nun fangen Ölkonzerne wie Shell oder Gazprom an, in der Arktis nach Öl und Gas zu bohren und beides zu fördern. Dies wird natürlich dazu führen, dass unser Ölverbrauch weiterhin hoch bleibt. Dadurch entsteht ein Teufelskreis: Mit der Produktion und fortlaufenden Verwendung des Öls werden wir weiter dazu beitragen, dass das Klima erhöht wird und somit die Arktis noch weiter schmilzt.
Online-Redaktion: Wie können wir unseren Lebensstil dem Budget der Natur anpassen?
Jürgen Knirsch: Für die Verringerung des persönlichen ökologischen Fußabdrucks gibt es vier Maßnahmen: Die vier F. Das erste F steht für weniger Fliegen. Das zweite steht für weniger Auto-Fahren, das dritte für weniger Fleisch und beim vierten F handelt es sich um Wohnen wie im Fass - das heißt der Bereich Wohnen soll optimiert, auf Stromanbieter mit erneuerbaren Energien und richtige Isolierung gesetzt werden.
Es gibt aber ein weiteres und gewichtiges F. Dies steht für Forderungen und richtet sich an den Staat. Er muss für einen nachhaltigen Konsum die richtigen Vorgaben setzten und selbst als Vorbild vorangehen, das heißt bei der öffentlichen Beschaffung Produkte bevorzugen, die das Klima weniger belasten.
Wenn man solche Schritte beherzigt, könnte man den ökologischen Fußabdruck deutlich reduzieren und dazu kommen, dass wir vielleicht doch mit unserem einen Planeten auskommen.
Online-Redaktion: Vielen Dank für das Gespräch!